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Wie Sie Ihre Zuhörer faszi­nieren

Viele Redner halten ganz ordent­liche Vorträge. Aber begei­stern und mit­reißen? Diese Kunst beherr­schen nur wenige. Was unter­scheidet die Wort­magiker von Normal­rednern?

Sind begnadete Redner von Natur mit einem unwider­stehlichen Charisma ausgestattet? Können wir Normal­sterblichen nur neidvoll zuschauen? Wer seine Zuhörer in den Bann ziehen möchte, muss kein begnadeter Unter­haltungs­künstler sein. Magie der Worte kann jeder erzeugen, der unsere Tipps beachtet.

Die Grundlagen beherrschen. Rund die Hälfte aller Redner scheitert bereits an der „normalen“ Rhetorik. Sie wissen nicht, wie man eine Rede aufbaut und welche simplen Fehler sie unbedingt vermeiden sollten. Ein Pianist, der seine Fans verzaubern will, sollte nicht nur mit Leiden­schaft in die Tasten greifen, sondern auch die richtigen Töne treffen. Nur wer das 1 x 1 des Redens beherrscht, wird auch die Magie der Fortge­schrittenen meistern. Ein einziger drastischer Fehler kann die Wirkung zunichte machen, auch wenn alles übrige stimmt. Was Sie über die Grund­lagen der Redekunst wissen müssen, finden Sie in unserem drei­teiligen Artikel:

Stellen Sie Kontakt her. Zwei Arten von lang­weiligen Rednern treffen wir besonders häufig. Die einen lesen ein Manus­kript vor – oder sie werfen eine PowerPoint-Präsen­tation an die Wand und lesen die Folien vor. Die anderen verstehen „Vortrag“ im wörtlichen Sinn. Sie tragen ihre Worte nach vorn, über die Leute hinweg, wie ein Pastor von der Kanzel. Die Zuhörer sind nur der Boden, über dem sie ihre trockenen Texte abwerfen. Magische Redner dagegen setzen auf die Mitarbeit ihres Publikums. Sie möchten eine Meinung mitteilen und die Ansichten ihrer Zuhörer erfahren.

  • Der Redner spricht frei, zu und mit den Leuten. Dazu muss er seine Rede nicht aus­wendig lernen. Er kann sie aus­drucken und Stichworte markieren, an denen er sich orientiert. Verliert er den Faden, amüsiert er sich gemeinsam mit dem Publikum über seine Schuss­ligkeit. Danach kann er seinen ausfor­mulierten Text zu Rate ziehen.
  • Er spricht „persönlich“. Das heißt, er sagt „ich“, wenn er seine Meinung kundtut. Er sagt „Sie“, wenn er das Publikum anspricht – und das macht er so oft wie möglich. Unper­sönliche Ausdrücke wie „man“, „wir sollten“ oder Passiv­sätze à la „Probleme werden gelöst“ (von wem, bitte schön?) vermeidet er.
  • Er versteckt sich nicht hinter einem Pult und starrt nicht die Wand gegenüber an. Er schaut seinen Zuhörern in die Augen. Er steht nicht wie ange­gossen auf einer Stelle, sondern geht umher – mitunter sogar nach unten ins Audi­torium.

Setzen Sie Ihre Persönlichkeit ein. Schauen Sie sich Fernseh­stars an. Die einen reden schnell, mit einem überbor­denden Temperament. Andere plaudern mit gelas­sener Ruhe. Doch beide Gruppen gewinnen viel Aufmerk­samkeit. Warum? Weil Worte, Körper­sprache und Stimme dieselbe authen­tische Persön­lichkeit rüberbringen. Sie sind schüchtern und haben eine piepsige Stimme? Stehen Sie dazu! Versuchen Sie in diesem Fall nicht einen starken Typen mit sonorer Stimme zu schau­spielern, sondern sagen Sie: „Meine Stimme ist von Natur leise. Helfen Sie uns allen, indem Sie genau zuhören.“

  • Sprechen Sie langsam. Wenn Sie aufgeregt sind und deshlab Ihren Auftritt so schnell wie möglich hinter sich bringen möchten – widerstehen Sie diesem Impuls! Mit ruhiger Gelas­senheit strahlen Sie Souve­ränität aus. Atmen Sie tief und langsam. Sprechen Sie, als ob Sie nach­denken. Als ob Sie erst jetzt – vor dem Publikum – Ihre Gedanken entwickeln.
  • Mut zur Pause. Probieren Sie aus, drei lange Sekunden gar nichts zu sagen. Das wirkt nicht peinlich, sondern erhöht die Spannung. Die Leute werden auf Ihrem ersten Satz nach der Pause besonders gespannt sein.
  • Verstecken Sie sich nicht hinter dem Pult, sondern wandern Sie hin und her. Langsam, wenn Sie ruhig sprechen, und etwas schneller, wenn Sie Ihre Worte mit Begei­sterung hervor­sprudeln lassen. Wenn Sie merken, dass Ihre Begei­sterung Sie fortreißt, machen Sie wieder einige Sekunden Pause, um dann ruhiger fortzufahren.

Erzählen statt belehren. Warum lesen selbst Ober­lehrer lieber einen spannenden Roman als ein nüchternes Sachbuch? Ein Roman entfaltet Emotionen. Er erzählt eine Geschichte. Der Leser fiebert mit, statt sich Listen von Fakten einzuprägen. Der brave Durch­schnitts­redner dagegen zählt Tatsachen auf, zitiert Autoritäten und ermüdet mit vollge­packten Folien, die kein Mensch in der kurzen Zeit erfassen kann. Seine Worte wirken korrekt, aber nicht magisch. Wenn Sie faszinieren wollen, verwandeln Sie Ihre Botschaft in ein farbiges Abenteuer.

  • Bauen Sie einen Spannungs­bogen. Starten Sie mit einer provo­zierenden These und der rhetorischen Frage: „Wissen Sie, warum die Spezialisten bis heute keine Einigung in dieser Frage erzielen?“ Die Antwort geben Sie erst am Schluss. Immer wenn die Aufmerk­samkeit nachzu­lassen droht, machen Sie einen weiteren Spannungs­bogen auf.
  • Sprechen Sie wie zu einem guten Freund. Unter­halten Sie sich mit den Leuten vor Ihnen. Als ob Sie mit ihnen in einer kleinen Runde sitzen. Reden Sie nicht „wie gedruckt“, sondern „wie geplaudert“.
  • Umgangssprache statt Fachsprache! Möglichst hoch­gestochen zu reden, ist nichts weiter als ein Imponier­verhalten. Der Zuhörer merkt die Absicht und ist verstimmt. Zeigen Sie, dass Sie das nicht nötig haben. Sie wollen sich verständlich machen. Die wenige Fach­begriffe, die Sie benutzen, definieren Sie mit einfachen Worten. So oft wie möglich schildern Sie persönliche Erlebnisse, Anekdoten und kleine Geschichten. Theorien erläutern Sie an Beispielen: „Stellen Sie sich vor, Sie sind eine Gaswolke, die seit Jahrtausenden unter der Erde ruht. Plötzlich weckt ein dröhnend bohrendes Ungetüm Sie aus Ihrem friedlichen Schlummer …“

Im zweiten Teil werden Sie vier weitere Regeln kennenlernen, die Ihren Worten Magie verleihen.

veröffentlicht im Juni 2014 © by www.berlinx.de

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