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Auswege aus der seelischen Leere

Ratschläge gegen Stress und Burnout sind in den Medien allgegenwärtig. Von ihrem Gegenteil ist viel seltener die Rede. Obwohl an sinnlos vertaner Zeit mindestens ebenso viele Menschen leiden. Egonet bricht das Schweigen.

„Ich stehe voll im Stress!“ Kaum ein Satz wird häufiger ausgesprochen. Es gilt als schick, überlastet zu sein. Er verleiht seinem Sprecher eine Aura von Wichtigkeit. Zeitmangel ist ein Statussymbol geworden. Die neue Klassengesellschaft teilt sich in die Workaholics mit 60-Stunden-Woche und die Mehrheit, die als Arbeitslose, beschäftigungslose „Selbständige“ und Zwangsfrührentner über jede Menge Freizeit verfügen. Viele von ihnen würden lieber heute als morgen auf die andere Seite wechseln.

Aber Achtung! – so eindeutig ist die Zweiteilung nicht. Mehr als ein Drittel der Arbeitnehmer befindet sich in einem Motivationstief. Ihr Job bietet ihnen schon lange keine Herausforderung mehr. Langeweile und Nullbock bestimmen den Alltag. Die Unternehmensberater Philippe Rothlin und Peter Werder prägten dafür den Begriff „Boreout“ (von englisch „boredom“ für Langeweile). Also entweder Burnout oder Boreout? Durchaus nicht. Nicht wenige ackern bis zum Umfallen und langweilen sich dabei zu Tode. Man schuftet, um sich nicht eingestehen zu müssen, dass die Arbeit sinnlos ist und keinen Spaß bereitet. Aber wer gibt schon eine sichere Stelle auf – vor allem, wenn er als einziger erkennt, dass sie überflüssig ist?

Also entwickelt der/die Angestellte den Anschein, schwer beschäftigt zu sein. Hier greift das berühmte Parkinson-Gesetz (von dem englischen Soziologen C. Northcote Parkinson): „Arbeit lässt sich – wie Gummi – so weit dehnen, wie Zeit zur Verfügung steht, um sie auszuführen.“ Parkinson entdeckte sein Gesetz – wen wundert’s – bei der Untersuchung öffentlicher Verwaltungen. Einige Methoden, leere Arbeitszeit zu füllen:

  • Man teilt die Arbeit in lauter kleine Häppchen auf. Zu jedem gehört eine längere Anlaufphase und hinterher eine ebenso lange Erholungspause.
  • Man erledigt die Arbeit in einem Ruck und nutzt die Restzeit für Computerspiele.
  • Man fordert überflüssige Akten an, setzt ebenso überflüssige Beratungen mit ebenso gelangweilten Kollegen an oder erfindet zusätzliche Arbeitsgänge.
  • Man prüft Anträge gründlicher als nötig – bis man endlich das Haar in der Suppe findet, das es erlaubt, den Antrag doch noch abzulehnen.

Wer so arbeitet, rühmt sich gern seines bequemen Jobs und des leicht verdienten Geldes. Im Innern jedoch breitet sich Unzufriedenheit aus. Schlimmer noch, die Lustlosigkeit greift auch auf das Freizeitleben über. Ein umfassendes Motivationstief durchzieht das Leben. Es nagt am Selbstbewusstsein. Wenn Sie in Routine und Langeweile gefangen sind – müssen Sie sich damit abfinden?

Fragen Sie nach neuen Herausforderungen! Wer geht schon zum Chef und sagt, er habe nicht genug zu tun? Sie können jedoch sagen: „Meine momentanen Aufgaben füllen mich nicht aus. Ich würde gern etwas Anspruchsvolleres tun, um mehr für die Firma zu leisten.“ Unterbreiten Sie eigene Vorschläge. Oft der entscheidende Schritt, um einen Karrieresprung auszulösen.

Vielleicht gibt es auch Möglichkeiten, in eine andere Abteilung zu wechseln. Zufriedene Mitarbeiter sind auch im Interesse der Firma. Falls Sie um Ihren Arbeitsplatz fürchten, wollen Sie vielleicht keine schlafenden Hunde wecken. Doch das kann genau die falsche Strategie sein. Denn wenn Sie Vorschläge machen, könnten Sie der Firma als engagierter und somit wertvoller Mitarbeiter auffallen.

Finden Sie keinen Weg, Ihre Arbeitsituation zu verbessern, sorgen Sie in der Freizeit für Ausgleich. Diese Tipps gelten auch für alle, die keine Arbeit haben:

  1. Setzen Sie sich anspruchsvolle Ziele und realisieren Sie ein straffes Programm zu ihrer Umsetzung.
  2. Wenn Sie tagsüber unterfordert sind, suchen Sie sich in der Freizeit einige anspruchsvolle Aufgaben, die Körper und Geist fordern: Sporttraining, eine Fremdsprache in kurzer Zeit erlernen oder ein Buch schreiben.
  3. Pflegen Sie soziale Kontakte über das normale Maß hinaus. Organisieren Sie Partys und gemeinsame Ausflüge – kurz, übernehmen Sie in Ihrem Freundeskreis eine Führungsrolle.
  4. Unternehmen Sie etwas Außergewöhnliches. Erforschen Sie die „Geschichte der Langeweile“ und veröffentlichen Sie Ihre Ergebnisse im Internet. Starten Sie zu einer sechswöchigen Radtour quer durch Europa oder Amerika. Gründen Sie eine kleine Künstlergruppe, bringen Sie ein eigenes Theaterstück zur Aufführung oder organisieren Sie eine Ausstellung eigener Gemälde, Photos oder Skulpturen.
  5. Engagieren Sie sich in einem Ehrenamt oder für eine Umweltinitiative. Machen Sie nicht nur mit, sondern überlegen Sie sich Schritte, die Arbeit ihrer Gruppe voranzubringen: Kontakte zu Medien, Spendenaktionen, Aktionstage, Tage der offenen Tür.

Unsere Lesetipps:
Philippe Rothlin, Peter Werder: Diagnose Boreout. Redlin, € 17,90
Cyril Northcote Parkinson: Parkinsons Gesetz und andere Untersuchungen über die Verwaltung. Verlagsanstalt Handwerk, € 19,80

Veröffentlicht im November 2007 © by www.berlinx.de

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