Wie sich ab März unsere Gefühle erneuern
Nicht nur die Natur erwacht aus dem Winterschlaf. Auch wir Menschen erneuern uns im Wechsel der Jahreszeiten. Wir verraten Ihnen, wie das Frühjahr unser Seelenleben aufmuntert.
Vormittags haben wir ein Leistungshoch, mittags werden wir müde. Unseren Tagesrhythmus erforscht die Chronobiologie (siehe unseren zweiteiligen Artikel „Die biologische Uhr“). Viel weniger wissen wir über den Jahreszyklus. Intuitiv spürt jeder: Im Winter sind wir anders drauf als im Sommer. Obwohl uns Heizung und künstliches Licht von direkten Wettereinflüssen abschirmen, können wir uns dem Rhythmus der Jahreszeiten nicht entziehen.
Am deutlichsten spüren wir die Veränderungen am Ende des Winters. Was ändert sich in unserem Innern, wenn die Tage wieder länger werden? Reagieren wir auf die steigenden Temperaturen und auf die Sonne oder ist alles nur ein Spiel der Hormone? Hier sind die Antworten:
Winter ade. In der kalten Jahreszeit hatten wir viele Aktivitäten eingeschränkt. Man bewegte sich weniger, hielt sich meist drinnen auf, mied Kälte und Dunkelheit. Dadurch empfingen wir kaum neue Eindrücke. Es entstand ein Bedürfnisstau. Sobald die Kälte nachlässt, wollen wir deshalb hinaus, etwas Neues erleben. Der Karneval ist in vielen Gegenden die perfekte Gelegenheit, der winterlichen Langeweile endlich ein Ende zu setzen.
Frühjahrsmüdigkeit. Paradoxerweise fühlen sich viele von uns zu Frühlingsbeginn besonders müde. So wie es am Winterende, im Februar, am kältesten ist, erreicht die seelische Trägheit am Ende des Winters ihren Höhepunkt. Da aber die Tage schon länger und die Temperaturen milder werden, fällt uns unsere Lustlosigkeit und Trägheit besonders auf. Diese Müdigkeit dauert ungefähr zwei Wochen, dann erwacht auch unsere Willenskraft zu neuem Leben.
Jugend. Im Frühjahr knospen die Bäume. Erst tragen die Weiden, später zahlreiche andere Pflanzen erste Blüten. Die Natur erneuert sich. Das Frühling sendet Signale der Jugend aus, der Sommer Reife, ab Herbst Alter und Sterben. Diese Abfolge prägt unsere Stimmung. Wir fühlen uns jünger, wagemutiger, optimistischer, sehnen uns danach, Neues zu erleben. Das Wort „fröhlich“ ist im Deutschen verwandt mit dem Wort „Frühling“.
Licht. Die Dunkelheit im Winter erzeugte im Körper das Schlafhormon Melatonin. Es machte uns schläfrig und träge. Jetzt sinkt der Melatoninspiegel. Wir fühlen uns munterer, der Tatendrang erwacht. Bereits ab Ende März sind die Tage länger als die Nächte, wie im September. Aber die Temperaturen sind viel niedriger. Man kann also viel unternehmen, ohne von Sommerhitze außer Gefecht gesetzt zu werden.
Frühlingsgefühle. Fast alle Lebewesen unterliegen in ihrem Geschlechtsleben einem strengen Jahresrhythmus. Sie können sich nur einmal im Jahr paaren und Nachwuchs in die Welt setzen. Der Mensch ist dagegen das ganze Jahr paarungsbereit. Trotzdem wirkt der Jahreszyklus auch in uns fort. Im Frühling finden die meisten erfolgreichen Flirts von Angesicht zu Angesicht statt – im realen Leben, außerhalb von Onlinebörsen. Statistiken zeigen, dass die ersten sexuellen Kontakte von Teenagern in der Folge im Frühsommer stattfinden.
Selbstmorde. Das Frühjahr ist auch die Zeit der meisten Selbstmorde – nicht der graue November. Wie kann das sein? Wer sich in einer ausweglosen Lage fühlt, merkt dies am stärksten, wenn die übrige Welt sich in heiterer Aufbruchsstimmung befindet. (Im November dagegen ist es nichts Besonderes, sich deprimiert zu fühlen.) Der Kontrast zum Frohsinn der anderen ist unerträglich. Dazu kommt, dass auch Selbstmörder sich wagemutiger fühlen als in den Monaten zuvor. Der Schritt von Gedanken an Selbstmord bis zur Tat fällt nun leichter. Die Entschlusskraft ist jetzt da.
Im Sommer bremst dann die zunehmende Hitze unsere Unternehmungslust. Im Herbst sinkt die Stimmung wieder. Wir schlafen länger, essen mehr und ziehen uns in unseren häuslichen Kreis zurück. Die winterliche Ruhezeit lässt uns Kraft sammeln, damit wir im nächsten Frühjahr wieder zu neuen Abenteuern aufbrechen können.
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veröffentlicht im März 2012 © by www.berlinx.de
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