Der Umgang mit den Menschen von nebenan
Wer neben uns wohnt, können wir uns nicht aussuchen. Ist Ärger unvermeidlich oder gibt es eine Erfolgsrezept für friedliches Zusammenleben?
Eine Frage vornweg: Sind Sie selbst ein guter Nachbar? Darauf antworten nicht nur Sie: Selbstverständlich! Jeder hält sich für vorbildlich. Warum gibt es dann überhaupt Streit?
Bei Autofahrern ist es ähnlich. Die Idioten der Straße sind immer die anderen. Ob Fahr- oder Lebensstil: Der eigene ist der richtige. Wenn alle so wären wie ich, gäbe es keinen Ärger. Wir bepflanzen unseren Balkon, halten einen „lieben“ Hund und freuen uns an den kreativen Einfällen unserer Kinder.
Was geht meine Nachbarn an, wie ich lebe? Wir glauben, unser Leben beträfe nur uns selbst. Doch unser Verhalten strahlt in unsere Umwelt aus. Die Pflanzen auf dem Balkon locken Insekten und Spinnen an, auch nebenan. Das Vogelhäuschen ist eine gute Idee – doch Amsel, Drossel, Fink und Meise kacken auch eine Etage tiefer. Hunde bellen und Kinder quengeln lauthals. Der Nachbar aber muss sich von der Nachtschicht ausschlafen.
Am meisten wird über Lärm geklagt. Einmaligen Krach würden wir tolerieren, aber Nachbarn haben feste Gewohnheiten. Der erste Gedanke lautet: Diese Typen sind rücksichtslos. Die machen das absichtlich. In Wirklichkeit handeln sie nur gedankenlos. Sie denken an ihre eigenen Bedürfnisse, nicht an Ihre. Sie brauchen laute Musik nach der öden Arbeit oder sind einfach schwerhörig.
Häufig kennen wir Nachbarn nur vom Sehen. Was wir nicht sehen, können wir nur vermuten. Die Nachbarn sehen anders aus und tun Dinge anders. Kein Wunder, dass bei denen nicht alles stimmt. Sobald sie uns das erste Mal stören, fühlen wir uns bestätigt: Na also, was willst du von solchen Leuten auch anderes erwarten!
Beugen Sie vor. Grüßen Sie Ihre Nachbarn und wechseln Sie mit ihnen ein paar Worte. Wenn Sie frisch einziehen, stellen Sie sich vor. Ziehen Nachbarn ein, ohne sich vorzustellen, machen Sie den ersten Schritt: „Sie sind neu eingezogen? Ich wohne über Ihnen. Ich bin der/die …“
Wenn Sie nach einigen Tagen Störendes wahrnehmen, können Sie auf der ersten Bekanntschaft aufbauen und die Probleme sachlich ansprechen. Wer erst im Konfliktfall den Kontakt sucht, erntet Konfrontation. Warum raunzt mich der Fremde da an? Ein Feind! Hat die Beziehung freundlich und neutral begonnen, fällt es beiden Seiten leichter, Person und Problem zu unterscheiden.
Und wenn die Kritik nichts bringt? Wenn der Nachbar Ihre Bitten ignoriert? Reden Sie mit den anderen Nachbarn. Fühlen Sie sich ebenfalls gestört? Dann könnten sie ebenfalls bei den Störenfrieden klingeln und um Abhilfe bitten. Mancher ändert seine Haltung, wenn er merkt, dass er im Haus isoliert ist.
Wenn Sie dagegen sich als Einzige gestört fühlen, kann es schwierig werden. Wohnen Sie in einem Mietshaus, können Sie beim Vermieter auf Einhalten der Ruhezeiten pochen. Er ist verpflichtet, für die Einhaltung der Hausordnung zu sorgen. Laut Bundesgerichtshof gelten die Mittagspause von 13 bis 15 Uhr und die Nacht von 20 bis 7 Uhr als Ruhezeiten (Sonn- und Feiertage ganztägig). Da gilt Zimmerlautstärke – was bedeutet, dass Lärm außerhalb der Wohnung nicht wahrnehmbar sein darf (sofern Fenster und Türen geschlossen sind). Im Mietvertrag können allerdings abweichende Ruhezeiten festgelegt sein.
Zu anderen Zeiten bleibt Ihnen nur der Griff zu Ohropax – oder Sie ziehen fort. Schauen Sie sich diesmal nicht nur die neue Wohnung an, sondern auch die neue Nachbarschaft. Fragen Sie Anwohner, wie es sich dort wohnt und wie die Leute miteinander auskommen. Achten Sie auf Ihr Bauchgefühl. Eine gute Nachbarschaft kann wichtiger sein als der materielle Komfort Ihres neuen Zuhause.
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veröffentlicht im November 2014 © by www.berlinx.de
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