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1999 berichteten wir in drei Beiträgen schon einmal über die verschiedenen Facetten des Glücks. Die Fortschritte der Hirnforschung in den letzten Jahren haben den guten Gefühlen weitere Geheimnisse entrissen. Heute steht fest: jeder kann lernen, seine Glücksfähigkeit zu steigern.

Seit einiger Zeit ist es möglich, das Gehirn zu beobachten, während es gute oder schlechte Gefühle erzeugt. Diese Forschungen warfen Licht auf einige Fragen, die Philosophen und Psychologen seit Jahrhunderten beschäftigen. Der Wissenschaftsjournalist Stefan Klein hat die interessantestes Fakten in seinem Buch „Die Glücksformel“ aufgelistet. Drei praktische Erkenntnisse lauten:

Schlechte Gefühle sind stärker und entstehen leichter als glückliche Empfindungen. Eine achtlose Bemerkung eines Kollegen reicht aus, um uns zu kränken und den ganzen Tag zu vermiesen. Um sich gut zu fühlen, ist mehr Mühe erforderlich. Sie brauchen eine positive Überraschung oder ein ausgiebiges Selbstverwöhnprogramm, um sich am eigenen Schopf aus einem Stimmungstief zu ziehen. Aus der Sicht der Evolution ist das sinnvoll. Negative Gefühle wie Angst oder Wut dienen dem Selbstschutz bei Gefahren. Eine gute Stimmung ist zwar nützlich für die Motivation, aber auch ohne sie sind wir lebens- und handlungsfähig. Glück ist für das Überleben eher eine Art Luxus. Die Folge: Schlechte Stimmung kommt häufiger vor als strahlende Laune. Sie entsteht von allein, während wir uns um unser Glück bemühen müssen.

Sie können gleichzeitig glücklich und unglücklich sein. Glücklich sein schützt nicht vor Unglück. Umgekehrt schließen Schicksalsschläge glückliche Gefühle nicht aus. Für beide Gefühlsarten sind unterschiedliche Hirnareale verantwortlich, die zugleich aktiv sein können. Daher sind gemischte Gefühle wie Haßliebe oder der wohlige Schauer während eines Horrorfilms möglich. Die Folge: Wenn es Ihnen gelingt, negative Erlebnisse zu vermeiden, sind sie nicht automatisch glücklich.

Glück ist eine Gewohnheitssache. Ein angeborenes aktives Temperament erleichtert es zwar, sein Glück zu finden. Aber entscheidend ist die Gewohnheit, die kleinen Glücksmomente des Alltags zu erkennen und zu genießen. Nicht die großen Erfolge sind es, die glücklich machen. Das beweisen Studien an Lottogewinnern und Prominenten. Einige Monate nach ihrem größten Erfolg sank ihr Glückspegel wieder auf das vorige Niveau zurück. Der Grund ist leicht einzusehen: Nach einiger Zeit hat man sich an den Erfolg gewöhnt. Man brauchte nun einen noch größeren Erfolg, um die Hochstimmung zu wiederholen. Sobald der erreichte Erfolg nicht mehr zu toppen ist, empfindet man die Tatsache, dass keine Steigerung mehr gelingt als Mißerfolg. Die Stimmung sinkt. Dauerhaft glücklich fühlt sich, wer in seinem normalen Alltag Gründe für Frohsinn entdeckt.

Die besten Tricks, um Ihr Glücksempfinden zu verstärken, sind:

Aktivität. Tiere überleben nur, wenn sie sich kümmern – um Nahrung, ihre Sicherheit und ihre Fortpflanzung. Deswegen belohnt das Gehirn uns Lebewesen mit Hochgefühlen, sobald wir aktiv werden. Jeder weiß aus eigener Erfahrung: Wer einem Nachbarn, über den er sich seit längerem ärgert, gründlich die Meinung sagt, verschärft unter Umständen den Konflikt. Dennoch – dass man den Ärger nicht länger heruntergeschluckt, sondern etwas unternommen hat, verbessert die Laune nachhaltig. Aktivität ist auch ein Patentrezept gegen Ängste. Wer sich aus Schüchternheit nicht traut, attraktive Fremde anzusprechen, fürchtet einen Korb zu bekommen. Doch wer den Schritt wagt, wird erstaunt feststellen, dass sich danach seine Laune und seine Selbstachtung selbst dann verbessert, wenn er tatsächlich den gefürchteten Korb bekam. Dass man sich überwunden und das Wagnis riskiert hat, verbucht das Gehirn als Erfolg.

Abwechslung. Ein Glücksfall, der immer wieder eintritt, ist am Ende keine Glücksfall mehr, sondern Normalität. Daher genügen nach einiger Zeit selbst ein raffiniertes Essen oder ein exotischer Urlaub nicht mehr, um uns froh zu stimmen. Deshalb: Wechseln Sie das Feld, auf dem Sie Erfolgserlebnisse suchen, bevor die Routine einzieht. So gut wie alles kann eine Glücksquelle werden: fremde Menschen kennenlernen, durch einen abgelegenen Park spazieren, ein Musikinstrument oder eine Sprache lernen, eine neue Sportart erproben, ein witziges Buch lesen … Praktizieren Sie, was Stefan Klein „Rotation der Genüsse“ nennt.

Blickwechsel. Probieren Sie, im Gewohnten das Ungewöhnliche zu entdecken. Erforderlich ist dafür, sich etwas Zeit zu nehmen. Für einige Minuten aus der Alltagseile auszusteigen. Zum Beispiel, jetzt im Herbst das fallende, glitschige Laub nicht ärgerlich beiseite zu fegen, sondern sich die Blätter genauer anzuschauen, ihre Farben und Verästelungen zu studieren. Solche Momente, in denen sich die Sinne ganz auf die Gegenwart, auf das Wahrnehmen konzentrieren, heben die Stimmung. Wenn dagegen das Gehirn ins Leere grübelt, über vergangene oder zukünftige Sorgen, ohne neues Futter für die Sinne, sinkt die Stimmung.

Darüber hinaus unterstützen alle Faktoren, die der gesundheitlichen Fitness dienen, auch die Glücksfähigkeit. Also gesunde Ernährung, Massagen, entspannende Bäder, körperliche Bewegung, aber auch soziale Kontakte, Engagement für andere und feste Bindungen. Eine gute Methode, Glück in kurzer Zeit zur Gewohnheit zu machen: Führen Sie ein Tagebuch, indem Sie Tag für Tag nur Ihre Glücksmomente eintragen. Sie haben keine? Abwarten! Allein Ihr Wissen, daß am Abend Ihr Glückstagebuch auf Eintragungen wartet, wird Sie befähigen, am Tag jene guten Momente wahrzunehmen, die Sie bisher übersahen oder gleich wieder vergaßen.

Hintergrundinformationen, wie unser Gehirn Glück erzeugt, finden Sie in:
Stefan Klein: Die Glücksformel oder Wie die guten Gefühle entstehen. Rowohlt Verlag 2002.
Auch als Taschenbuch

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November 2003 © by www.berlinx.de

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