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Was tun gegen die verräterische Schamesröte im Gesicht?

Die einen werden bei der kleinsten Verlegenheit sofort rot wie eine Tomate. Andere haben nicht nur ihre Mimik unter Kontrolle, sondern sogar ihre Gesichtsfarbe. Ist Erröten Schicksal oder können Sie etwas dagegen tun?

Gudrun beneidet die Afrikaner. Was sie auch empfinden – ihre dunklen Gesichter ändern ihre Farbe nie. Gudrun dagegen braucht nur mal ins Stottern zu geraten, und schon spürt sie die Hitze in ihre Wangen steigen. Momente, in denen sie am liebsten im Erdboden versinken möchte! Sie war noch keine zehn, da sagte mal ein Klassenkamerad: „Guck mal, die wird ja rot!“ Seitdem hat sie Angst unter Menschen zu gehen. Sie fürchtet jede Frozzelei, versucht ängstlich jedes Fettnäpfchen zu vermeiden. Wenn ihr jemand ein Rezept verraten könnte, das sie endgültig vom Erröten befreit!

Erstaunlicherweise gehörte das Erröten bis dieses Jahr zu den letzten weißen Flecken auf der Landkarte der Wissenschaft. Erst 2006 haben Forscher seine Herkunft und Funktion aufgedeckt:

  1. Lange glaubte man, Erröten werde durch verstärkten Blutfluss unter der Gesichtshaut erzeugt. Australische Forscher haben jetzt Personen, die unter Erröten leiden, und andere, denen das nicht passiert, gleichermaßen in peinliche Situationen gebracht. Dabei entdeckten sie: Beide Gruppen erleben einen verstärkten Blutfluss. Er dient dazu, den Körper für eine eventuelle Fluchtreaktion optimal zu versorgen. Warum werden dann aber die einen rot und die andern nicht? Bei den Errötenden dauert es länger, bis das Blut wieder abfließt. Es staut sich unter der Haut und führt dadurch zur Rotfärbung. Sie nehmen den Stress subjektiv stärker wahr. Das heißt, die Angst vor der Situation und dem Erröten sorgen dafür, dass das Rot im Gesicht zunimmt.
  2. Auch unsere nächsten tierischen Verwandten – Paviane, Brüllaffen, Gorillas, Orang-Utans und Schimpansen – erröten bei starken Emotionen. Der kalifornische Neurobiologe Mark Changizi hat jetzt das Farbsehen der Affen untersucht. Während die meisten Säugetiere Farben gar nicht oder nur schlecht erkennen, besitzen Affen einen hervorragenden Farbsinn, den wir von ihnen geerbt haben. Lange zeit glaubte man, er diene ihnen dazu, tropische Früchte voneinander zu unterscheiden. Changizi entdeckte, dass der Farbsinn bei den Nuancen von Rot besonders gut arbeitet – bei jenen Nuancen, die sich auf den Gesichtern von Affen abzeichnen.

Daraus ergibt sich ein kleiner Trost für alle Betroffenen: Wir sind genetisch programmiert, zu erröten und es in den Gesichtern unserer Mitmenschen zu erkennen. Auch Gesichter, die sich scheinbar wenig verfärben, zeigen bei Erregung Spuren von Rot. Wir können selbst feinste Nuancen erkennen und daraus Rückschlüsse auf die Gefühle ziehen.. Auch bei denen, die vermeintlich nie erröten. Sogar bei Afrikanern. Trotz ihrer dunklen Hautfarbe erahnen wir das darunter liegende Erröten. Wir verraten uns also alle, wenn wir uns genieren – egal, ob der Kopf stark leuchtet oder kaum.

Doch woher kommen die individuelle Unterschiede? Klar, wer eine blasse, gut durchblutete Haut hat, bei dem ist die Farbveränderung deutlicher sichtbar. Den Hauptunterschied macht aber die soziale Ängstlichkeit. Sie erhöht den Stress und verursacht einen Blutstau. Das Gefühl „ich werde gerade rot“ verstärkt die Angst weiter. Ein Teufelskreis entsteht: Je mehr ich das Erröten fürchte, desto stärker wird es.

Diese Erkenntnisse versprechen aber auch Abhilfe. Sie können diesen Teufelskreis durchbrechen. Egonet hat für Sie folgende Tipps recherchiert:

  • So schwer es fällt – versuchen Sie nicht das Erröten zu unterdrücken oder zu verbergen. Damit würde Ihr Rot nur weiter zunehmen. Sagen Sie sich lieber: „Ich werde rot – na und? Hat irgendwer ein Problem damit?“
  • Suchen Sie mit voller Absicht den Blickkontakt, statt die Augen abzuwenden. Sagen Sie zu Ihrem Gegenüber „Ich fühle Verlegenheit“ oder „Ich fühle mich jetzt unsicher“ und fügen Sie eine Frage an: „Was erwarten Sie von mir?“
  • Wer unter Erröten leidet, fühlt sich in sozialen Situationen oft schüchtern. Versuchen Sie zuerst Ihre Schüchternheit zu überwinden. Tipps und Übungen dazu finden Sie in unserem zweiteiligen Artikel Selbstbewußtsein. Mit der Schüchternheit geht auch das Erröten zurück.
  • Haben Sie schon oft den billigen Trost gehört: „Aber dein Erröten sieht sympathisch aus!“? In der Tat: Wer offen seine Gefühle zeigt, gewinnt Sympathie. Warum tröstet Sie dieser Satz dann nicht, sondern ärgert Sie? Weil Sie unangenehme Gefühle wie Scham und Verlegenheit lieber für sich behalten möchten. Wenn Ihr Gesichtsrot Sie verrät, gehen Sie in die Offensive. Sagen Sie: „Jetzt haben Sie mich verlegen gemacht!“ Es kann gut sein, dass Ihr Gegenüber daraufhin stärker errötet als Sie.
  • Neutralisieren Ihre Verlegenheit mit positivem Denken. Sagen Sie sich: „Ich zeige, was ich fühle.“ Oder: „Obwohl es mich Überwindung kostet, gehe ich Risiken ein.“
  • Wenn Sie aufgeregt werden, steuern Sie körperlich dagegen. Atmen Sie betont langsam. Sprechen Sie langsam und in tiefer Stimmlage. Richten Sie Ihren Körper auf und wenden Sie ihn Ihrem Gesprächspartner zu. So neutralisieren Sie Ihr Verlegenheitsrot durch eine selbstsichere Körpersprache.

Im Zeitalter der Schönheitsoperationen haben englische Ärzte jetzt eine radikale Methode entwickelt. Sie klemmen zwei Nervenstränge neben der Wirbelsäule in Brusthöhe ab. Damit stoppen Sie einen Teil der Blutversorgung des Kopfes. Die Schamesröte bleibt den so Operierten quasi im Halse stecken. Mit erheblichen Nebenwirkungen. Denn die abgeklemmten Nervenstränge steuern auch die Hautkühlung. Ohne sie schwitzt man stärker. Möglicherweise ist auch die Blutversorgung des Gehirns gefährdet. Statt sich operieren zu lassen, sagen Sie nach dem nächsten Erröten lieber schlagfertig: „Ich werde rot, weil ich nachdenke. Wie Sie sehen, lasse ich mein Gehirn gerade maximal durchbluten.“

Unser Lesetipp:
Carsten Dieme: Angst vorm Erröten? Stillwasser Verlag, EUR 16,40.

Veröffentlicht im Oktober 2006 © by www.berlinx.de

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