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Von Nocebo bis Valins

In den Teilen Eins und Zwei unseres Artikels lernten Sie Effekte von A bis N kennen. Heute schließen wir ab mit dem Rest des Alphabets.

17 Nocebo-Effekt. Habe ich den Eindruck, dass meine Umgebung mir schadet, so wird es mir mit etwa 30 Prozent Wahr­schein­lich­keit tatsächlich bald schlechter gehen. Glaube ich, dass Strom- und Handymasten Elektrosmog abstrahlen, könnte ich tatsächlich ein unangenehmes Kribbeln spüren, sobald ich daran vorbeigehe. „Nocebo“ heißt lateinisch „Ich werde schaden“. Der Effekt ist die Umkehrung des Placebo-Effekts (siehe 19).

18 Ovsiankina-Effekt. Wer ein Ziel verfolgt und bei der Tätigkeit unterbrochen wird, ist bereit, diese Tätigkeit sobald wie möglich aus eigenem Antrieb fortzusetzen. Wer bei seinem Tun kein Ziel verfolgt, lässt nach einer Unterbrechung die Sache oft für immer ruhen. Dieser Effekt ist nach der Forscherin benannt, die ihn 1928 entdeckte. Inzwischen haben zahlreiche Studien bestätigt, wie wichtig es für die eigene Motivation ist, sich Ziele zu setzen.

19 Placebo-Effekt. Der Eindruck, dass eine medizinische Behandlung mich heilen wird, reicht mit rund 30 Prozent Wahrscheinlichkeit aus, um eine Besserung der Symptome auszulösen. „Placebo“ heißt auf Latein „Ich werde gefallen“. Wegen dieses Effekts können Tabletten aus Zucker und Mehl Schmerzen verschwinden lassen. Er macht medizinische Studien teuer, weil ein nützliches Medikament eine Wirkung über den Placebo-Effekt hinaus beweisen muss. Damit der Effekt wirkt, muss man nicht an die Heilung glauben. Es genügt ein seriöser Herr im weißen Kittel, eine Klinik­umgebung und ein Präparat, dass wir ein echtes Medikament aussieht. Und schon fühlt sich unser Unter­bewusstsein auf Selbst­heilung programmiert.

20 Rosenthal-Effekt. Ein Forscher dieses Namens gab 1965 Lehrern  eine Liste der Intelligenz­werte ihrer neuen Schüler. Und tatsächlich: Die Schüler mit den besten Intelligenz­werten hatten am Jahresende auch die besten Noten. Was die Lehrer nicht wussten: Die Liste war ein Phantasie­produkt, die IQ-Werte waren frei erfunden. Die Lehrer übertrugen ihren Glauben oder Nicht-Glauben an die Leistungs­fähigkeit auf ihre Schüler. Der Rosenthal-Effekt ist damit eine Form der selbster­füllenden Prophe­zeiung. Inzwischen wurde er auch in anderen  Kontexten nachgewiesen.

21 Schläfer-Effekt. Eine neue Information vergessen wir mit der Zeit. Zuerst vergessen wir die Quelle – also woher wir das Wissen haben. Diesen Effekt macht sich die Werbung zunutze. Sie behauptet, dass wir ihr Produkt brauchen und Nutzen aus ihm ziehen werden. Natürlich halten wir das für unglaub­würdig. Nach einigen Wochen erinnern wir uns zwar an das Produkt und seine (angebliche) Nützlichkeit – aber wer hat uns das gesagt? Stoßen wir nun erneut auf die Werbung, sind wir eher geneigt, ihr zu vertrauen. Schließlich hat uns vor einiger Zeit schon mal jemand das gleiche gesagt. Wir wissen bloß nicht mehr, wer.

22 Streisand-Effekt. Der Versuch, eine unliebsame Information zu unterdrücken, zieht erst recht die Aufmerksamkeit an. Diese Erfahrung musste 2003 die Sängerin Barbra Streisand machen. Sie verklagte eine Webseite, die eine Aufnahme ihres Hauses zeigte. die Medien berichteten über ihre Klage. Mit der Folge, dass sich nun erst recht alle Welt dafür interessierte, wo ihr Haus steht. Politiker und andere Prominente werden auch bei uns immer wieder Opfer ihres Dranges, sich in den Medien zu rechtfertigen.

23 Werther-Effekt. In Goethes erstem Roman brachte sich am Ende der Hauptheld Werther um. Das Buch wurde ein Best­seller. Werther fand viele Nachahmer, also junge Männer, die sich wegen einer unglück­lichen Liebe töteten. Auch heute noch lassen Medien­meldungen über Verzweiflungs­taten kurzfristig die Selbstmord­raten ansteigen.

24 Valins-Effekt. Woran erkennen Sie, ob Sie innerlich ruhig sind oder Ihre Gefühle gerade mit Ihnen Achter­bahn fahren? Der Forscher Stuart Valins fand 1966 im Experiment eine verblüffende Erklärung. Wir müssen nicht wirklich erregt sein, um an starke Gefühle in uns glauben. Es genügt, uns über Kopf­hörer ein starkes Herz­klopfen vorzuspielen und schon meinen wir, mächtig auf­geregt zu sein. Nicht nur bei anderen, sondern auch bei uns selbst schließen wir von äußeren Symptomen auf das innere Seelen­leben.

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veröffentlicht im April 2014 © by www.berlinx.de

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