Print Friendly, PDF & Email

Gegenstände als Gesprächs­partner

Haben Sie schon mal defekte Geräte beschimpft? Oder einer krän­kelnden Zimmer­palme gut zugeredet? Keine Sorge, Sie sind völlig normal.

„Hör mal, du dämliche Kiste, wenn du nicht sofort tust, was ich dir sage …“ Falls Sie schon einmal Ihren Fernseher derart angeschnauzt haben – Sie sind nicht allein. Wir alle lassen gele­gentlich unseren Frust an Gegen­ständen aus. Wir reden mit ihnen, als ob sie lebendige Zuhörer wären. Der eine erklärt seiner „Kiste“ ausführlich, wie sie sich zu verhalten habe, der andere begnügt sich mit einem kurzen Fluch: „Miststück!“

Bockige Geräte sind nicht unsere einzigen Gesprächs­partner. Wir sagen zum Beispiel:

  • „Was fehlt dir denn, du Arme?“ zu einer Pflanze, die ihre Blätter hängen lässt
  • „Entschuldigung“ zu einem Tisch, den wir versehentlich angerempelt haben
  • „Brav, mein kleiner Dicker“ zum Kleinwagen, der sich doch noch in die Parklücke hineinzwängen ließ.

Dieses Verhalten ist vernünftiger als es aussieht. Viele Objekte sind für uns wie Personen:

  • Sie sind unsere Partner bei gemeinsamen Aktivitäten (Computer, Skibretter, Auto).
  • Sie verhalten sich teilweise unberechenbar, also nicht wie erwartet (technische Geräte, zu eng gewordene Kleidung).
  • Viele „leben“ länger in unserer Wohnung als unsere menschlichen Lebensabschnittspartner (Möbel, Bücher).

Gegenstände sind angenehme Gesprächs­partner. Sie unterbrechen unsere Rede nicht, sie wider­sprechen nicht und sie rasten nicht aus. Aber ist dieses Gespräch nicht ziemlich einseitig? Na und? Auch menschliche Partner hören uns oft nicht zu. Man sagt nicht umsonst: „Mit ihm ist es, als ob man gegen eine Wand redet.“ Warum dann nicht gleich mit seiner Wand sprechen statt mit dem Stiesel, der stumm neben mir auf dem Sofa hockt?

Im Alltag empfinden wir keine so große Kluft zwischen Dingen und Menschen. Beide können uns froh stimmen oder uns ärgern. Haustiere stehen zwischen beiden. Sie sind lebendig wie Menschen und können teilweise unsere Gefühle mitempfinden. Hunde verstehen unseren Tonfall, aber genau wie Dinge nicht unsere Worte. Ein echter Dialog ist nicht möglich.

Reden ist die Art und Weise, wie wir Fremde zu Vertrauten machen. Das gilt für Menschen ebenso wie für Dinge. Technik, die wir nicht verstehen, erscheint uns fremd  – und wenn sie nicht funktioniert, als feindlich. Sobald wir mit den Dingen reden, verlieren wir die Scheu. Unsere seelische Distanz verschwindet und nimmt uns die Berührungs­­ängste. Sie werden zu „unseren“ Dingen. Langjährige Beziehungen wecken nun mal unser Redebedürfnis.

Übrigens: Wer mit Pflanzen redet, tut ihnen in der Tat etwas Gutes und sie reagieren darauf. Der menschliche Atem ist warm und feucht. Die Luft, die wir beim Reden ausblasen, schafft ein Mirkoklima, bei dem die meisten Pflanzen besser gedeihen.

Lesen Sie bei uns auch:
Selbstgespräche Warum es gesund ist, mit sich selbst zu reden
„Das kannst du sowieso nicht verstehen!“ Fünf typische Männer- und Frauen-Macken im Vergleich

veröffentlicht im Januar 2013 © by www.berlinx.de

No votes yet.
Please wait...