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Daß Frauen länger leben, ist keine Besonderheit des Menschen. Von Würmern bis zu Affen haben die Weibchen die höhere Lebenserwartung. Wichtiger als die absolute Zahl der Jahre ist die Lebensqualität im Alter. Wer hat da die Nase vorn?

Mit den Jahren werden Männer interessanter, Frauen nur älter – ein überholtes Vorurteil! In einer Befragung der Washingtoner Soziologin Linda Barret waren 91 Prozent der reifen Männer, aber auch 86 Prozent der älter werdenden Frauen mit ihrem Aussehen ziemlich bis völlig zufrieden. Wichtiger als ihr Äußeres waren ihnen jedoch, Zeit für die Familie zu haben, eine harmonische Beziehung und persönliches Wohlbefinden. Kate Fox vom Social Issues Research Center in Oxford fand heraus, „daß alle Aspekte im Leben einer Frau, wie Gesundheit, Arbeit, Sex, Karriere, Beziehungen, Reisen, Energie und Glücklichsein, sich nach dem Einsetzen der Menopause verbessern.“

Das Alter beschert den Frauen eine Aufholjagd. Die Pensionierung verringert die männliche Vormacht in der Familie. Da er nicht mehr seine Vormacht als alleiniger (oder zumindest Haupt-) Verdiener ausspielen kann, rückt nun die Person in den Vordergrund, die den Haushalt schmeißt – also seine bessere Hälfte. Hinzu kommt ein verborgener Trumpf, den amerikanische Soziologen entdeckten. Da beide wissen, daß er die geringere Lebenserwartung hat, zieht sie im Alter die Verwaltung der familiären Finanzen an sich – eine Vorbereitung auf die Zeit, wenn sie ihn pflegen muß.

Aber es zeichnen sich Änderungen ab. Beide Geschlechter nähern sich im Alter an – in mehrfacher Hinsicht:

Er beteiligt sich stärker am Haushalt, Frauen sind häufiger als früher berufstätig. Damit gewinnt er an Einfluss auf das Familienleben, auch nach der Pensionierung. Und immer mehr Frauen erleben, was bisher nur für Männer um die 65 üblich war: den Pensionierungsschock. Sie fällt aus der Rolle einer geschätzten Kollegin in die Position einer Nur-Hausfrau zurück.

Biologisch wurden die Geschlechter im Alter einander schon immer ähnlicher. Viele Unterschiede im Aussehen, Fühlen und Denken geht auf die Wirkung der Geschlechtshormone zurück. Wenn im Alter deren körpereigene Produktion nachläßt, verschwinden auch die Unterschiede. Die Annäherung der Geschlechterrollen verstärkt diese Tendenz zusätzlich.

Mit der allgemeinen Zunahme der Lebenserwartung war bis in die neunziger Jahre der Unterschied zwischen Männern und Frauen immer größer geworden. Doch inzwischen ist ein Stillstand eingetreten. 1990 lag die Lebenserwartung eines Mannes bei 72,6, einer Frau bei 79,0 Jahren. Zehn Jahre später waren es 74 beziehungsweise 80,3 Jahre. Der Unterschied hat sich um einen Monat verringert. Es ist jedoch zu bedenken, daß in diese Zahlen alle Todesfälle eingehen, auch die von Kindern und Jugendlichen. Berücksichtigt man, wie viel Jahre ein Mann und eine Frau, die in Rente gehen, noch zu erwarten haben, ist der Geschlechtsunterschied viel geringer. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes kann ein 65jähriger Mann noch mit 15,1 Jahren rechnen, eine 65jährige Frau mit 18,8 Jahren. Der Unterschied der Geschlechter beträgt jetzt nur noch 3,7 Jahre!

Die Gründe für die Annäherung im Alter sind offensichtlich.

Ein Teil der Männer, die den Durchschnitt drücken, sind mit 65 schon tot: durch Unfälle wegen riskantem Verhalten, durch berufsstressbedingte Infarkte und durch ihre höhere Selbstmordrate.

Der Anteil der Männer, die Sport treiben und sich gesund ernähren, wächst.

Die größeren Heilerfolge der Medizin erhöht stärker die Überlebenschancen derer, deren Überleben stärker gefährdet ist – also der Männer.

Annäherung der Geschlechterrollen heißt, dass die Frauen männliche Verhaltensweisen übernehmen. Das Umgekehrte ist viel seltener. Der Berufsstress fordert seinen Tribut, aber auch die starke Zunahme der Raucherinnen. Als Isaac Adler vor 100 Jahren die erste große Abhandlung über Lungenkrebs veröffentlichte, entschuldigte er sich noch dafür, einer so seltenen Krankheit soviel Raum zu widmen. Inzwischen entwickelte er sich nicht nur bei Männern, sondern auch bei Frauen zum häufigsten Tumor (vor Brust- bzw. Prostatakrebs). Besonders stark ist der Zuwachs bei Frauen zwischen 45 und 60. Dort steigt die Zahl der Neuerkrankungen jedes Jahr um 6.3 Prozent.

Juli 2003 © by www.berlinx.de

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