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Körpersprache in der Rhetorik

Ihr Vortrag ist fertig – wenn da nicht der Auftritt selbst wäre. Wenn hundert Augen auf Sie gerichtet sind – wie werden Sie die Blicke ertragen? Wie sich locker bewegen? Und wohin noch mal mit den Händen? Egonet weiß die Antworten.

Wer auf einer Party mit zwei Fremden ins Gespräch kommt, hat meist keine Probleme, sich ungezwungen zu bewegen. Schwierig wird es erst, wenn man allein vor einem größeren Publikum steht. Die Ursache ist in der Evolution zu suchen. Der Mensch entwickelte sich in der Großfamilie. Das waren kleine, überschaubare Gruppen von höchstens zwanzig Leuten. An solche Verhältnisse ist unser Verhalten angepasst.

Der Auftritt vor einem großen Publikum ist – biologisch gesehen – unnatürlich. Deswegen fühlen Sie sich unwohl. Sie können nicht alle im Blick haben, aber alle haben Sie im Blick. Es herrscht ein Abstand zwischen Sprecher und Hörern, der zwangloses Plaudern unmöglich macht. Der Auftritt wird steif und förmlich – es sei denn, Sie wissen, wie man die Distanz geschickt überbrückt.

Das entscheidende Geheimnis erfolgreichen Redens lautet: Sprechen Sie zu den hundert Leuten so, als würden Sie mit drei guten Freunden plaudern! Das bedeutet unter anderem:

  • Lesen Sie kein Schriftdeutsch ab, verwenden Sie gesprochene Umgangssprache!
  • Keine ausformulierten Manuskripte, reden Sie frei nach Stichworten!
  • Keine monotone, salbungsvolle oder sonst unnatürliche Sprechweise! Lassen Sie Ihre Gefühle durchklingen, wie beim Smalltalk mit einem Nachbarn.
  • Verstecken Sie sich nicht hinter einem Rednerpult, klammern Sie sich nicht an seinen Rändern fest. „Frei“ reden heißt auch: Ohne Blickbarrieren vor die Leute zu treten.
  • Schauen Sie nicht dauernd an die Decke, auf den Boden oder ins Manuskript. Blicken Sie Ihre Zuhörer einen nach dem andern an.

    Innerhalb der ersten Sekunden entscheiden die Zuhörer, was für ein Typ da vorne spricht. Sie vermitteln einen optimalen Eindruck, wenn Sie

  • Rasch und ohne Zögern nach vorn schreiten
  • Von der ersten Sekunde an Ihrem Publikum in die Augen schauen
  • Freundlich lächeln, ihnen zunicken und nach spätestens drei Sekunden die Leute begrüßen.

Wer sich hinter einem Pult versteckt und die ganze Zeit in den Text schaut, bricht körpersprachlich den Kontakt zum Publikum ab. Er redet mit seinem Mansukript. Die Zuhörer fühlen sich allein gelassen. Falls Sie jedoch nach Stichpunkten sprechen, haben Sie es einfach. Sie schauen abwechselnd auf Ihre Notizen und dann wieder in die Augen der Leute. Suchen Sie vor allem den Blick von Zuhörern, die Sie freundlich anschauen und zustimmend nicken. Das gibt Ihnen Auftrieb.

Bleibt die Frage aus der Überschrift: Wohin mit den Händen? Wer zum ersten Mal allein vor mehr als zwei Dutzend Personen steht, kennt dieses unsichere Gefühl. Man hat auf einmal zuviel Körper. Man benötigt als Redner seine Stimme – doch wohin mit dem Rest?

Kein Wunder, dass sich viele an ihr Rednerpult klammern. Es vermittelt ihnen ein Gefühl der Sicherheit. Nur das Publikum ist nicht erfreut. Was dann? Eine Möglichkeit wäre, freistehend mit beiden Händen das Manuskript zu halten. Wer das versucht, wird feststellen: Es ist unmöglich, die Blätter zu halten ohne zu zittern. Und je nervöser Sie sind, desto mehr nimmt das Zittern zu. Was Ihre Nervosität weiter steigert.

Erstaunlicherweise bringen es nur wenige Menschen fertig, ihre Arme einfach locker am Körper herunterhängen zu lassen. Ohne weiter etwas mit ihnen zu unternehmen. Dabei ist das die einfachste und zugleich natürlichste Haltung. Probieren Sie es aus! Beim ersten Mal werden Sie sich unsicher fühlen. Aber wenn Sie diese Position zwei, drei Mal durchgehalten haben – und das Publikum nichts Unnatürliches dabei fand – werden Sie sich rasch daran gewöhnen.

Und Ihre Notizen? Die ideale Variante können Sie bei Talkmastern im Fernsehen beobachten. Sie haben Ihre Stichworte auf Karten notiert, die Sie lässig in der Hand halten können, egal, wo Ihre Arme sich gerade befinden. Eine andere Variante: Legen Sie Ihre Stichworte neben sich auf das Pult oder einen Tisch. Werfen Sie beim Reden einen kurzen Blick darauf, wenn Sie nicht mehr weiter wissen. Das geht natürlich nur, wenn Sie nicht öfter als einmal in der Minute ein neues Stichwort benötigen.

Die locker hängenden Arme bieten Ihnen beim Reden einen weiteren Vorteil vor allen anderen Varianten: Sie stehen Ihnen zum Gestikulieren zur Verfügung. Sie können spontan die Hände heben, um Ihre Worte zu unterstreichen oder zu veranschaulichen.

Manche Redner verschränken die Hände auf dem Rücken, vor der Brust oder vor dem Geschlecht. Einige stecken eine oder beide Hände in die Hosentaschen. Falls Sie das gelegentlich machen – kein Problem. Anders ist die Lage, wenn der Redner immer die Hände in so einer Position hält. Dann verrät die Haltung Unsicherheit. Man klammert sich an sich selbst fest. Das Publikum registriert diese Sonderhaltung und beginnt zu tuscheln. Im besten Fall bewertet es sie als spezielle Marotte des Redners. Schlimmstenfalls achtet es nur noch auf die Hände statt auf den Vortrag.

Daraus ergibt sich ein weiterer Vorteil der natürlichen Armhaltung. Sie lenkt nicht ab. Die Zuhörer bemerken sie kaum. Sie achten auf Ihre Worte. Ihre interessanten Darlegungen lassen sie die Details Ihres Auftretens vergessen. Sie wirken einfach sympathisch und ungezwungen.

Unsere Lesetipps:

Der tote Fisch in der Hand und andere Geheimnisse der Koerpersprache von Allan Pease, Barbara Pease

Alles über Körpersprache. Sich selbst und andere besser verstehen von Samy Molcho

Egonet Artikel: Körpersprache (III) – Mimik, Gestik, Blick:
Die geheime Botschaft unserer Bewegungen

Veröffentlicht im September 2006 © by www.berlinx.de

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