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Warum die Wissbegierde gesund ist und uns fröhlich stimmt

Wer seine Nase in alles steckt und hinter jedes Geheimnis kommen will, gilt als aufdringlich und wenig diskret. Doch das ist nicht die ganze Wahrheit.

„Zuviel Neugier schadet nur.“
„Zu große Neugier treibt den Vogel in die Schlinge.“
„Wer seine Nase in jeden Ofen steckt, kann sie sich leicht verbrennen.“

Das sind nur drei von vielen warnenden Volksweisheiten, mit denen seit Jahrhunderten Eltern ihren Nachwuchs im Zaum halten. Denn Kinder sind von Natur aus neugierig. Sie wollen alles anfassen und in den Mund stecken. Sie löchern die Eltern mit endlosen Warum-Fragen, bis sie entnervt ausrufen: „Sei nicht so neugierig!“

Doch ohne die Neugier unserer Vorfahren säßen wir noch in der afrikanischen Savanne, hätten weder Amerika noch das Weltall entdeckt. Sagen Sie jetzt: „Na und? Es wäre vielleicht besser für uns alle“? Vorsicht! Wir hätten auch keine moderne Hygiene, litten Hunger und 90 Prozent unserer Kinder würden früh sterben.

Neugier treibt kleine Kinder an, ihre Umwelt zu erkunden. Neugier weckt unsere Intelligenz, treibt in der Pubertät Jungen und Mädchen zueinander und lässt uns Abenteuer und interessante Berufe suchen. Sie stiftet uns zu Reisen in ferne Länder an, erschließt uns spannende Hobbys und hält uns geistig mobil. Fehlt die Neugier, ertrinkt das Leben in Routine. Langeweile und schlechte Stimmung machen sich breit.

Doch nicht nur Kinder brauchen Neugier. Studien zur mentalen Fitness zeigen, dass auch im Alter Neugier geistig jung hält. Sie bringt Abwechslung in den Alltag. Vor allem die Neugier auf Menschen ist ein wahrer Jungbrunnen. Lebhafte Kontakte im Alter bewahren die Gesundheit ebenso effektiv wie Ausdauersport. Neugier schützt außerdem vor schlechter Laune. Denn Langeweile macht depressiv, Abwechslung stimmt uns fröhlich. Nicht vor zu viel, sondern vor zu wenig Neugier sollten wir warnen!

Freilich hat die Neugier auch ihre Schattenseiten. Wir sind vor allem neugierig auf Informationen über Gefahren und Katastrophen. Das ist ein Erbe unserer Vorfahren, für die jede rechtzeitige Nachricht über Raubtiere und Feinde lebensrettend sein konnte. Schönes und Friedliches weckt weniger Interesse. Das zeigt sich in der modernen Gesellschaft im „Gaffer“-Phänomen. Wo „schrecklich Aufregendes“ passiert, strömen die Menschen zusammen.

Jedes Jahr verunglücken bei uns 400 000 Personen im Straßenverkehr. Rettungskräfte sind pausenlos im Einsatz. Bei jedem fünften Einsatz werden sie jedoch durch Gaffer behindert. Schaulustige blockieren die Zufahrtswege der Rettungswagen, Drängler schieben die Sanitäter beiseite. Manche schimpfen sogar, wenn der Verletzte zu schnell im Sani-Wagen verschwindet, weil sie dann nichts mehr sehen. Sie versuchen sich auf das Trittbrett zu stellen und zu erspähen, was da drinnen weiter vor sich geht. Schnell noch ein Schnappschuss mit der Handykamera, der kurz darauf im Internet zu sehen ist.

Wo etwas Ungewohntes geschieht, schauen wir genauer hin. Das ist eine instinktive Reaktion aus der Urzeit. Schon im Mittelalter versammelten sich die Bürger bei Hinrichtungen. Je brutaler, desto spannender. Heute heizt das Fernsehen die Neugier auf Schreckliches an. Wen aber ausschließlich Katastrophen aus der Lethargie wecken, der erhöht seinen Angstpegel. Ein diffuse Grundangst macht sich breit. Sie führt zum Beispiel dazu, dass wir im Flugzeug mehr Angst empfinden als im eignen Auto. Obwohl die Statistik uns sagt: In Deutschland sterben jedes Jahr über 4000 Personen im Straßenverkehr. Weltweit traf es 2009 laut UN-Angaben sogar 1,27 Millionen Menschen. Todesfälle durch Flugzeugabstürze sind dagegen selten. 2009 starben weltweit rund 1000 Personen bei Flugunglücken. Das sind weniger als 0,1 Prozent aller Verkehrstoten.

Gesünder ist es, seine Neugier auf die positiven Seiten des Lebens zu richten, zum Beispiel auf:

  • interessante Bekanntschaften
  • fremde Kulturen und Naturschauplätze
  • neue Erkenntnisse der Medizin und anderer Wissenschaften
  • Bücher, Filme, Museen
  • außergewöhnliche Hobbys

Fürchten Sie, man könnte Sie als indiskret und aufdringlich einschätzen? Schon diese Furcht ist aufschlussreich! Warum fürchtet sich niemand, man könnte ihn für gelangweilt und uninteressiert halten? Hier sind die vier entscheidenden Schritte von einem langweiligen Routinedasein zu einem abwechslungsreichen Leben voll spannender Erlebnisse:

  • Überprüfen Sie Ihre Einstellung. Wie sympathisch finden Sie neugierige Menschen? Begegnen Sie fremder Neugier mit eigener Neugier.
  • Stellen Sie Fragen. Sagen Sie „Warum …?“ und fügen Sie als Begründung, warum Sie fragen, hinzu: „Das interessiert mich.“ Sie werden sehen: Über 90 Prozent der Befragten fühlen sich geschmeichelt, weil man sich für sie interessiert.
  • Meiden Sie Gerüchte, Klatsch und Tratsch. Versuchen Sie, sich gesicherte Informationen aus erster Hand zu beschaffen. Bei Journalisten gilt die Regel: Nur was mindestens zwei von einander unabhängige Quellen bestätigen, darf als seriös gelten. Nutzen Sie Quellen, die Qualitätsstandards befolgen und offen legen, wie sie ihre Informationen gewinnen und deren Güte bewerten.
  • Gehen Sie selbst auf Entdeckungstour. Wer sich selbst einmal die Mühe machte, Erkenntnisse zu gewinnen, kann besser beurteilen, was die Mitteilungen anderer wert sind. Selbst Entdecker zu sein, macht kreativ, intelligent und hält geistig fit.

Veröffentlicht im September 2010 © by www.berlinx.de

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