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Noch mehr Tricks für faszinierende Reden

Im ersten Teil stellten wir Ihnen vier Grund­regeln vor. Hier folgen vier weitere Geheimtipps, mit denen Sie trockene Vorträge in ein Sprach­feuerwerk verwandeln.

Sprachreichtum. Wir verstehen einige zehn­tausend Wörter, benutzen selbst aber nur einige tausend. Wer sich auf interna­tionalem Parkett bewegt, hat sich an ein verarmtes Englisch als Notver­ständigung gewöhnt. Aus Gewohnheit reduzieren wir zunehmend auch in der Muttersprache unseren Wortschatz. Aber die Sprache ist das Kleid Ihrer Gedanken. Wortarmut lässt das Publikum unbewusst auf Gedanken­armut schließen. Eine farbige, abwechslungs­reiche Sprache verrät hingegen wendige, kreative Denker.

  • Ersetzen Sie abstrakte durch konkrete Wörter. Aus „gehen“ machen Sie „schleichen“, „flitzen“ oder „eilen“. Hauptwörter auf –ung, –heit oder –keit verwandeln Sie zurück in die Ausdrücke, von denen sie abstammen: „Belehrung“ wird „belehren“, „Finanzierbarkeit“ wird „finanzieren“.
  • Welche Autoren sind Ihre Vorbilder? Schauen Sie sich ihre Tricks an. Wie formulieren sie, um Farbe und Sinn­lichkeit in ihre Texte zu bringen? Der wichtigste Kniff der Profis: Statt langatmig zu beschreiben, schildern sie Geschehnisse.
  • Erweitern Sie Ihr Vokabular. Schreiben Sie sich Wörter auf, die Ihnen beim Lesen begegnen, die Sie aber selbst nie aktiv verwendet haben. Benutzen Sie Synonym­wörterbücher. Auch das tiefere Studium einer Fremd­sprache bereichert Ihr Ausdrucks­vermögen.

Ungewöhnliches statt Allbekanntes. Das sicherste Mittel, Langeweile zu erzeugen, lautet: Das sagen, was alle sagen. Damit werden Sie zwar niemandem auf die Füße treten und die Zuhörer werden freundlich nicken – falls sie noch nicht eingeschlafen sind. Aber Interesse wecken Sie nicht. Magische Redner gewinnen selbst dem trocken­sten Standard­thema eine ungewöhnliche Seite ab. Wenn Sie über Vertrautes reden müssen, wählen Sie eine unüb­liche Perspektive. Sie wollen zum Beispiel über eine neue Ethik reden? Schildern Sie das moralische Dilemma eines Werkstatt­besitzers, der zwischen Bankrott und Umwelt­sünden wählen muss. Sie wollen erklären, wie im All ein neuer Stern entsteht? Schildern Sie seine Geburt aus der Sicht eines verirrten Astronauten oder eines inter­stellaren Staubkorns.

  • Der Redner spitzt seine Meinung zu. Es allen Recht machen wollen, heißt es sich mit allen verderben. Deshalb nennt er Ross und Reiter. Sie dürfen übertreiben und vereinfachen. Wenn sich die Zuhörer darüber erregen und Sie am liebsten sofort in Grund und Boden diskutieren wollen, überraschen Sie sie erneut: „Gehen wir doch mal die Argumente durch, die gegen meine These sprechen.“
  • Wenn Sie bei niemandem anecken wollen, verwandeln Sie den Streit in einen Dialog der Meinung von Herrn A und der Gegenmeinung von Herrn B. Wählen Sie die Position des neugierig Fragenden. Fordern Sie die Zuhörer auf, selbst zu entscheiden, welchem Standpunkt sie zuneigen.
  • Der magische Redner personalisiert. Er lässt Menschen auftreten statt Lehrsätze. Menschen interessieren sich am meisten für Menschen – für ihre Vorlieben, Eigenheiten und Macken. Sie müssen aber leider über Maschinen reden? Erzählen Sie von den Menschen, die sie erfinden, bedienen, reparieren und ihre Erzeugnisse konsumieren!

Roter Faden statt Rundumschlag. Eine einzelne Rede kann nicht alle Welt­probleme auf einmal erklären. Beschränken Sie sich auf eine These. Nennen Sie Ihre Botschaft gleich am Anfang und erläutern Sie in wenigen Sätzen, was Sie beweisen wollen. Uner­fahrene Redner überfrachten ihre Texte. Als Maßstab dient folgende Daumen­regel: Wenn Sie als Zuhörer(in) einen Vortrag über ein fremdes Thema hören – wie viel Neues könnten Sie auf einmal aufnehmen? Damit wissen Sie, was Sie Ihrem Publikum zumuten dürfen.

  • Ihre Rede sollte auf einer klaren Gliederung von drei Punkten beruhen. Dazu kommen Einleitung und Schlussfolgerung. Machen Sie aus Ihrer Gliederung kein Geheimnis. Sagen Sie gleich zu Anfang, über welche Punkte Sie sprechen werden. Die Zuhörer sollten immer wissen, an welcher Stelle Ihres Vortrages sie sich gerade befinden. Haben Sie mehr als drei Punkte? Heben Sie sich welche für eine spätere Rede auf. Oder verwandeln Sie sie in Unterpunkte.
  • Für gute Reden gilt: Weniger ist mehr. Die Zuhörer sollten am Ende das Gefühl haben, es könnte sich lohnen, zu Ihrer nächsten Rede zu kommen. Weil Sie Ihr Pulver noch längst nicht verschossen haben.
  • Wie viel Redezeit haben Sie? Überschreiten Sie Ihr Limit auf keinen Fall! Seien Sie lieber etwas kürzer und man wird Sie lieben. Wer seine Zeit überzieht, zeigt nicht nur schlechtes Benehmen. Er unterliegt auch dem Irrtum, dass er sich auf diese Weise wichtiger machen kann als er ist.

Dramatik statt nüchterne Logik. Normal­redner legen Wert auf unwider­legbare Argumente, die sie in einer schlüssige Reihen­folge präsentieren. Aber Argumente überzeugen meist nur diejenigen, die schon vorher an sie glaubten. Wollen Sie neue Anhänger gewinnen? Setzen Sie auf Dramatik. Sie entwickelt sich, indem Sie Konflikte darstellen. Lassen zwei Argumente gegeneinander kämpfen. Sobald das eine siegreich erscheint, stärken Sie unvermutet das andere. Halten Sie die Spannung bis zum Schluss, ehe Sie eine Seite den Sieg davon­tragen lassen.

  • Erzählen Sie, wie die Welt aussähe, wenn die Verfechter von Argument Pro recht hätten. Schildern Sie dann die Zukunft aus Sicht des Gegen­arguments Contra.
  • Viele Themen sind in Filmen, Gemälden oder Romanen behandelt worden. Würzen Sie Ihren Vortrag mit Ausflügen in die Weltliteratur. Ihnen fällt partout kein passendes Beispiel ein? Erzählen Sie, wie der Roman X hätte ausgehen können, wenn sein Autor Ihr heutiges Problem schon gekannt hätte!
  • Beschreiben Sie zuerst, was Logik und Vernunft gebieten. Erzählen Sie anschließend an lebensnahen Begebenheiten, wie es im wahren Leben zugeht. Der Widerstreit zwischen Vernunft und irrationalen Impulsen kann selbst dem trockensten Thema Spannung verleihen.

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Veröffentlicht im Juli 2014 © by www.berlinx.de

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