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Die heiße Lust an der Vergeltung

Am 1. November startete Kai Pflaume auf SAT1 mit einer neuen Spielshow „Rache ist süß“. In der Tat ist der Gedanke an Vergeltung für erlittene Demütigungen so populär wie nie zuvor. Grund genug für EGONet, sich mit den psychologischen Hintergründen und den Bedingungen einer gelungenen Rache zu beschäftigen.

Drei Frauen erlebten das gleiche: Über Jahre hatten sie ihre Männer beim Aufbau des Geschäftes unterstützt. Sie kümmerten sich um die Kinder und gaben moralische Unterstützung, wenn das männliche Ego gelitten hatte. Das Ende vom Lied? Die Herren sahen sich unter den Schönen des Landes um. Brenda kämpft gegen eine Kassiererin, Elises schärfste Rivalin bekommt die begehrte Hauptrolle und Annie erfährt, daß sie von ihrer eigenen Psychotherapeutin betrogen wird. Doch statt aufzugeben, vereinigten sich die drei zu einem furiosen Rachefeldzug. Unter dem Motto „Ärgere dich nicht, nimm dir alles“ zahlten sie es ihren treulosen Gatten heim.

42 Millionen Dollar spielte der Film „Der Club der Teufelinnen“ ein, in dem Bette Midler, Diane Keaton und Goldie Hawn stellvertretend für Millionen Leidensgenossinnen in aller Welt deren heimliche Rachephantasien in die Wirklichkeit umsetzten.

Auch in der Wirklichkeit ist Rache ein vorwiegend weibliches Phänomen. Mit raffiniert geplanter und durchgeführter Vergeltung schlagen Frauen nach erfahrener Demütigung zurück. Beleidigte Männer neigen eher dazu, zuzuschlagen oder ihre soziale Machtposition auszunutzen. Frauen sind eher gezwungen und bereit, Muskeln durch exakt kalkulierte emotionale Schläge zu ersetzen. Ihr im allgemeinen besseres Einfühlungsvermögen in die Emotionen anderer macht sie Männern auf diesem Feld überlegen.

Einige Beispiele für tatsächlich durchgeführte Racheakte:

  • Den Wagen des Mannes auf dem Flughafen oder in einem riesigen Parkhaus abstellen und ihm die Schlüssel schicken, ohne den genauen Stellplatz zu verraten.
  • Anonyme Briefe mit erfundenen Hinweisen eines „guten Freundes“, der von der vermeintlichen Untreue der neuen Partnerin berichtet.
  • Den Teppich des untreuen Freundes mit Wasser begießen und mit Kressesamen bestreuen, so daß es bald darauf im Wohnzimmer grünt.
  • Bestellen überflüssiger teurer, sperriger oder peinlicher Dinge per Katalog an die Anschrift des Betreffenden (Fernseher, Porzellanservice, Pornoartikel). Die muß er zwar nicht nehmen, aber das Zurückschicken macht Umstände, kostet Zeit und– im Fall Vibratoren oder Lederwäsche – Überwindung.
  • Profi-Kontaktanzeigen mit der Telefonnummer des Betreffenden veröffentlichen: „Gutgebauter zärtlicher Boy (oder ebenso gemein: Girl) verwöhnt sie und ihn. Auch Hausbesuche.“ Danach muß er sein Telefon abmelden.
  • Sehr häufig ist der anonyme Tip an das Finanzamt. Zu fünfzig Prozent verdanken Steuerfahnder ihre Ermittlungserfolge diskreten Hinweisen rachsüchtiger Informanten.

Für eine gelungene Rache ist die eigene Erfindungsgabe gefragt. Am erfolgreichsten ist der Rächer, der genau weiß, welche Tat sein Opfer an einer empfindlichen Stelle trifft. Eine gelungene Rache befriedigt und entschädigt für erlittenes Leid. Das ist wohl der Grund, daß immer wieder Menschen zu kriminellen Vergeltungsmaßnahmen greifen. Davon leben auch Thrillerautoren und Filmemacher. Vor einigen Jahren schnitt die 24jährige Kosmetikerin Lorena Bobitt ihrem zwei Jahre älteren Gatten John Wayne Bobitt im Schlaf den Penis ab und warf ihn vor einem Supermarkt aus dem Autofenster – als Rache für Vergewaltigung in der Ehe. Dem Opfer schlug jedoch der schmerzhafte Schnitt zum Segen aus. TV-Journalisten rissen sich um Interviews, die er sich gut bezahlen ließ. Wenige Wochen, nachdem ihm Chirurgen seine Männlichkeit wieder angenäht hatten, prahlte er, bereits wieder voll einsatzfähig zu sein.

Grundsätzlich sollte man sich immer überlegen, ob ein Racheakt einen möglichen Prozeß wegen Sachbeschädigung oder Körperverletzung wert ist. Gewinnt der Geschädigte nämlich den Prozeß, kann sich der oder die Rächende bereits ein zweites Mal gedemütigt fühlen. Wenn es um Vergeltung zwischen ehemaligen Eheleuten geht, werden häufig Unbeteiligte als Waffe eingesetzt: die gemeinsamen Kinder. Kommen Dritte dabei zu Schaden, hinterläßt die Tat gemischte Gefühle: die Befriedigung über den Gegenschlag wird getrübt von dem schlechten Gewissen, das einen jahrelang verfolgen kann.

In Amerika gibt es bereits Unternehmen, die auf Bestellung und gegen ein saftiges Honorar zuverlässig und diskret Racheoperationen übernehmen. Sie beschränken sich auf Maßnahmen, die den Rahmen der Legalität nicht verlassen. Jenseits von Law and Order brachte ein US-Service einen Katalog heraus, der auf 200 Seiten interessante Möglichkeit der Revanche zur Nachahmung empfiehlt. Bis zur Anleitung zum Mord.

Die Rache, die den Fiesling am ehesten trifft, kommt unblutig daher. Sie besteht in dem sichtbaren Beweis, daß es Ihnen richtig gut geht, seit der Betreffende sich aus Ihrem Leben verabschiedet hat. Gleichmut und seelische Stärke treffen den andern, weil er sehen muß, daß Sie es nicht nötig haben, durch eine kalt geplante Intrige, die verlorene Überlegenheit wieder herzustellen.

Die acht Regeln einer erfolgreichen Vergeltung:

  • Den ersten Zorn verrauchen lassen, dann den Gegenschlag umsichtig planen.
  • Sich nie zu spontanen Kurzschlußhandlungen verleiten lassen.
  • Rache genau auf das Opfer zuschneiden, es in seinen Ehr- und Selbstwertgefühlen treffen.
  • Keine Unbeteiligten hineinziehen.
  • Sich nicht bei der Vorbereitung ertappen lassen.
  • Nicht mit dem Gesetz in Konflikt geraten.
  • Unerwartete Gegenreaktionen und ungünstige Zufälle einplanen.
  • Unberechenbar handeln, Niveau und Raffinesse zeigen.
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