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Auf der einen Seite Sex, auf der anderen Seite „reine“ Liebe? Ist unser Liebes­leben zwei­geteilt? Und  wenn ja, was hat Platon damit zu tun?

Der Liebesgott der alten Griechen, Eros, schenkte uns die „Erotik“. Bekannter ist sein römischer Name Amor. Wir stellen ihn uns als kleinen Knaben vor, der mit Pfeilen die Liebes­sehnsucht entfacht. Aber Moment – hieß die Liebes­göttin nicht Aphrodite (römisch: Venus)? Eros war der Sohn der Aphrodite, der in ihrem Auftrag seine Liebes­pfeile verschoss.

Die griechische Liebe war in zwei Lebens­bereiche aufgeteilt. Männer heirateten Frauen, aber vergnügten sich mit Knaben. Heute wäre das als „Pädophilie“ (was auf griechisch „Knabenliebe“ bedeutet) strafbar. Im alten Athen war das nichts Anrüchiges. Körperliche Beziehungen zwischen Lehrer und Schüler galten als Teil der normalen Ausbildung.

Das galt auch für Platon, einer der Schüler des Sokrates und 42 Jahre jünger als sein Vorbild. Warum aber heißt ausgerechnet eine Liebe, die auf alles Körperliche verzichtet, „platonisch“?

Platon wusste nichts von „platonischer Liebe“. Der Begriff tauchte erst mehr als anderthalb­tausend Jahre später auf, im Italien des 13. Jahrhunderts. Bis dahin hatte die christliche Scholastik Aristoteles als den wichtigsten antiken Denker betrachtet. Der Florentiner PhilosophMarsilio Ficino entdeckte Platon für das Abendland neu und übersetzte dessen Schriften. Ficinos besonderes Interesse galt Platons berühmtem Dialog Das Gastmahl, in dem mehrere Gäste, darunter Sokrates, über das Wesen der Liebe diskutierten. Sokrates pries eine Liebe, die durch Anschauen der Schönheit sich zu höheren geistigen Interesse erhebt.

Ficino vermischte die antike mit der christlichen Liebe. Seine platonische Liebe kennt kein Begehren. Sie ist weder sinnlich noch sexuell, sondern ästhetisch und ethisch. Sie verehrt die Schönheit und übt sich in Tugenden wie Mitgefühl, Nächsten­liebe und Barm­herzigkeit. Heute verstehen wir unter platonische Liebe eher eine Art enger Freundschaft. Auch dieser Aspekt kam bei Platon und Ficino vor.

Wir nennen platonisch aber auch Beziehungen, in denen notgedrungen auf Sex verzichtet wird. Enthaltsamkeit – freiwillig oder erzwungen – war in der Antike kein Tugend­ideal. Darin steckt die modernere Idee des christlichen Askese. Zu Platons Zeiten hätte sie als absurd gegolten. Im „Gastmahl“ erklärt Platon durch die Stimme Sokrates’, was für ihn die ideale Liebe ist. Sie beginne in der Jugend mit der Leidenschaft für schöne Knaben. Von dort steigt sie empor zu schönen Körpern, schreitet fort zu schönen Taten, zu schöner Erkenntnis und schließlich zur Idee des Schönen im Allgemeinen.

Das Wort Liebe bezeichnet nicht nur geschlecht­liche Leidenschaft. Wir kennen auch die Vaterlands­liebe, die Mutter­liebe, die Liebe zu Kindern und Enkeln. Viele Menschen lieben Hunde oder Katzen – und zwar (fast) alle im platonischen Sinne. In dieser Hinsicht existiert die platonische Liebe tatsächlich. Wir finden sie auch zwischen Mann und Frau – zum Beispiel, wenn lang­jährige Paare auch in Krankheit und Leid zueinander stehen.

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veröffentlicht im November 2014 © by www.berlinx.de

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