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Bewundern Sie manchmal Leute, denen nie die Kraft auszugehen scheint? Die unermüdlich gute Laune um sich verbreiten? Woher haben sie die Kraft? Verfügen Sie über eine zusätzliche Energiequelle in ihrem Innern? Egonet lüftet ihr Geheimnis.

Ilona ist immer auf dem Sprung. Ob es darum geht, eine Kollegin zu trösten, die vom Chef kritisiert wurde, einen anstrengenden Kunden zu umschmeicheln oder kurz vor Feierabend noch einen zusätzlichen Bericht auf den Weg zu bringen – Ilona sofort konzentriert bei der Sache. Nie ein müdes Jammern, nie ein gelangweiltes Gähnen. Alle wissen, dass Ilona sich am Abend noch um zwei Kinder und ihre kranke Mutter kümmert. Karin bewundert sie grenzenlos. Wie schafft Ilona das bloß? Karin ist ständig müde. Ab Mittag hat sie größte Mühe, den umständlichen Erklärungen ihres Chefs zu folgen und keine Fehler wegen ihrer Unkonzentriertheit zu begehen.

Wir neigen dazu, energische Menschen wie Ilona als ein Naturwunder zu betrachten. Wir sagen: Sie hat eben ein starkes Temperament. Liegt also das Geheimnis irgendwo in den Genen? Ist es ein angeborenes Schicksal, wenn wir müde und schlaff durch das Leben schleichen?

In der Tat findet man schon bei Säuglingen Unterschiede in der Art, wie sie auf Umweltreize reagieren. Manche wirken kraftvoller und aufmerksamer als andere Kinder. Mit dem Ergebnis, das die Eltern auf die wachen Kinder stärker reagieren, wodurch sich die Temperamentsunterschiede weiter verstärken. Die Ursache ist jedoch keine geheimnisvolle innere Energiequelle. Denn unsere Kräfte, die Nervenimpulse und Muskeln antreiben, stammen bei allen Menschen aus derselben Quelle: dem Stoffwechsel und der Motorik. Ihre Funktionsweise ist bei allen Menschen ähnlich effektiv, Unterschiede sind minimal. Wenn manche Menschen wacher und energischer wirken als andere, liegt es an der Art und Weise, wie sie auf Umweltreize reagieren. Sie ist ein Ergebnis langjähriger Gewohnheit – ein Verhaltensmerkmal, das sich trainieren lässt. Wir nennen Ihnen die entscheidenden Parameter, die zwischen Wachheit und Schlaffheit trennen:

Außen- oder innengeleitet? Alle Menschen wenden ungefähr die gleiche Energie auf, um mit ihren Sinnen Umweltreize aufzunehmen. Energiebündel richten fast ihre ganze Aufmerksamkeit nach außen. Sie beobachten vor allem das Verhalten ihrer Mitmenschen und reagieren wach und schnell auf deren Signale. Die Übrigen wenden einen großen Teil ihrer Aufmerksamkeit auf sich selbst: Sie kontrollieren sich ständig, um ja nicht durch unangenehme Fehler aufzufallen, um sich keine Blöße zu geben. Oder sie grübeln: Habe ich heute morgen zu Haus den Herd ausgeschaltet? Wird Gerd die Blumen für meine Mutter besorgen? Ob morgen alles glatt geht mit dem Besuch bei seiner Mutter? Habe ich alles besorgt? Sorgen über frühere Fehler oder künftige Probleme fressen ein Großteil jener Aufmerksamkeit auf, die Energiebündel zu hundert Prozent in den Augenblick investieren. Sie wirken immer voll anwesend. Übung: Grübeleien unterbrechen. Bewusst wahrnehmen: Was sehe, höre und fühle ich gerade?

Wechsel von Anspannung und Entspannung. Die meisten Menschen stehen unter Daueranspannung. Selbst in den Pausen können sie nicht abschalten. Unter solchen Bedingungen pendelt sich die Aufmerksamkeit auf ein niedriges Niveau ein, einen Level, den sie über Stunden durchhalten kann. Energiebündel beherrschen die Kunst, Minipausen einzulegen, in denen sie ihre Aufmerksamkeit herunterfahren. Wer alle zwanzig Minuten ein bis zwei Minuten abschalten kann, hat keine Schwierigkeiten, in den übrigen achtzehn Minuten geistig voll da zu sein. Auch bei konzentrierter Arbeit im Team fallen immer mal einige Minuten an, in denen der Einzelne unbeobachtet ist. In diesen Zwischenzeiten schalten Energiebündel ab, um kurz darauf wieder erfrischt den Vorgängen in der Gruppe zu folgen. Übung: Alle zwanzig Minuten eine Minute innere Pause einlegen. Dabei Blick aus dem Fenster in die Ferne richten. Muskeln in Schultern und Nacken fünf Sekunden anspannen und dann lösen. Das Gefühle der Entspannung genießen. Zweimal wiederholen.

Mitmenschen in den Mittelpunkt stellen. Es ist paradox: Energiebündel wirken deshalb so aufmerksam, weil sie einen Zustand der Selbstvergessenheit erreichen. Wenn sie ihren Mitmenschen lauschen, tun sie nichts weiter als Zuhören. Wer dagegen unaufmerksam wirkt, hört nur selektiv zu. In Wahrheit sucht er in den Worten seines Gegenüber nur nach geeigneten Stichworten, um sich mit einer geschliffenen Erwiderung selbst glänzend in Szene zu setzen. Dadurch wandert ein Großteil der Aufmerksamkeit nach innen. Der Sprecher erkennt an der Mimik seines Zuhörers, dass dessen Gedanken woanders weilen. Und wirkt daher zerstreut und unaufmerksam. Übung: Hören Sie nur zu. Als einzigen Kommentar geben Sie ab und zu ein Nicken oder ein gemurmeltes „Interessant“ von sich. Beobachten Sie die Mimik statt über eigene Erwiderungen nachzudenken. Antworten Sie erst, wenn Ihr Partner Sie fragt. Sie werden sehen, wie erfreut er über Ihre konzentrierte Aufmerksamkeit sein wird.

Motivation. Auch energische Menschen müssen viele Dinge tun, die notwendig, aber nicht besonders angenehm sind: Haushalt, Routinearbeiten, Pflichtbesuche, Behördengänge und so weiter. Aber sie haben sich eine grundlegende, lebensfrohe Einstellung zugelegt, die man so formulieren könnte: „Ich kann mir zwar nicht aussuchen, was ich tun möchte, aber ich kann mich entscheiden, wie ich diese Dinge tun möchte.“ Sie nehmen die lästigen Pflichten in Angriff, bevor sie dringend werden. Sie verschwenden keine Energie, wegen der noch zu erledigenden Dinge zu jammern und zu stöhnen. Sie suchen und finden Wege, aus diesen unangenehmen Dingen noch Vorteile zu ziehen. Zum Beispiel, nützliche Kontakte zu knüpfen oder bei einem netten kleinen Plausch hinter der Maske des Bürokraten einen Menschen zu entdecken.

Energieräuber ausschalten. Energiebündel setzen ihre Energie effektiv ein. Sie verzetteln sich nicht. Sie machen nur ein oder höchstens zwei Dinge gleichzeitig, aber dies mit hundert Prozent Konzentration. Schlaffe Menschen erschöpfen ihre Energie, indem sie mehr Angelegenheiten gleichzeitig versuchen zu managen als sie mit einem Mal überblicken können. Es ist eine sehr einfache Rechnung. Wenn ich für das, was ich gerade tue, nur achtzig Prozent Aufmerksamkeit benötige, strahle ich einen Energieüberschuss aus. Verschwende ich die Restressourcen, indem ich nebenbei Zeitung lese, Musik höre und über das Meeting heute Nachmittag nachdenke, wirke ich überlastet und ermüdet.

Wellness. Langfristig lohnt es, die eigene Energieeffizienz zu steigern, zum Beispiel durch

  • Ausdauertraining. Erhöht die nervliche Ausdauer im Alltag. Sie halten länger durch, ehe Ihre Batterien schlapp machen. Zugleich steigt ihre Konzentrationsfähigkeit.
  • Krafttraining. Liefert mehr Kraft für kurzfristige, schlauchende Aufgaben.
  • Entspannungstechniken. Wer autogenes Training, Meditation, Yoga oder progressive Muskelentspannung beherrscht, kann seine Batterien im Alltag immer wieder schnell auffüllen
  • Wohlfühlbäder oder zehn Minuten Minischlaf. Wellness zwischendurch hebt die Stimmung und vermittelt das gute Gefühl, seinen Alltag im Griff zu haben.

März 2004 © by www.berlinx.de

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