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In minimaler Zeit zum maximalen Wissen

In mehreren Beiträgen über Rhetorik erklärten wir Ihnen, wie Sie einen Vortrag publikumswirksam strukturieren und über die Bühne bringen. Doch wie beschaffen Sie sich die Informationen, die Ihre Zuhörer als neu und interessant empfinden? Egonet über die Kunst des Recherchierens.

Sie bekommen die Aufgabe einen Vortrag über den Totenkult der alten Ägypter zu halten. Sie haben bislang nicht die blasseste Ahnung von dem Thema. Wie würden Sie vorgehen, um in kürzester Zeit vom Ignoranten zum Experten zu mausern?

Anfänger wählen oft folgende zwei Wege:

  1. Sie gehen in eine große Bibliothek und leihen alle Bücher aus, in denen etwas zum Thema stehen könnte. Mit einem hohen Stapel auf den Armen marschieren Sie in den Lesesaal oder nach Haus. Sie nehmen sich das oberste Buch vor und fangen an zu lesen. Dabei merken Sie schnell, was Sie alles über das alte Ägypten nicht wissen. Sie lesen sich fest. Wenn der Vortragstermin näher rückt, haben sie in vielen Stunden zahllose Einzelheiten über Pharaonen, ägyptische Götter und Pyramidenbau notiert. Was aber den Totenkult betrifft, ist die Zahl der Fragen eher größer als kleiner geworden.
  2. Sie arbeiten modern und nutzen das Internet. Sie geben die Stichwörter „Totenkult“ und „Ägypten“ in eine Suchmaschine ein. Einige tausend Links tauchen auf. Sie fangen an, einen nach dem anderen anzuklicken. Nach der zwanzigsten Seite, in der Sie Touristikunternehmen zur Besichtigung der Pyramiden einladen, geraten Sie allmählich in Verzweiflung.

Beide Verfahren zeugen von mangelnder Erfahrung und zuwenig Nachdenken im Vorfeld. Wer so vorgeht, hofft insgeheim, dass irgendjemand ihm den fertigen Vortrag mundgerecht aufgeschrieben auf dem Silbertablett serviert. Falls sich diese Hoffnung erfüllen sollte – feiern Sie! Denn das kommt so selten vor wie ein Lottogewinn. (Ausnahme: ein Standard­schulvortrag, den Tausende Schüler überall im Land halten müssen und der als fertiges Muster im Internet steht.)

Wenn Sie einen eigenständigen Vortrag halten wollen, betreten Sie Neuland. Auch im Recherchieren. Das bedeutet: Die Informationen, die Sie brauchen, sind zwar alle vorhanden. Aber verstreut und nicht in der Form aufbereitet, die Sie benötigen. Verabschieden Sie sich von dem passiven Verfahren, nach fertig aufbereiteten Darlegungen zu Ihrem Thema zu suchen. Stellen Sie Ihre Infos aktiv zusammen. Sie werden sehen: Das macht weniger Arbeit als die Passivsuche.

Wie gehen Sie vor? Sie sparen viele Stunden Zeit, wenn Sie das Egonet-Verfahren nutzen. Der folgende erste Schritt unterscheidet den ineffektiven Laien vom Profi-Rechercheur:

Schreiben Sie zunächst eine Grobgliederung Ihres Vortrages auf. Auf den ersten Blick wirkt dieser Vorschlag wie „das Pferd vom Schwanz her auszäumen“. Wie kann ich etwas gliedern, wenn ich noch gar nicht weiß, welche Punkte ich abhandeln muss? Aus diesem Grund fangen die meisten an wahllos zu lesen, was ihnen zwischen die Finger kommt. Sie hoffen, dass es irgendwann „klick“ macht und die Struktur sich von allein ergibt. Das ist ineffektiv, denn Sie werden hinterher feststellen, dass Sie das meiste, wofür sie viele Stunden geopfert haben, gar nicht brauchen. Und der Durchblick ist eher geringer geworden. Sie laufen Gefahr, in dem Wust ungeordneter Infokrümel zu ertrinken. Auch wenn Sie bisher nichts über das Thema wissen, können Sie es gliedern! Aus dem Thema selbst ergeben sich zumindest einige grundsätzliche Fragen. Und die lassen sich ordnen.
Bei unserem Beispielthema „Totenkult im alten Ägypten“ stehen folgende Punkte von vornherein fest:

  1. Sie werden zunächst einiges Grundsätzliches über Ägypten sagen (alte Zivilisation, Pharaonen, Ernten und Lebensrhythmus abhängig vom Nilstand).
  2. Dann kommen Sie auf den Totenkult. Da stehen drei Punkte fest:
    1. Sie sagen etwas über alte Totenkulte allgemein, etwa in der Steinzeit.
    2. Sie sprechen über die altägyptischen Götter, insbesondere über den Totengott – falls es einen gibt.
    3. Und Sie sprechen über Begräbnisriten: wie lief das ab, wie wurden Reiche, wie Arme begraben? Da werden Sie über die Pyramiden reden, über Grabbeigaben, über andere Begräbnisformen und über archäologische Entdeckungen. Was ist heute bekannt, worüber wird noch gerätselt?
  3. Am Ende sagen Sie noch etwas über den Untergang des alten Ägyptens und seiner Kulte (Eroberung durch die Römer, Islamisierung).

Diese grobe Gliederung gibt Ihnen einen Leitfaden an die Hand, der Ihnen viel unnötigen Aufwand ersparen wird. Denn sie verrät Ihnen nicht nur, was Sie herausfinden müssen. Viel wichtiger: Sie wissen bereits, was Sie nicht benötigen. Sie brauchen nicht mehr dicke Wälzer über Pharaonendynastien und den Wechsel von altem, mittlerem und neuem Reich zu lesen. Sie brauchen überhaupt keine kompletten Bücher zu lesen. Sie suchen gezielt nur die Informationen heraus, die Sie brauchen, um die Fragen Ihrer Gliederungspunkte zu beantworten. Wie Sie das mit wenig Aufwand schaffen und trotzdem für jeden Zuhörer wie ein erstklassiger Experte wirken, verrät Ihnen Egonet im zweiten Teil.

Veröffentlicht im April 2007 © by www.berlinx.de

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