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Nicht nur Schokolade, auch Küsse bereiten Frauen mehr Vergnügen als Sex. Für viele Männer ist der Kuß dagegen nur eine Zwischenstation, um die völlige Hingabe der Geliebten zu erlangen. Wahre Genießer freilich wissen die Kunst der Lippenspiele zu schätzen und beherrschen die ganze Bandbreite vom Hand- bis zum Zungenkuß. EGO-Net bericht

Bis heute ist sein Ursprung umstritten. Verhaltensbiologen vermuten, daß sich der Kuß aus der Futterübergabe beim Balztanz entwickelt hat. Mit einer symbolischen Fütterung von Schnabel zu Schnabel laden viele Männchen im Tierreich Weibchen zum gemeinsamen Nestbau ein. Weit hergeholt? Keineswegs. Noch die alten Ägypter bezeichneten die Wörter „essen“ und „küssen“ mit denselben Schriftzeichen. Sigmund Freud sah im Kuß ein Überbleibsel der Kindheit – eine unbewußte Rückerinnerung an das Saugen an der Mutterbrust.

Eine lustvollere These über den Ursprung des Lippenkontakts vertritt die Bremer Kulturwissenschaftlerin Ingelore Ebberfeld. Sie glaubt an einen Zusammenhang von Geruch und Küssen. Unsere Vorfahren beschnüffelten und beleckten einander am Hinterteil, um die sexuelle Bereitschaft zu erkunden. Mit dem aufrechten Gang verlagerte sich die Kontaktzone zum Mund. Nur so sei zu erklären, warum der Kuß in so vielen Kulturen, die sich unabhängig voneinander entwickelten, unter einem öffentlichen Tabu steht. Und das nicht nur im konservativen Islam.

Auch manches hochentwickelte Industrieland verhält sich gegenüber Küssen noch äußerst prüde. In Japan zeugen öffentliche Mund-zu-Mund-Kontakte von mangelndem Benehmen und fehlender Selbstbeherrschung. Ähnlich in einigen Teilen Italiens und in der Türkei. Einige Gruppen von Jugendlichen erproben die Zurschaustellung der Zuneigung als Protest gegen den traditionellen Konformismus. In den USA haben manche Städte merkwürdige Verordnungen gegen Küsse erlassen. Die einen verbieten Küsse mit Bartträgern, andere setzen ein Zeitlimit von einer Sekunde und in Hartford im Bundesstaat Connecticut herrscht ein Sonntagskußverbot.

Insbesondere der Zungenkuß ist eine Art symbolischer Sex. Das beweisen die Körperreaktionen beim Knutschen. Das Gehirn schüttet vermehrt Glückshormone aus, der Puls beschleunigt sich bis auf 150 Schläge pro Minute, auch der Blutdruck treibt nach oben. Küssen kann daher süchtig machen, aber es ist eine gesunde Sucht. Alle Gesichtsmuskeln geraten in Aktion. Kein Wunder, daß Vielküsser vor früher Faltenbildung bewahrt bleiben, jünger wirken und wie eine US-Studie zeigt, sogar bis zu fünf Jahre älter werden als Nichtküsser. Außerdem baut Küssen nachweisbar Streß ab. Wir fühlen uns ausgeglichener und gelöster. Das ist sogar statistisch nachweisbar. Frisch Geküßte bauen weniger Unfälle im Straßenverkehr.

Aber ist Küssen nicht unhygienisch? Überträgt Bakterien und andere Erreger? Das Gegenteil ist der Fall. Beim Küssen produzieren wir mehr Speichel, der reinigt die Zähne und entzieht so möglichen Erregern die Nahrungsgrundlage. Und Küssen fällt unter die Kategorie Safer Sex. Eine Übertragung des AIDS-Virus von Mund zu Mund ist nach heutigem Wissen so gut wie ausgeschlossen. Selbst wenn Sie heiklere Körperteile küssen – auch Oralverkehr gilt laut Angaben der Ärzte als unbedenklich.

Deutsche küssen rund dreimal am Tag – das meiste davon sind flüchtige Freundschaftsküsse. Auch Ehe und andere Formen der Gewöhnung senken die Kußfrequenz und -dauer. Schade eigentlich. Da ein leidenschaftlicher Kuß 64 Kalorien verbraucht, könnten zehn solche Knutscher eine Stunde Jogging ersetzen. Freilich gibt es Völker, die gar nicht küssen. Eskimos und einige Südseevölker reiben nur die Nasen aneinander oder belassen es bei zartem Wimpernknabbern. Im Burma legt man die Wangen aneinander.

In den nächsten Monaten wird die Kußfrequenz wieder ansteigen – zumindest in den Karnevalsregionen. Vergessen Sie nicht: der Kuß ist zwar gesund, aber auch eine Versuchung mehr zu wagen. Der altrömische Dichter Ovid sprach schon vor zweitausend Jahren in seiner „Liebeskunst“ Klartext:
Wer erst Küsse nahm und das übrige nicht,
verdient auch das, was ihm gegeben wurde, zu verlieren.

Literatur:
Ingelore Ebbingfeld: Küss mich. Eine unterhaltsame Geschichte wollüstiger Küsse. Ulrike Helmer Verlag, Königstein/Taunus 2001.

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