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Vermitteln bei Konflikten

Wo Meinungen und Interessen aufeinander stoßen, sind Konflikte vorprogrammiert. Liegen die Beteiligten im Clinch, kann oft nur ein Vermittler von außen eine Einigung herbeiführen. Seit Jahren sind zu diesem Zweck professionelle Mediatoren im Einsatz. Egonet erklärt die Grundprinzipien ihrer Tätigkeit.

  • Eine Firma baut mit staatlicher Genehmigung eine Straße mitten durch ein Erholungsgebiet. Anwohner behindern den Fortgang der Bauarbeiten mit Sitzblockaden.
  • Jana ist verheiratet, hat aber eine neue Liebe gefunden. Der gekränkte Ehemann droht mit einer Kampfscheidung und einem gnadenlosen Krieg um die Kinder.
  • Jürgen und Dieter haben zusammen eine Firma aufgemacht. Jetzt will Dieter aussteigen und mit seinem Gewinn einen Kneipe auf Mallorca aufmachen. Jürgen weigert sich, auch nur einen Euro herauszurücken. Beide hatten es versäumt, für einen solchen Fall eine vertragliche Vereinbarung zu treffen.

Drei von vielen möglichen Fällen, in denen eine zerstörerische Auseinandersetzung droht. Um ihr Gesicht nicht zu verlieren, sind beide Parteien oft bereit zu kämpfen, bis alle materiellen Ressourcen, um die es ging, in den Taschen der Anwälte gelandet sind. Seit den achtziger Jahren setzt sich zunehmend ein anderer Ausweg durch – die Mediation. Der neutrale Vermittler hat nicht die Aufgabe eines Schiedsrichters. Er verteilt keine Zensuren, er legt – im Unterschied zu einem Richter – nicht fest, wer recht hat. Er schlägt nicht einmal eine Lösung vor. Die müssen die Beteiligten selbst finden. Seine Aufgabe besteht vielmehr darin, die verfeindeten Parteien ins Gespräch zu bringen. Sie zu befähigen, eine Einigung in scheinbar auswegloser Lage zu finden.

Oft ist es die Aussicht, erhebliche Gerichtskosten einzusparen, die wütende Streithähne an den Verhandlungstisch bringt. Ließe man sie allein, würden sie sich beschimpfen und sich zanken, wer recht hat. Die Aufgabe des Außenstehenden besteht darin, einen neuen Kreislauf von Vorwürfen und Beleidigungen zu verhindern und das Gespräch in konstruktive Bahnen zu lenken. Statt um Schuldzuweisungen geht es darum, eine praktikable Lösung zu suchen. Sie wird die Interessengegensätze nicht aus der Welt räumen, aber die Kampfhandlungen beenden. Mediation beruht auf folgenden Prinzipien:

Zielfindung. Die Firma will ihre Straße, die Anwohner möchten ihren Wald unbeschädigt erhalten. Der Vater will das ausschließliche Erziehungsrecht, die Mutter ebenfalls. Am Anfang stehen Ziele, die einander ausschließen. Die Mediation beginnt daher mit der schwierigen Aufgabe, in den Gegensätzen übereinstimmende Interessen zu finden. Die Firma bringt nicht nur Unruhe, sondern auch neue Arbeitsplätze. Die Eltern haben beide das Wohl ihrer Kinder im Auge. Die erste Einigung, die der Mediator anstrebt, ist die Formulierung dieses gemeinsamen Ziels. Besteht darin Einigkeit, geht es nur noch um den besten Weg dahin.

Freiwilligkeit und Selbstbestimmung. Im Gegensatz zu einer Gerichtsverhandlung darf niemand an den Verhandlungstisch gezwungen werden. Es besteht die Gefahr, Mediation als Waffe einzusetzen. Etwa so: „Ich bin zur Mediation bereit und zeige damit meinen guten Willen. Wenn du dich nicht mit mir einigen willst, kann ich vor Gericht beweisen, dass du der Böse bist.“ Wer nur unter Druck verhandelt, wird später die Einigung sabotieren oder verlangen, dass neu verhandelt wird. Das bedeutet auch, dass jeder selbst für eine Interessen eintritt. Der Mediator wird niemandes Partei ergreifen. Er lenkt nur die Diskussion, gibt aber nicht vor, was dabei herauskommen soll.

Chancengleichheit. Verhandlungen können zu einem Ergebnis kommen, das wertlos ist. Das ist dann der Fall, wenn nicht alle Beteiligten einbezogen wurden. Wer an der Einigung nicht beteiligt wird, fühlt sich hinterher auch nicht an das Ergebnis gebunden. Im Streit um das Umgangsrecht für Kinder sollten zumindest ältere Kinder nach ihrer Meinung gefragt werden. Beim Streit um den Straßenbau haben vielleicht nicht nur die Firma und die Einwohner, sondern auch Umweltinitiativen oder Banken und staatliche Verwaltungen, die Zuschüsse gewähren, eigene Interessen. Keine dieser Gruppen darf als zweitrangig diskriminiert werden. Wer das Gefühl hat, von Stärkeren untergebuttert zu werden, wird die Einigung nicht als die seine betrachten, sondern sie hinterher anfechten.

Bedürfnisorientierung. Jede Partei geht mit einer festen Position in die Verhandlung. Darüber zu streiten, ist müßig. Der Mediator wird vielmehr nach den Bedürfnissen fragen, die hinter der Position stehen. Wenn etwa die Anwohner gegen die neue Straße sind, stehen dahinter Bedürfnisse nach Erholung und Ruhe. Vielleicht aber auch materielle Interessen, zum Beispiel Tourismus. Vielleicht ließe sich aber für die Straße auch eine Streckenführung finden, die Touristen leichter in die Gegend bringt? Und die zusätzlichen Kosten ließen sich zwischen Firma und Gemeinde teilen?

Zeitlimit. Eine geschickte Taktik der Anwohner, die eine Straße verhindern wollen, wäre es, die Gespräche in die Länge zu ziehen, bis die Firma – die ja mit Untätigkeit täglich Geld verliert, aufgibt. Es muss daher von vornherein eine zeitliche Begrenzung vereinbart werden. Nur mit der Deadline vor Augen werden sich alle Beteiligten um Fortschritte bemühen.

Moderieren. Der Mediator gibt keine Ideallösung vor. Er stellt Fragen. Er bittet die zweite Partei, ihre Empfindungen und Widerstände bei der Meinung der ersten Partei zu nennen. Er achtet darauf, dass alle Ideen und Bedenken ausgewogen zur Sprache kommen. Er hält alle Zwischenschritte schriftlich fest, um ein ewiges Wiederholen der gleichen Einwände zu verhindern. Er achtet zugleich darauf, dass kein Einwand unausgeräumt bleibt. Er gibt niemals einer Seite Recht oder Unrecht. Die einzig mögliche Lösung ist für ihn die, auf die sich die Streithähne aus eigenem Antrieb einigen.

Kontrolle. Der Wert einer Einigung ergibt sich erst in der Praxis. Der Moderator gibt sich mit Absichtserklärungen nicht zufrieden. Er hält schriftlich fest, wie die praktische Durchführung aussehen soll – mit Terminen und Verantwortlichkeiten. Was, wenn später Probleme auftreten? Wenn neue Konflikte auftauchen, die man nicht vorhergesehen hat? Die Parteien einigen sich unter seiner Leitung, wie in solchen Fällen verfahren wird und wer dann als neutrale Schiedsinstanz tätig wird. Das kann der Mediator selbst sein, oft wird man aber eine Institution beauftragen, die für solche Fälle zuständig ist – eine Schiedskommission, ein Sozialarbeiter oder das Jugendamt.

Details über den Ablauf von Verhandlungen und Verhandlungstechniken, die Mediatoren nutzen, erfahren Sie in folgendem Buch des Autors dieses Beitrags:

Frank Naumann: Die Kunst der Diplomatie. rororo, EUR 8,90.

Oktober 2004 © by www.berlinx.de

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