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Von Korruption bis Nimbus

Im ersten Teil erfuhren Sie, was ein IKEA- oder ein Dorfvenus-Effekt ist. Heute erklären wir Ihnen acht weitere Faktoren, die unser Seelenleben bestimmen.

Wir Menschen wären gerne Herr des eigenen Denkens und Fühlens. Doch unser Seelen­leben wird von der Struktur unseres Gehirns und zahlreichen Umwelt­faktoren beeinflusst, deren Wirkung wir uns nur selten klar machen. Zum Beispiel:

9 Korruptions-Effekt. Kleine Kinder helfen aus eigenem Antrieb. Zum Beispiel, wenn ein Erwachsener einen Bleistift unter einen niedrigen Tisch fallen lässt. Das Kind sieht, dass er nicht an den Stift heran­kommt, heben ihn auf und reichen ihn hoch. Das Kind erwartet keine Belohnung. Gibt der Erwachsene ihm trotzdem ein Stück Schokolade, hofft das Kind auch bei seiner nächsten Hilfs­aktion auf so eine Süßigkeit. Einige Male später hilft das Kind nur noch, wenn es eine Belohnung bekommt. Die ursprüng­liche innere Bereitschaft ist durch einen äußeren Motivator ersetzt worden. Dieser Effekt findet sich auch in der Arbeits­welt. Ein Mitarbeiter half ursprünglich aus Kollegialität – aber nachdem er dafür bezahlt wurde, möchte er in Zukunft vorher wissen, wie viel Geld dabei herausspringt.

10 Matilda-Effekt. Frauen traute man in der Geschichte lange Zeit keine hohen Intelligenz­leistungen zu. Das führte dazu, dass Frauen weniger Chancen hatten, Bildung und öffentliche Erfolge zu erlangen. Und wo sie sich doch etwas leisteten, ernteten oft Männer allein die Lorbeeren. Otto Hahn erhielt zum Beispiel den Nobelpreis für seine Entdeckung der Atomspaltung, nicht aber seine Mit­entdeckerin Lise Meitner. Den Namen erhielt dieser Effekt nach der Frauen­rechtlerin Matilda Gage, die Ende des 19. Jahrhunderts als erstes darüber schrieb.

11 Matthäus-Effekt. Im Matthäus-Evangelium steht „„Denn wer da hat, dem wird gegeben …wer aber nicht hat, dem wird auch das genommen, was er hat.“ Wer schon eine Million hat, kann leichter eine zweite Million erwerben als ein Durchschnitts­verdiener. Der Grund ist einfach: Wer eine Million in Aktien anlegt und zehn Prozent Gewinn pro Jahr erzielt, bekommt jedes Jahr 100 000 Euro dazu. Wer nur tausend Euro anlegen kann, vermehrt sein Geld nur um hundert Euro. Ähnlich sieht es auch auf andere Gebieten aus: Wer schon Erfolg hat, kann aufgrund seiner Berühmtheit leichter weitere Erfolge einheimsen. Umgekehrt haben es die Benach­teiligten besonders schwer, einen Platz an der Sonne zu ergattern (siehe Matilda-Effekt im vorigen Absatz).

12 McGurk­-Effekt. Der lustige Name lässt an Fast Food denken, aber weit gefehlt! Harry McGurk entdeckte als Psychologe wie unsere Augen unseren Hör­eindruck verfälschen. Zum Beispiel beim Lippen­lesen. Je nachdem, was die Lippen­bewegung uns scheinbar anzeigt, hören wir aus dem gespro­chenen Wort leicht etwas anderes heraus. Der Grund: Unser Gehirn versucht die Seh- und Hör­eindrücke in Überein­stimmung zu bringen. Deshalb verstehen wir in einem schlecht synchronisierten Film den Text besser, wenn wir den Schau­spielern nicht so genau auf den Mund schauen.

13 Medien-Effekt. Als Fernseh­zuschauer beurteilen wir Ereignisse und Personen so, wie sie im TV dargestellt werden, das heißt vereinfacht und vergröbert. Wir beachten nicht, dass die meisten Prominenten sich vor der Kamera anders verhalten als im Privat­leben. Außerdem glauben wir, dass die Ereignisse, von denen im Fernsehen berichtet wird, tatsächlich die wichtigsten Ereignisse auf der Welt sind. Was im Fernsehen nicht vorkommt, ist nicht geschehen. Oder zumindest bedeutungslos. Wirklich?

14 Mitläufer-Effekt. Auch gern als Herden­trieb bezeichnet. Die meisten Menschen schlagen sich gern auch die Seite der Gewinner. Das übliche oder erfolgreiche Verhalten scheint automatisch auch das richtige Verhalten zu sein. Deswegen kaufen wir überteuerte Aktien und wundern uns, wenn die Kurse plötzlich abstürzen. Wir glauben, ein Produkt sei gut, nur weil es von vielen gekauft wird – aber die haben es auch nur gekauft, weil es viele kauften. Werbefilme führen uns deshalb gern zufriedene Kunden vor, die in Wahrheit dafür gut bezahlt werden.

15 Mozart-Effekt. Verbessert eine frühe musikalische Ausbildung die räumliche Intelligenz? Diese Behauptung stellte eine Studie von 1993 auf. Spätere Studien fanden nur geringe oder gar keine Effekte. Dennoch scheint es günstig, wenn ein Kind früh ein Instrument erlernt. Studien haben positive Effekte auf das Sprach­verständnis und sogar auf die Lebens­erwartung aufgezeigt.

16 Nimbus-Effekt. Ob wir einen Fremden sympathisch finden, entscheiden wir in Bruchteilen einer Sekunde. Beinahe ebenso schnell bilden wir uns ein Urteil über seine Intelligenz, seine Herkunft und sogar Charakter­eigenschaften. Das können wir nur, weil wir von wenigen Teilaspekten auf das Ganze schließen. „Nimbus“ steht lateinisch für Heiligenschein. An diesem einen Merkmal sollte man einst Heilige von Sündern unterscheiden. Heute entscheiden wir eher anhand von Aussehen und Lächeln, ob wir eine neue Bekanntschaft für lohnens­wert halten oder nicht.

zum Teil 3 >>>.

veröffentlicht im März 2014 © by www.berlinx.de

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