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Männer baggern, Frauen wählen kri­tisch unter den Be­werbern. Das ist die klassi­sche Rollen­vertei­lung seit Tausenden von Jahren. Doch stimmt dieses Muster in jedem Fall? Eine neue Studie sagt: Es kommt auf die Um­stände an.

Freitag Nachmittag. Soeben ver­lässt der ICE nach Ber­lin den Mün­chener Haupt­bahn­hof. Ein Mann An­fang drei­ßig be­tritt das Abteil. „Ist hier noch frei?“ fragt er die Studentin, die in Fahrt­richtung am Fenster sitzt. Sie nickt. Mit der Frage „Auch auf dem Weg nach Hause?“ versucht er, ein Gespräch in Gang zu bringen.

Wird sie in einen Smalltalk einsteigen? Und ihm am Ende gar ihre Telefon­nummer geben? Wenn er beim Plaudern einen intelligenten Eindruck macht – vielleicht. Aber da sie jedes Wochenende diese Strecke fährt, kann sie auch weiter abwarten. Der Typ da wirkt recht nett, überlegt sie, aber es fehlt das Kribbeln im Bauch. Sie vermisst den intuitiven Blitzschlag: Der und kein anderer! Da wird sie wohl weiter abwarten. Bis eines Tages der Richtige einsteigt.

Beide halten sich an das klassische Muster: Er bemüht sich um sie, sie hält ihn mit kritischem Blick auf Abstand. Hat ein halbes Jahrhundert Emanzipation nichts am Rollenschema geändert? Durchaus. Es hat einen Graben zwischen bewusster Überzeugung und unbewussten Verhaltensmuster aufgerissen. Das zeigen Studien über Speed-Datings. Das sind organisierte Flirttreffen, bei denen mehrere Männer und Frauen einander je fünf Minuten kennenlernen. Am Ende entscheiden sie, wen sie wiedersehen möchten und wen nicht.

Fragt man die Teilnehmer vorher nach ihren Erwartungen, ergibt sich folgendes Bild. Männer behaupten, sie suchten eine Partnerin, die ihnen in Bildung, Aussehen und Status ebenbürtig ist. In der Tat ist das Prinzip „Gleich und gleich gesellt sich gern“ eine gute Voraussetzung für eine gelingende Ehe. Auch die Frauen sagten, sie suchen einen ebenbürtigen Mann – nicht einen, zu dem sie aufschauen werden.

Beim anschließenden Speed-Dating verhielten sich beide Geschlechter aber ganz anders. Sie folgten nicht ihren modernen Ansichten, sondern althergebrachten Mustern. Die Männer achteten fast nur auf das Aussehen. Was die Frauen über sich erzählten, spielte praktisch keine Rolle. Umgekehrt wählten die Frauen häufiger Männer für ein zweites Treffen, die sich im Gespräch als fürsorglich und beruflich erfolgreich darstellten. Erfolgreicher als sie selbst waren.

Das wichtigste Ergebnis aber war: Frauen sind wählerischer als Männer. Während die Männer bereit waren, jede zweite Frau wiederzusehen, konnten sich die Frauen nur mit jedem dritten Mann ein Wiedersehen vorstellen.

Doch eine neue Studie korrigiert dieses Bild. Beim Speed-Dating waren es bisher die Männer, die am Ende des 5-Minuten-Smalltalks aufstehen und zum nächsten Tisch wechseln. Dieses Ritual unterstreicht die Höflichkeit des ritterlichen Mannes. Der Kavalier nimmt die körperliche Mühe auf sich, die Dame darf ihren Platz behalten. Die beiden US-amerikanischen Psychologen Eli Finkel und Paul Eastwick von der Northwestern University in Evanston setzten diesen Ablauf probeweise außer Kraft.

Sie organisierten Speed-Datings, bei denen die Männer am Tisch blieben und die Frauen zum nächsten Platz wechselten. Und tatsächlich – jetzt änderten sich die Zahlen. Am Ende waren nun die Männer in nur noch 43 Prozent der Fälle bereit, die Frauen wiederzusehen. Die Frauen wollten jedoch 45 Prozent der Männer wiedersehen. Wo waren die wählerischen Frauen geblieben?

Wie kann diese kleine Änderung des Ablaufs das Interesse der Teilnehmer an potentiellen Partner beeinflussen? Dafür bieten sich mehrere Erklärungen an. Zunächst könnte die Wahrnehmung eine Rolle spielen. Die Männer nehmen die körperliche Attraktivität der Frauen besser wahr, wenn sie umherwandern. Auch die Annäherung spielt eine Rolle. Sie wirkt körpersprachlich wie das Bekunden von Interesse. Wir finden Menschen sympathisch, die Zeichen von Interesse für uns zeigen.

Das Entscheidende aber ist: Das Ritual des Speed-Datings erzeugt subtile Dominanz­verhältnisse. Wer den Platz behalten darf, befindet sich in der Chefposition. Es ist „sein“ Platz. Wer hinzutritt, befindet sich in der Position eines Bewerbers. Genauso wie bei einem beruflichen Bewerbungsgespräch. Wie dort ist der „Chef“ in der Luxusposition, sich unter mehreren Bewerbern einen aussuchen zu dürfen. Während der Bewerber froh ist, wenn er akzeptiert wird.

Denken Sie an unser Ausgangsbeispiel, die Heimfahrt im ICE. Tauschen wir einmal in Gedanken die Rollen. Der Mann sitzt bereits im Zug. Diesmal tritt die Frau in das Abteil, und fragt, ob der Platz noch frei ist. Nun ist er in der komfortablen Lage, „Ja, bitte“ zu sagen. Das ist, als ob er ihr eine Bitte erfüllt. Eine Einladung ausspricht, sich zu ihm zu setzen. Nicht er ist der Eindringling, sondern sie. Sie ist erleichtert, dass er sie akzeptiert und ihr eine weitere Platzsuche erspart. Sie wird ihn kaum mit Schweigen strafen können, wenn er jetzt – als „Gastgeber“ – eine Unterhaltung anfängt.

 

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veröffentlicht im Juli 2009 © by www.berlinx.de

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