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Seit 1986 ihr Verkauf offiziell verboten. Begründung: Suchtmittel mit schweren Gesundheitsschäden. Doch allen Warnungen der Forscher zum Trotz – nach 20 Jahren Massenkonsum fehlt jeder Beweis, daß eine Gefahr besteht. Im Gegenteil: neuerdings gibt es sogar Hinweise, daß Ecstasy einige Hirnleistungen fördern kann.

Am Anfang stand Alexander Shulgin, Sohn russischer Einwanderer in den USA. Er erwarb seinen Ruf als Drogenguru, als er um 1960 das Meskalin wiederentdeckte, ein altes Rauschmittel der Indianer, das Halluzinationen hervorruft. In seinem Privatlabor stellte er es Meskalin künstlich her. Inzwischen hat er über hundert Rauschmittel produziert – in einem Stillhalteabkommen mit der amerikanischen Drogenbehörde. Er darf experimentieren und berät dafür die Beamten in ihrem Anti-Drogen-Kampf.

Die bekannteste Leistung Shulgins ist die Wiederentdeckung des 3,4-Methylendioxy-N-methlyamphetamins, einer dem Meskalin ähnliche Droge. Abgekürzt MDMA und später von einem Dealer Ecstasy genannt. Kurz vor dem ersten Weltkrieg hatten Pharmazeuten die Substanz als Appetitzügler entwickelt. Sie gelangte jedoch nie in die Apotheken, wegen ihrer berauschenden Nebenwirkungen. Ecstasy gehört zur Gruppe der Psychodelika. Es puscht den Kreislauf des Hirnhormons Serotonin, das für angeregte Stimmung sorgt, aber auch die Körpertemperatur regelt. Ecstasy macht nicht abhängig – im Gegensatz zu den klassischen Drogen Alkohol, Nikotin, Heroin und Kokain. Diese wirken auf das hirneigene Dopamin. Dopamin stärkt das Selbstvertrauen, baut Hemmungen ab und erzeugt Verlangen nach immer neuer Zufuhr des Suchtmittels.

An Warnungen vor Ecstasy fehlt es nicht. Die Substanz erzeuge langfristig Gehirnschäden. Bei Dauerkonsum der Droge lasse in einigen Hirnrealen die Nervenaktivität nach. In einer Studie der Hamburger Universität aus dem Jahre 2000 ergaben sich bei 60 Prozent der Dauerkonsumenten deutliche Gedächtnisstörungen. Bei jedem vierten sogar schwere seelische Folgen wie Panikattacken und Halluzinationen. Tom Hefferman und Andrew Scholey der Universitäten von Northumbria und Teeside wiesen nach längerem Konsum der bunten Pillen gravierende Störungen des Lang- und Kurzzeitgedächtnisses nach.

Eine einmalige Ecstasyeinnahme von 100 Milligramm – zwei Pillen – hinterläßt dagegen keine Spuren. Nach vier Wochen hat sich das Gehirn wieder normalisiert. Das fand der Schweizer Mediziner Franz Vollenweider in Tests (zum Beispiel des Schreck-Reflexes) und Gehirnscans freiwilliger Versuchspersonen, die zuvor noch nie Ecstasy genommen hatten. Er entdeckte sogar, daß Ecstasy vorübergehend die Aufmerksamkeit erhöhen und die Gedächtnisleistung verbessern kann. Bei höherer Dosierung kippt der Effekt jedoch um. Gedächtnis und Aufmerksamkeit verwirren sich.

Aus Affenversuchen ist bekannt, daß Ecstasy nach und nach die Hirnzellen zerstört, die für die Dopaminausschüttung verantwortlich sind. Sind 80 Prozent kaputt, entwickelt sich Parkinson. Ohne Dopamin kann das Gehirn die Feinmotorik der Hände und des Gehens nicht mehr steuern – es entwickelt sich das bekannte Gliederzittern der Erkrankten. Allerdings – der im Tierversuch entdeckte Zusammenhang ist noch nie beim Menschen beobachtet worden. Obwohl die Droge seit 20 Jahren im Umlauf ist und jedes Wochenende Millionen von Pillen geschluckt werden.

Die einzigen schweren Folgen von Ecstasykonsum, die bisher bekannt sind, betreffen seit Mitte der 80er Jahre knapp 20 Jugendliche. Sie haben sich zu Tode getanzt. Da Ecstasy die Regelung der Körpertemperatur beeinträchtigt und zugleich angeregte Stimmung erzeugt, haben sie ihren Körper in Dauerbewegung auf über 42 Grad erhitzt und die Warnzeichen nicht wahrgenommen. Diagnose: Tod durch Herzversagen.

Es gilt die alte Apothekerweisheit: Auf die Dosierung kommt es an. Was in hohen Dosen schadet, kann in geringen Dosen nützen. An der Universität Manchester fanden Ärzte heraus, daß Ecstasy den Parkinson-Patienten – also Personen, die die Krankheit schon haben – helfen kann, die Kontrolle über ihren zitternden Körper wiederzuerlangen. Bislang ersetzt das Medikament L-Dopa das fehlende Dopamin der Patienten. L-Dopa zieht jedoch nach einiger Zeit schwere Nebenwirkungen nach sich: der Patient verliert gänzlich die Kontrolle über seine Bewegungsabläufe. Gibt man L-Dopa nun zusammen mit Ecstasy, erlangt er die Herrschaft über seine Muskulatur zurück. Wie stabil dieser Effekt ist und ob durch Ecstasy nicht neue Probleme auftauchen, muß aber noch überprüft werden.

April 2003 © by www.berlinx.de

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