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intrigenAttacken aus dem Hintergrund

Angriffe mit verdecktem Visier sind besonders tückisch. Wir sehen den Feind nicht kommen und merken erst, wenn es zu spät ist, dass wir angegriffen wurden.

Jago rechnet mit seiner Beförderung. Vergeblich. Er muss ohn­mächtig zusehen, wie sein Chef Othello dem unerfahrenen Cassio die begehrte Position verschafft. Nach außen hin gibt Jago weiterhin den treuen Unter­gebenen. In seinem Innern plant er heimliche Rache.

Jago fordert einen jungen Vertrauten namens Rodrigo auf, mit dem Konkurrenten Cassio einen Streit anzufangen. Othello beobachtet sie Szene und ärgert sich über Cassios mangelnde Selbst­beherrschung. Jago rät Cassio schein­heilig, bei der Zukünftigen seines Chefs, der schönen Desdemona, um Fürsprache nachzu­suchen. Cassio folgt Jagos Rat. Zu aller Verderben. Jago macht Othello auf das Treffen von Cassio und Desdemona aufmerksam. Das weckt Othellos Eifersucht. Geht Desdemona mit Cassio fremd? Einmal geweckt, findet der Verdacht immer neue Nahrung, zum Beispiel in einem verlorenen Taschentuch. Am Ende tötet Othello Desdemona und sich selbst.

Dieses klassische Rachedrama von Shakespeare zeigt, wie eine Intrige funktioniert:

  • Der Intrigant spielt den wohlmeinenden Freund.
  • Er spielt zwei oder mehr Personen gegeneinander aus.
  • Er erzählt jedem der Beteiligten eine andere Geschichte, um das gegenseitige Misstrauen zu wecken.
  • Er erkundet die verletzlichen Punkte seiner Opfer und setzt dort mit seinen Geschichten an.
  • Intrigen beuten unsere Angst vor Verlusten und unseren Hang zu Heimlich­keiten aus.

Intrigen sind eine indirekte Form, Konflikte auszutragen. Sie nutzen die Mehr­deutigkeit menschlichen Verhaltens aus. Das bedeutet: Ein sichtbares Verhalten kann verschiedene Motive haben. Ein Beispiel: Sie sehen, wie einer Ihrer Nachbarn  jeden Morgen mehrere Flaschen in den Glas­container entsorgt. Was könnte der Grund sein?

  • Er ist Alkoholiker.
  • Seine Frau oder andere Angehörige sind Alkoholiker.
  • Er ist gesundheits­bewusst und trinkt täglich mehrere Flaschen Saft.
  • Er ist arm und sammelt Flaschen im Park. Abends sortiert er sie und schafft am nächsten Morgen diejenigen, die für die es kein Pfand gibt, in den Container.
  • Er ist krank und muss täglich mehrere Liter Heilwasser trinken.
  • Er nimmt an einer wissen­schaftlichen Studie teil, wie sich ein hoher Flüssigkeits­konsum auf die Gesundheit auswirkt.
  • Er ist Hobby­glasbläser und entsorgt jeden Morgen die miss­lungenen Exemplare seines Schaffens.
  • Er entsorgt die Flaschen seines gehbe­hinderten Vaters, der den Weg zum Container nicht mehr allein schafft.

Fallen Ihnen weitere Erklärungen ein? Beobachten Sie beliebige andere Verhaltens­weisen Ihrer Mitmenschen und lassen Sie sich so viele Motive wie möglich dafür einfallen. Das schult Ihre Phantasie und Ihre Menschen­kenntnis. Und es wappnet Sie gegen Einflü­sterungen von Intriganten. Denn für einen schein­heiligen Zeit­genossen ist nur ein Motiv denkbar und zwar das ungünstigste: Der da kann nur ein heimlicher Trinker sein! Muss man nicht seinen Chef warnen?

Im Zeitalter des Mobbings nehmen Intrigen leider wieder zu. Wie können Sie sich schützen?

Sorgen Sie für Offenheit. Sobald jemand Ihnen unter dem Siegel der Verschwie­genheit etwas über Dritte erzählen will, ist Wach­samkeit geboten. Glauben Sie die Geschichte nur unter Vorbehalt. Rufen Sie die Person dazu, von der gerade die Rede war, und fordern Sie den Erzähler auf, seinen Geschichte vor ihren Ohren zu wiederholen.

Nehmen Sie Heimlichkeit nicht hin. Es gibt Gerüchte über Sie, hinter Ihrem Rücken? Fragen Sie nach. Bieten Sie an, Ihre Verhältnisse offen zu legen. (Keine Sorge, kaum jemand wird sich trauen, tatsächlich bei Ihnen herumzu­schnüffeln.)

Suchen Sie sich Verbündete. Intrigen sind Machtspiele. Der Intrigant versucht, eine Meinungs­front gegen Sie aufzubauen. Halten Sie Ausschau nach Menschen, denen es ebenso erging, oder die aus anderen Gründen auf Ihrer Seite stehen. Solange Opfer ausreichend Unter­stützung finden, kann der Intrigant zwar Gerüchte verbreiten, aber ihnen nicht ernsthaft schaden.

Vertrauensvorschuss. Den meisten Menschen kann man meistens vertrauen. Verdächtigen Sie niemandem, bloß weil es Ihnen eine gute Freundin rät. Fällen Sie Ihr eigenes Urteil. Vorsicht ist gut, aber Misstrauen ist erst angebracht, wenn Sie die angeklagte Person selbst beim Betrug ertappen.

Informieren Sie den abwesenden Dritten. Der Intrigant hat Ihnen etwas über Abwesende erzählt? Dann dürfen Sie mit dem Intriganten genauso verfahren. Erzählen Sie allen, wer da gerade unan­genehme Gerüchte verbreitet. Othello hätte Cassio und Desdemona verraten sollen, was Jago über sie erzählt hat. Dann steht zwar immer noch Aussage gegen Aussage, aber die Intrige ist geplatzt.

Wo sind Sie angreifbar? Denken Sie über Ihre verletzlichen Seiten nach. Unter welchen Umständen wären Sie bereit, auf den Verdacht zu hören, den ein Intrigant in Ihnen weckt? Haben Sie Angst, den Geliebten, Ihre Kinder, Ihren Job zu verlieren oder beim Karriere­wettlauf ins Hinter­treffen zu geraten? Wären Sie bereit, mit unfairen Mitteln zurückzuschlagen, wenn man Sie bedroht?

Lesen Sie bei uns auch:
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Buchtipp:
Regina Michalik: Intrige: Machtspiele – wie sie funktionieren – wie man sie durchschaut – was man dagegen tun kann. Econ Verlag. € 18,00.

veröffentlicht im Juli 2015 © by www.berlinx.de

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