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Männer sind kopflastig, Frauen hören mehr auf ihr Herz –nur ein Vorurteil?
In früheren Beiträgen unserer Serie zeigten wir, warum Frauen tatsächlich stärker auf Intuition und Gefühl achten. Doch jetzt zeigte die Wissenschaft: das Vorurteil trifft auch im wörtlichen Sinne zu.

Gehen Sie in einen Seniorenklub und zählen Sie die anwesenden Männer und Frauen. Je höher das Durchschnittsalter, desto mehr überwiegen die Frauen. Wir alle wissen, Frauen werden im Mittel sechs Jahre älter. Über die Gründe hat die Wissenschaft bis in jüngste Zeit gerätselt. Einige ihrer Antworten stellten wir in Teil 14 und Teil 38 unserer Serie vor.

Ein Großteil der höheren männlichen Sterberate ist auf Herzinfarkte zurückzuführen. Männer erkranken häufiger und in jüngeren Jahren daran. Eine übliche Erklärung verweist auf das Östrogen. Die weiblichen Geschlechtshormone schützen die Herzen der Frauen bis zum Ende der Wechseljahre vor den Folgen eine ungesunden Lebensweise. Sie verhindern die Zerstörung der Wände der Blutgefäße. Forscher der Universität Michigan (USA) zeigten in einem Test, dass männliche Ratten doppelt so oft geschädigte Gefäßwände aufwiesen. Verabreichten sie ihnen weibliche Hormone, gingen die Schädigungen zurück.

Aber kann dieser Unterschied die sechs Jahre höheren Lebenserwartung der Frauen erklären? Dann müsste der Unterschied – da er biologisch verursacht ist – zu allen Zeiten und in allen Kulturen gleich groß sein. Forscher der Universität Bristol in Großbritannien überprüften 2001 die Statistiken. Dabei zeigte sich, dass Männer ab Anfang bis Mitte des 20. Jahrhunderts immer häufiger an Herzkrankheiten starben. In den frühen 70er Jahren erreichte ihr Anteil an Herztoten einen Gipfelpunkt. Bei Frauen dagegen blieb die Rate von Herzkrankheiten nahezu unverändert.

Nach der Statistik scheint die Lebensweise verantwortlich zu sein. Doch der Liverpooler Professor David Goldspink und seine Kollegen fanden eine Erklärung, die soziale und biologische Ursachen verbindet. Die Forscher testeten zwei Jahre lang die Herzleistung von 250 gesunden Männern und Frauen zwischen 18 und 80. Sie fanden, dass bei Männern bis zum Rentenalter die Pumpleistung des Herzens um 25 Prozent abnimmt. Bei Frauen bleibt sie dagegen fast vollständig erhalten.

Das männliche Herz ist biologisch an eine höhere Belastung angepasst, da Männer in der Urzeit als Jäger oft erhebliche körperliche Strapazen ertragen mussten. Mit der sitzenden Lebensweise der Gegenwart schrumpft der männliche Herzmuskel wegen mangelnder Beanspruchung. Männer kommen mit starkem Herzen zur Welt, doch ohne Training schrumpft es. Das erklärt die statistischen Schwankungen bei männlichen Herztoten im 20. Jahrhundert. In den Wirtschaftswunderjahren ersetzen Maschinen die schwere körperliche Arbeit. Von den 70er Jahren an setzte eine Gegenbewegung ein – die Fitnesswelle eroberte Europa und die USA.

Während Männer von körperlicher Arbeit entlastet wurden, änderte sich für Frauen wenig. Haushalt, Kinder und soziale Berufe mit mäßiger körperlicher Belastung (Krankenschwester, Sekretärin, Lehrerin) kennzeichneten im gesamten 20. Jahrhundert ihren Lebensstil. Die Ergebnisse der Liverpooler Forscher deuten darauf hin, dass Männer, die Sport treiben, auch eine ähnlich hohe Lebenserwartung wie Frauen erreichen. Zwar steigt die menschliche Lebenserwartung weiterhin pro Jahr um etwa drei Monate an, die Schere zwischen Männern und Frauen vergrößert sich jedoch nicht weiter.

Frauen holen in punkto Fitness auf, aber auch, was die ungesunde Lebensweise betrifft. So steigt seit Jahren die Zahl der Raucherinnen, während die Zahl rauchender Männer sinkt. Ähnlich sieht es bei Alkohol aus – insbesondere bei den heutigen Teenagern. Unsere Meldung, dass Frauen die stärkeren Herzen besitzen, könnte daher bald schon wieder veraltet sein.

Veröffentlicht im März 2005 © by www.berlinx.de

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