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Im ersten Teil erfuhren Sie, wie Sie – wenn Sie seelischen Hilfe benötigen – an den Therapeuten Ihrer Wahl gelangen. Als Entscheidungshilfe stellen wir in dieser und in der nächsten Ausgabe die erfolgreichsten Verfahren vor. Wir beginnen heute mit den klientenzentrierten und Entspannungs-Verfahren.

Klientenzentriert nennt man Therapien, die nicht die Anwendung einer bestimmten psychologischen Methode, sondern das Eingehen auf die Einzigartigkeit des Klienten in den Vordergrund stellen. Dazu gehören:

Psychoanalyse: Älteste und erprobteste Form der Psycho­therapie. Sie wird von vielen immer noch als die einzig mög­liche Form psychologischer Hilfe betrachtet. Seit Freuds Zeiten hat sie sich in viele Schulen zersplittert. Allen gemeinsam ist die Suche nach den Ursachen der seelischen Störung in der frühen Lebensgeschichte des Patienten durch lange Gespräche. Eine wichtige Rolle spielen das freie Assoziieren – der Patient be­richtet über alles, was ihm gerade durch den Kopf geht – und die Traumdeutung.

Themen oder Worte, die der Patient zu umgehen versucht, sind für den Therapeuten ein wichtiger Hinweis auf verdrängte Konflikte, die er ans Licht holen will. Wenn dem Patient die Quelle seiner Widerstände bewußt wird, kann er geheilt werden. Die Psychoanalyse ist von Freud zur Behandlung von Hysterien und anderen Neurosen entwickelt worden und gilt vielen immer noch als das non plus ultra.

Die überwiegende Mehrzahl deutschsprachiger Therapeuten sind Psychoanalytiker. Es ist wenig bekannt, daß in den letzten Jahrzehnten andere, zum Teil viel effektivere Verfahren entwickelt wurden, insbesondere auf dem Sektor der Verhaltens- und kognitiven Therapien – darüber mehr in der nächsten Ausgabe. Eine Psy­choanalyse ist langwierig und teuer. Wenn sie scheitert (und das ist bei etwa jedem dritten Patienten der Fall), ist viel Zeit und Geld vertan und der Patient hat jahrelang vergeblich auf eine Heilung gehofft. Die Erfolgs­chancen sinken außerdem mit steigendem Alter der Patienten. Psychoanalytische Kurzthe­rapien, die vor allem von Ärzten mit einer Zusatz­ausbildung angewandt werden, haben nur geringe Therapie­effekte. Es gehört nun mal zu einer guten Psychoanalyse dazu, daß sie mehrere Jahre dauert. Eine Langzeitpsychoanalyse nimmt mehr als 100 Stunden in Anspruch, eine Kurzzeittherapie um die 20 Stunden.

Gesprächspsychotherapie: Von Carl Rogers, einem Schüler des Freudschülers Otto Rank, in den USA entwickelt. Sie beruht auf einer optimalen Therapeut-Klient-Beziehung, die durch emotionales Spiegeln und die anderen Gesprächsmethoden erreicht wird. Laientherapeuten haben Ihre größte Erfolge mit dieser Methode. Diese „nicht­direk­tive“ Gesprächsführung ist auch in die Alltagspraxis übertragen worden. In der Therapie sind die Erfolge am größten bei Pa­tienten, die aus sich herausgehen und ohne größere Hemmungen über ihre Problem reden. Verschwiegene, mehr in sich gekehrte Patienten haben mit verhaltens­therapeutischen Verfahren (siehe nächste Ausgabe) bessere Aussichten. Ideal ist eine Kombination beider. Ihre größten Erfolge hat die Gesprächs­psychotherapie bei neurotischen Störungen. Dort ist sie der Psychoanalyse gleichwertig, erzielt ihre Ergebnisse aber in kürzerer Zeit. Eine Gesprächs­psychotherapie dauert selten länger als zwanzig Stunden.

Gestalttherapie: Von Frederick S. Perls entwickeltes, der Gesprächstherapie verwandtes Verfahren. Die Patienten lernen ihre Gefühle spontan auszudrücken und ihre gegenwärtigen Be­dürfnisse auszuleben. Sofern Verhaltensweisen aus der Vergan­genheit die Spontaneität beeinträchtigen, werden die hemmenden Muster mittels Rollenspielen, Körperausdruck und ähnlichen Übungen bewußt gemacht. Bisher ist nicht ausreichend bekannt, inwieweit Erfolge wirklich spezifisch auf diese Therapieform zurückzuführen sind.

II. Entspannungsverfahren erzielen ihre Heilung, indem Sie die Betroffenen gegen Störungsauslöser wappnen, Ihre Stressresistenz erhöhen und Ihre Selbstbehauptungskräfte stärken:

Hypnose: Der Patient wird durch Techniken der Bewußtseins­einengung in Trance, eine Art Halbschlaf, versetzt. In diesem Zustand ist sein Unterbewußtsein direkter Beeinflussung zugäng­lich. Das macht sich der Therapeut zunutze, um dem Patienten nützliche Suggestionen zu geben. Die Hypnose eignet sich insbesondere bei Schlafstörungen, Schmerzen, der Raucherentwöhnungund psychosomatischen Krankheiten. Eine Variante dieses Verfahrens ist die Selbsthypnose. Der Patient lernt, sich selbst in einen schlafähnlichen Zustand zu versetzen, um sich, zum Beispiel bei Schmerzanfällen, selbst helfen zu können. Die Wirksamkeit der Hypnose ist am größten, wenn sie mit anderen Verfahren kombiniert wird.

Autogenes Training: Der Selbsthypnose verwandt ist das Autogene Training, das 1932 von dem deutschen Arzt I. H. Schultz entwickelt wurde. In der Unterstufe lernt der Patient in sechs Übungsschritten sich Schwere und Wärme in den Gliedmaßen, ein ruhig schlagendes Herz, entspannt fließenden Atem, einen entspannten Unterleib und eine kühle Stirn zu suggerieren. Später kommen Sätze hinzu, die speziell auf das seelische Problem des Patienten zuge­schnitten sind. Die Oberstufe des autogenen Trainings, das mit der Meditation verwandt ist, wird seltener und dann eher zur individuellen Selbstfindung als zu therapeutischen Zwecken eingesetzt. Aus bisher nicht geklärten Gründen ist der Erfolg des Autogenen Training sehr unterschiedlich. Es gibt viele Patienten, die mit seiner Hilfe von langwierigen und schweren psychosomatischen und Schlafstörungen befreit werden konnten, bei anderen mit ähnlicher Diagnose blieb es wirkungslos.

Verwandt ist die Progressive Muskelentspannung, 1938 von Jacobson entwickelt, bei der die Patienten lernen, ihre Muskeln willkürlich anzuspannen und zu entspannen. Man beginnt zunächst mit einzelnen Muskelpartien der Arme, des Kopfes, des Rumpfes und schließlich der Beine. Nach längerer Übungszeit gelingt es, den Wechsel zwischen Entspannung und Anspannung mit einem Schlag durchzuführen. Am Anfang gibt der Therapeut die nötigen Suggestionen. Allmählich lernen die Übenden, von allein zwi­schen beiden Zuständen „umzuschalten“. Das Verfahren scheint im Durchschnitt wirksamer zu sein als das Autogene Training. Es wird gern in Kombination mit Verhaltenstherapien, besonders der Systematischen Desensibilisierung, eingesetzt.

Erwähnenswert ist, daß Meditation, die von vielen im Grenzbereich zur Esoterik angesiedelt wird, bessere Effekte zeigt als viele Verfahren mit wissenschaftlich klingenden Namen. Sie wirkt insbesondere bei Ängsten, Spannungszuständen und erhöhtem Blutdruck infolge Stress. Alle Entspannungs­verfahren wirken am besten in der Kombination mit anderen Therapiearten.

Körperorientierte Verfahren: Dazu zählen zum Beispiel Bioenergetik, Atem-, Musik- und Tanztherapie. Sie versuchen über die Schulung des körpersprachlichen Ausdrucks die Seele zu stabilisieren. Diese Verfahren sind besonders Patienten zu empfehlen, die sprachgestört oder aus anderen Gründen (zum Beispiel wegen schwerer Hemmungen) kaum in der Lage sind, ihre Probleme mit Worten zu beschreiben.

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