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Alt und jung gibt neuen Schwung?

Zwei Menschen verlieben sich ineinander, von denen der eine ein Elternteil des andern sein könnte. Krankhaft, Perversion, Skandal oder einfach Zufall? Für einen verständnisvollen Blick auf die ungleichen Partner plädiert EGONet.

Goethe machte mit 74 Jahren der erst neunzehnjährigen Ulrike von Levetzow einen Heiratsantrag. Er wurde abgewiesen. Julius Caesar war bereits 45, als er sich in die zwanzigjährige Cleopatra, Königin von Ägypten verliebte.

Das Thema ist keineswegs neu, ebensowenig wie die Klischees. Er sucht eine Lolita, mit der er seine Midlife-Crisis vergessen will, sie ist geldgierig und leidet unter einem Vaterkomplex. Gerade unter Prominenten scheint diese Form der Partnerschaft häufig zu sein, wenn man den Presseberichten glaubt. Tony Curtis, Woody Allen, Konstantin Wecker, Luciano Pavarotti und Bestsellerautor Heinz Konsalik sind nur fünf bekannte Herren in höherem Alter, deren Freundinnen mindestens zwanzig Jahre jünger sind als sie selbst.

Warum finden die meisten von uns solche Partnerschaften immer noch als anrüchig? Wenn sich eine Frau und ein Mann extrem im Charakter, im Bildungsgrad oder in der Nationalität unterscheiden, und dennoch zusammenleben wollen, äußert die Umgebung bestenfalls Mitleid und stellt eine ungünstige Prognose für die Zukunft der Partnerschaft. Aber man nimmt den beiden ab, daß sie sich trotz (oder gerade wegen) ihrer Unterschiede ineinander verliebt haben.

Altersunterschiede finden nicht das gleiche Verständnis. Viel Komplexe und wenig echte Zuneigung stecke hinter solchen Bindungen, behauptete der STERN (Heft 30/1998). Impotenz werde zur beschützenden Liebe schöngeredet. Die reichen alten Playboys realisierten dank Bankkonto und Berühmtheit, wovon der arme Durchschnittsmann nur träumen kann: „Schenkel ohne Cellulitenarben und Brüsten und Brüste, die hochstehen wie bettelnde Hunde“, so ein Zitat des britischen Schriftstellers und Schauspielers Stephen Fry.

Die Wahrheit ist weniger aufregend: Wie in der Normalbevölkerung ist es auch bei Prominenten eine Minderheit, die sich mit einem erheblich jüngeren oder älteren Partner zusammentut. Wo es vorkommt, sind die Motive vielfältig. Nur selten handelt es sich um einen bloßer Kaufvertrag zwischen Reichtum auf der einen und Schönheit auf der anderen Seite. Partnerschaften mit hohem Altersunterschied sind nicht skandalträchtiger als andere. Berühmte Kräche, wie etwa zwischen Prinz Charles und Diana oder Bruce Willis und Demi Moore, haben meist andere Ursachen – Untreue und unterschiedliche Lebensideale.

Falsch ist auch, daß sich immer nur ältere Männer mit jungen Mädchen zusammentun. Bei 21,2 Prozent der Eheschließungen war sie älter als er. Auch dafür findet man genügend Beispiele unter Prominenten. Denken wir nur an die zahlreichen Ehen der Elisabeth Taylor. Die 52jährige Schauspielerin Susan Sarandon hat mit dem zwölf Jahre jüngeren Lebensgefährten Tim Robbins zwei Söhne.

Während es leicht fällt einzusehen, was Ältere bei Partnerschaften mit Jüngeren gewinnen, können sich viele bei den Jüngeren nur materielle Motive vorstellen. Befragungen bei solchen Paaren in der normalen Bevölkerung ergaben ein eher nüchternes Bild:

Die jüngere Frau sucht im älteren Partner Geborgenheit, Erfahrung, Ausgeglichenheit. Sie haben gleichaltrigen Männern oft ein höheren Einfühlungsvermögen voraus, sind toleranter und verfügen über mehr Gelassenheit. Den gemeinsamen Kindern sind sie oft geduldige und interessierte Väter. Das sind zum Teil Eigenscharften, wie man sie von einer Vaterfigur erwartet. Aber was ist eigentlich schlecht daran, wenn der Partner väterliche Eigenschaften besitzt?

Der ältere Mann sucht in der jüngeren Frau Spontaneität und Natürlichkeit, die ihn aus eingefahrener Routine herausreißt. Erfahrung und Impulsivität ergänzen sich oft in idealer Weise. Ein weiteres Motiv ist der Wunsch, nach einer Scheidung noch einmal eine Familie mit Kindern zu gründen. Das in Medienberichten häufig zuerst genannte Motiv an einem hübschen Mädchenkörper, um die Erotik neu zu entflammen, spielt vor allem zu Anfang der Partnerschaft eine Rolle. Nach einigen Monaten der Gewöhnung tritt es in der Regel hinter den anderen Motiven zurück.

Die ältere Frau entscheidet sich für einen jüngeren Mann zum einen wegen ihrer erotischen Spontaneität und Ausdauer. Bei jüngeren Männern haben sie außerdem die Möglichkeit, eher ihre Gleichberechtigung durchzusetzen. Aufgrund ihrer größeren Erfahrung genießen sie eine Machtposition.

Der jüngere Mann schätzt bei der älteren Frau ihre sexuelle Erfahrung und Interessen. Bekanntlich läßt bei Männern das sexuelle Interesse häufig schon ab Mitte zwanzig nach, während es bei Frauen mit dreißig und vierzig noch wächst. Solche Partnerschaften haben vor allem im Pensionsalter wegen der höheren Lebenserwartung der Frauen bessere Chancen als die umgekehrte Konstellation.

Ist der Mann allerdings sehr viel jünger, wird die Partnerschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht lange halten, weil Familiengründung in dieser Konstellation kein Thema sein kann. Aber da lang haltende Beziehungen ohnehin immer seltener werden und die Zahl derer, die keine Kinder will, zunimmt, wird auch dieser Einwand möglicherweise an Bedeutung verlieren.

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