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Schluss mit dem Hamster-Syndrom

Jeder zweite hortet Dinge, „die man irgend­wann mal brauchen könnte“. Bis dahin ver­stopfen sie Regale und Zimmer­ecken. Was tun gegen die Sammelwut?

Weihnachten bringt zahlreiche Geschenke. Einige Tage erfreuen sie das Auge. Solange sie auf dem Gabentisch oder unterm Weihnachtsbaum liegen. Doch spätestens im Januar gilt es, sie in einem Schrank unterzubringen. Wenn die Fächer aber schon überquellen von Geschenken vergangener Jahre?

Halt! Der Jahreswechsel ist die Zeit der guten Vorsätze. Da könnte ich doch eine Entrümpelaktion einplanen. Radikal Platz schaffen! Weg mit allem Unnützen! Doch was ist unnütz? Die Zeitschriften der letzten Jahre sind noch ungelesen. Die wollte ich alle mal in Ruhe durchgehen. Die Pullover da habe ich jahrelang nicht mehr getragen – aber wenn mal wieder ein richtig kalter Winter kommt? Sicher könnte man sich von einigen der siebzehn Handtaschen trennen. Aber beim nächsten Date fehlt dann genau die, die zum neuen Outfit passt.

Der Trieb, Dinge zu horten, ist uralt. Vor vielen tausend Jahren ging es um Nahrungs­reserven. In der Steinzeit, als von Vorräten das Überleben abhing. Forscher der Universität Iowa fanden 2005 heraus, dass ein kleiner Bereich im vorderen Stirnhirn den Sammeltrieb steuert. Wird er geschädigt, zum Beispiel durch einen Schlaganfall, gerät das Gleichgewicht zwischen Erwerben und Wegwerfen außer Kontrolle.

Doch warum werden auch Gesunde sammelsüchtig? Die Freude am neuen Besitz ist schuld. Wie kann man freiwillig auf etwas verzichten, dass sich bei der Anschaffung mal als Glücksquelle erwiesen hat? Wenn man gar dafür bezahlt hat, wäre es, als würde man bares Geld in den Müll werfen.

Der erste Schritt zur Befreiung besteht im Wechsel der Denk­perspektive. Was Ihnen früher Freude machte, ist heute eine Last. Es nimmt Platz weg – Platz, der Ihnen für Dinge fehlt, die Ihnen heute eine Freude bereiten könnten. Ähnlich steht es mit dem Geld. Nehmen wir an, Sie können sich nicht von einem Jahrgang alter Zeitschriften trennen. Die nehmen Platz in Ihrer Wohnung weg – Platz, für den Sie Miete zahlen, Monat für Monat. Nach einigen Jahren hat der Platz für die Zeitschriften Sie mehr Miete gekostet als ihr Kaufpreis. Sofort wegwerfen spart bares Geld.

Besitztümer sind auch eine Quelle von Erinnerungen. In manchen Objekten steckt ein Stück des eigenen Lebens. Für einige sind sie auch ein Ersatz für fehlende Kontakte zu anderen Menschen. Die Besitztümer sind dann ein Trost in der Einsamkeit und liefern ein Gefühl von Geborgenheit. Sie bilden eine Schutzmauer aus Krempel. Wenn Ihnen andere Menschen nicht mehr bestätigen, wie wertvoll Sie sind, liefern Ihnen Ihre Besitztümer die Botschaft: „Das ist meins und das bleibt mir, wenn alles andere verloren geht“.

Zwei weitere häufige Argumente:

  • „Geschenke gibt man nicht weg.“ Es könnte ja der Geber vorbeikommen und nachschauen. Hand aufs Herz, wie oft ist das schon vorgekommen? Nach einem Jahr – wenn aus dem letzten Geburtstag oder Weihnachten das vorletzte wurde – ist die Aufhebepflicht vorbei.
  • „Meine Besitztümer sind unersetzbar.“ Die Einbildung, die eigenen Besitztümer seien einmalig, ist weitverbreitet. Selbst wenn es wahr wäre: Wo steht, dass alles Einmalige aufbewahrt werden muss? Und ausgerechnet von Ihnen?

Befreien Sie sich! Stellen Sie Ihr Wohlergehen – und nicht das Ihrer Besitztümer – in den Mittelpunkt Ihres Interesses. Verschieben Sie den Vorsatz „Dafür muss ich mir mal Zeit nehmen“ nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag. Wenn es klar ist, dass Sie mit dem Entrümpeln nicht an einem Vormittag zu Ende kommen, fangen Sie erst einmal an. Erledigen Sie die Aufgabe Schritt für Schritt. Immer wenn Sie mal eine halbe Stunde Zeit haben, machen Sie ein Stück weiter.

Erwarten Sie auch nicht, ein absolut perfektes Ergebnis zu erreichen. 50 Prozent Entsorgung wäre schon ein großer Erfolg. Fangen Sie in einem Zimmer an und bilden Sie drei Stapel: Behalten, Wegwerfen und Weiß noch nicht. (Der letzte sollte am kleinsten sein.) Damit der Stapel „Wegwerfen“ überhaupt eine nennenswerte Größe erreicht, trennen Sie sich konsequent von folgenden Dingen:

  • Was können Sie verschenken, weil es anderen mehr Freude machen würde als Ihnen?
  • Was benutzen Sie nicht, weil es repariert oder geflickt werden müsste?
  • Was verursacht Ihnen ein schlechtes Gewissen, weil Sie es nicht benutzen?
  • Was empfinden Sie als wertvoll, ist Ihnen aber ständig im Wege?
  • Welcher Vorratsstapel wächst ständig? (Schuhe, Zeitschriftenjahrgänge usw.)
  • Was heben Sie nur auf, weil Sie sich dazu verpflichtet fühlen?
  • Was hat für Sie Erinnerungswert, haben Sie aber seit Jahren nicht mehr angeschaut?
  • Welche Besitztümer haben Sie über ein Jahr lang nicht benutzt und werden Sie voraussichtlich auch im nächsten Jahr höchstens im Ausnahmefall nutzen?

Natürlich gibt es sinnvolle Ausnahmen. Erinnerungsstücke, Kleidung für extreme Wetterlagen oder Fachbücher können wichtig sein, auch wenn man sie selten nutzt. Hier gilt jedoch das Prinzip: Weniger ist mehr. Beschränken Sie sich auf wenige, exklusive Objekte.

In vielen von uns schlummert auch noch die Angst vor Notzeiten. Nach 1945 (in der DDR bis 1990) war vieles knapp und wertvoll. Die Angst vor dem Nichts haben die Eltern oft an die Kinder weitergegeben. Wer will schon die guten Werte der Eltern wegwerfen? Doch heute in der Überfluss­gesellschaft erweist sich das Horten als Bürde. Und wenn Sie wirklich etwas weggeworfen haben, was Sie plötzlich gebrauchen können? Keine Panik! Schauen Sie nach bei eBay & Co.! Wiederbeschaffen eines Objekts ist billiger als die Miete für 100 Objekte, von denen Sie 99 tatsächlich nie wieder brauchen.

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veröffentlicht im Dezember 2009 © by www.berlinx.de

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