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Der Unterschied zwischen gemessener und empfundener Temperatur

Der Wetterbericht verkündet ein Grad plus, aber der kalte Wind fährt Ihnen unter die Haut wie bei sibirischem Frost. Wir erklären Ihnen, wie Sie Ihre gefühlte Temperatur herausfinden.

Rita ist eine richtige Frostbeule. Das Thermometer steht über Null, aber sie geht mit Mütze und Fäustlingen aus dem Haus. Im überfüllten Bus gerät sie dann ins Schwitzen, nur um nach dem Aussteigen um so erbärm­licher zu frieren. Sie ärgert sich. Was nützt ihr der Wetter­bericht, wenn seine Temperatur­angaben ihr nicht verraten, wie viel Kälte sie wirklich fühlen wird?

Der Mensch hat eine Körper­temperatur von knapp 37 Grad, die Umgebung meist weniger. Verliert der Körper Wärme, spüren wir Kälte. Ist die Umgebung heißer, spüren wir Hitze. Da wir bekleidet sind und uns bewegen, wird uns schon bei Temperaturen weit unter 37 Grad heiß. Wir nennen Ihnen die sechs wichtigsten Faktoren, die unser Wärmeempfinden beeinflussen:

  1. Wärme fließt kontinuierlich von der Haut­oberfläche in die Umwelt. Je größer und dicker der Mensch, desto mehr Wärme strahlt er ab. Oder umgekehrt, desto mehr Kühle aus der Umwelt dringt in seinen Körper ein.
  2. Wenn wir uns bewegen, erzeugen wir zusätzliche Wärme, die wir in die kühlere Umgebung abstrahlen.
  3. Außerdem atmen wir kalte Luft ein und warme Luft aus. Dadurch senden wir weitere Wärme aus – ein knappes Drittel zusätzlich.
  4. Weht außerdem der Wind, steigt die Wärme­abgabe weiter. Warum? Bei Windstille umgibt unsere Haut direkt über der Ober­fläche eine über 30 Grad warme Luftschicht. Wind weht diese warme Schicht ständig fort, und der Körper muss die Zone über der Haut ständig neu aufheizen. Je stärker der Wind, desto schneller geht die Wärme über der Haut verloren.  Der so genannte Windchill-Faktor berechnet, wie stark der jeweilige Wind das Temperatur­­empfinden verändert. Eine Tabelle für Temperaturen von 10 Grad plus bis 50 Grad minus finden Sie in der Wikipedia.
  5. Auch die Luft­feuchtigkeit verändert unsere Wahr­nehmung. Ist die Luft trocken, kann der Körper durch Schwitzen, Frösteln, Kleidung und Bewegung seinen Wärme­haushalt selbst regulieren. Enthält die Luft schon viel Feuchtigkeit, nutzt Schwitzen nicht mehr viel. Die Luft kann das zusätzliche Wasser aus der Haut nicht mehr aufnehmen. Daher fühlt sich feuchte warme Luft „tropischer“ an als trockene. Bei einer Temperatur von 24 Grad fühlen sich 50 Prozent Luftfeuchte noch wie 24 Grad an. Bei 60 Prozent Feuchte spüren wir zwei Grad mehr, bei 70 Prozent fünf Grad mehr, also 29 Grad.
  6. Scheint die Sonne, verwandelt sich das Licht auf der Haut in langwellige Wärmestrahlung. Sonne heizt zusätzlich, auch im Winter.

 

Vor einigen Jahren verkündete der Wetterbericht neben der echten auch die gefühlte Temperatur. Warum ist man davon wieder abgekommen?

Es gibt keine allgemeine Fühl­temperatur, die für alle gleich ist. Schon die Art der Bekleidung,  die der Einzelne wählt, macht einen Vergleich praktisch unmöglich.  Zudem ist jeder von uns unterschiedlich tolerant gegenüber Wetter­einflüssen. Die einen sind sportlich und mögen es, wenn ihnen eine steife Brise um die Ohren pfeift. Andere verkriechen sich am liebsten nahe der Heizung oder in einem warmen Bad. Jeder kann sich vorstellen, dass für einen Eskimo 15 Grad sehr warm sind, während jemand aus den Tropen anfängt zu frieren.

Körperwärme produzieren wir in den Muskeln, denn dort wird der Zucker verbrannt. Wer mehr Muskeln hat, friert nicht so leicht. Deswegen vertragen Männer im Schnitt zwei Grad Kälte zusätzlich im Vergleich zu Frauen. Körperfett isoliert nicht so gut wie eine kräftige Muskulatur. Aber nicht nur das Geschlecht, sondern auch Krankheiten, Körpergröße und –dicke (mehr Hautoberfläche), Haarmenge, Bart und viele andere Faktoren beeinflussen das Kältegefühl.

Wetterdienste gehen bei ihrer Berechnung von einem Mann aus, der 1,75 Meter groß ist, 75 Kilo wiegt und 35 Jahre alt ist. So jemand hätte eine Haut­oberfläche von 1,9 Quadratmetern.  Die Formeln zur Berechnung gefühlter Temperaturen, die alle wesentlichen Faktoren berücksichtigen, sind sehr kompliziert. Einfacher ist es, mit Faustregeln zu arbeiten. Beantworten Sie für sich nacheinander folgende Fragen:

Welche Temperatur ist für heute angesagt? Wie groß ist der Unterschied zwischen Tiefsttemperatur am früher Morgen und Höchsttemperatur am frühen Nachmittag? Wählen Sie die Kleidung entsprechend. Ist das Temperatur­gefälle im Tages­verlauf hoch (morgens kalt, mittags warm), kleiden Sie sich nach dem Zwiebel­prinzip, also mehrere dünnere Teile übereinander, von denen sie ein, zwei zwischendurch ausziehen können.

Gibt es Regen oder Schnee? Weht ein starker Wind? Dann wird sich die Luft kälter anfühlen als angesagt.

Hoch oder Tief? Tiefdruckgebiete bringen viel Luftfeuchtigkeit mit sich. Es könnte schwül werden. Bei Hochdruck könnte die Sonne scheinen. Dann wird es subjektiv wärmer als vorhergesagt.

Werden Sie sich viel draußen aufhalten oder wechseln sie nur zwischen Wohnung, Auto und Büro? Wie viel werden Sie sich bewegen? Warme Outdoor­kleidung ist nur erforderlich, wenn sie länger als drei Minuten im Freien sind. Wenn Sie sich bewegen, wählen sie leichtere Kleidung, am besten atmungsaktive. In der Wohnung genügen 18 Grad Zimmer­temperatur aus, solange Sie Hausarbeit verrichten. Sie brauchen 22 Grad, wenn Sie über Stunden auf dem Sofa liegen. Im Schlafzimmer reichen weniger als 18 Grad, da Sie sich warm zudecken.

Der wichtigste Faktor sind aber Ihre Erfahrungen und Gewohnheiten. Sie wissen seit Jahren, welche Kleidung Ihnen bei welchem Wetter gut tut. Das bedeutet auch: Ihre Mitmenschen können das ganz anders empfinden. Versuchen Sie nicht, Ihr Kälteempfinden ihren Freunden, Partner und Kindern aufzuzwingen. Jeder erinnert sich noch an Mütter, die einst sagten: „Ohne Jacke gehst du mir nicht aus dem Haus.“ Die Mütter schlossen von sich selbst auf ihre Kinder. Sie froren, weil sie gemächlich zur Drogerie spazierten. Sie bedachten nicht, dass ihre Sprösslinge draußen herumtobten, und so ihre eigene Hitze produzierten.

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veröffentlicht im Januar 2014 © by www.berlinx.de

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