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Vertreiben Sie den Pleite­geier für immer

Lange Zeit waren Schul­den ein Tabu. Doch seit Schuld­ner­bera­ter im Fern­sehen ihre Dienste an­bieten und die Krise alle trifft, wagen es immer mehr Men­schen, über ihre Finanz­nöte zu reden. Egonet tut es auch.

Schulden sind nicht gleich Schulden. Die Reichen dieses Landes leisten sich oft „Verbind­lichkeiten“, um die Rückzahlungs­summen von ihrer hohen Steuer abzusetzen. Denn finanz­starke Schuldner bekommen Kredite zu günstigen Zinsen. Die sind niedriger als die Steuer­ersparnis bei Personen mit einem Spitzen­steuersatz. Nur wer es ohnehin schon schwer hat, muss auch höhere Zinsen berappen, um einen Kredit zu bekommen.

Überschuldete Haushalte stammen daher meist aus einkommens­schwachen Schichten. Zwei Drittel sind Arbeiter mit geringem Einkommen und Arbeitslose. Wie kommt die Schulden­spirale in Gang? Nur selten sind Konsumenten­kredite für Autos oder Möbel der Grund. Sondern ein kritisches unerwartetes Ereignis tritt ein, das die Finanz­planung über den Haufen wirft. Dazu gehören vor allem Scheidungen und ungeplante Kinder. Arbeitslosigkeit führt zur Schulden, wenn man sich auf ein Konsum­niveau eingelassen hat, das jeden Cent des Gehaltes verbraucht. Dann reicht das Arbeitslosen­geld nicht mehr. Eine Schulden­spirale nimmt ihren Anfang.

Kredite zur Anschaffung eines Autos sind so günstig, dass es gerade zu dumm erscheint, den Wagen bar zu bezahlen. Doch der Schein trügt. Wer bar bezahlt, kann in aller Regel einen ordentlichen Rabatt aushandeln. Dann ist der Kredit – aufgenommen auf den vollen Preis – teurer als gedacht. Was günstiger ist, ist von Fall zu Fall verschieden. Die entscheidende Frage lautet: Hätten Sie Ihren Wagen auch bar bezahlen können? Oder fehlte Ihnen das Geld? Wer dem verführerischen Werbemotto „Konsumiere heute, zahle später“ folgt, lebt riskant. Er lebt über seine Verhältnisse. Falls das Einkommen konstant bleibt oder steigt, wird alles gut gehen. Doch wenn ein privater Finanzcrash eintritt – durch Arbeitslosigkeit, Scheidung oder Alimentepflicht – beginn damit der Abstieg in die Insolvenz.

„Wer 100 Euro verdient, aber nur 99 ausgibt, ist reich. Wer 100 Euro verdient, aber 101 ausgibt, ist arm.“ Dieser bekannte Spruch zeigt, dass Armut etwas Relatives ist. Auch Millionäre können über ihre Verhältnisse leben und in Armut geraten. So ging es Michael Jackson. Erst sein Tod machte die Erben reich. Umgekehrt betrachten sich zahlreiche Rentner mit weniger als 1000 Euro im Monat als wohlhabend, weil sie nur 700 Euro ausgeben. Sie kennen keine Finanzsorgen.

Betrachten wir ein Beispiel. Lena ist Krankenschwester und 28 Jahre alt. Sie hat 1400 Euro netto. Sie klagt, dass sie mit ihrem Geld nicht auskommt. 700 Euro gehen für Miete und andere Fixkosten drauf. Dazu kommen 100 Euro für Zigaretten, 300 Euro für Essen und Haushalt. Die restliche 300 Euro fressen Kleidung, gelegentliches Ausgehen und Benzin. Geld für Urlaub fehlt. Ein neues Auto wäre fällig, aber woher nehmen und nicht stehlen?

Wie reagiert Lena? Erstens beschwert sie sich, dass sie als Krankenschwester unterbezahlt ist. Das stimmt, hilft ihr aber nicht weiter. Zweitens hofft sie auf den Märchenprinz, der ihr finanziell ein sorgenfreies Leben bietet. Ihr derzeitiger Partner verdient zwar nicht schlecht, doch er hat dasselbe Problem wie sie. Sein Einkommen reicht gerade so für ihn selbst. Sein Job im Baugewerbe ist im Gegensatz zu ihrem nicht krisensicher. Wenn er arbeitslos wird – was ihm schon zweimal passiert war – müsste Lena ihm unter die Arme greifen. So hatte sie sich das Leben mit ihrem Märchenprinz nicht vorgestellt.

Also ziehen sie zusammen. Da sparen beide je eine halbe Miete. Doch seltsam – Wohlstand stellt sich trotzdem nicht ein. Zuerst müssen Anschaffungen für die gemeinsame Wohnung bezahlt werden. Dann werden Freunde bewirtet, die das neue Domizil bewundern sollen. Und sie leisten sich einen gemeinsamen Urlaub. Lena kauft endlich ein neues Auto auf Kredit. Wenn er jetzt arbeitslos wird oder die Beziehung in die Brüche geht, reicht die dünne Finanzdecke nicht mehr.

Schon in den 1990er Jahren diente ein Viertel aller privaten Kredite nur dazu, alte Kredite abzuzahlen. Fragt man Leute wie Lena, wie viel Geld sie verdienen müssten, damit sie sorgenfrei leben können, nennen sie das Doppelte von der Summe, die sie im Moment bekommen. Das zeigt, dass Wohlstand relativ ist. Gäbe es eine objektive Grenze, müssten alle Befragten die gleiche Summe nennen!

Ist ein Leben am Schuldenlimit unausweichlich? Keineswegs. Doch die eigne Einstellung zu ändern, empfinden die meisten als schmerzlich. Zuzugeben, dass man über seine Verhältnisse lebt, kratzt an der persönlichen Ehre. Bin ich so wenig wert? Egonet nennt Ihnen die entscheidenden Punkte, um bei unverändertem Einkommen von Finanznot auf Überfluss umzuschwenken:

Vergleichen Sie sich nach unten statt nach oben. Die Medien berichten vom Leben der Reichen und Schönen. Sie wecken Sehnsüchte beim Zuschauer, es ihnen gleich zu tun. Ebenso heikel ist der Vergleich mit Nachbarn und Freunden: Wenn Jacqueline sich alle drei Jahre einen Mittelklassewagen leisten kann – wieso darf ich dann nicht den gleichen Anspruch haben? Orientieren Sie sich lieber an den Ärmeren. Wie wäre es, wenn Sie in Ihrem Beruf auf dem Niveau von Tschechien oder gar der Ukraine bezahlt würden? Was würden Sie sich dann leisten und was nicht?

Planen Sie pessimistisch. Die meisten geben ihr Monats­einkommen bis zum letzten Cent aus,  manche auch mehr. Planen Sie von vornherein so, dass noch 10 bis 20 Prozent übrig bleiben. Das bringt so viele Vorteile, dass der Verzicht sich lohnt:

  • Sie behalten Geld für größere Anschaffungen übrig.
  • Wenn aus unvorhergesehenen Gründen Ihr Einkommen sinkt (Krankheit und ähnliches), müssen Sie sich nicht einschränken.
  • Sie können Geld anlegen. Sie lassen Ihr Geld für sich arbeiten und ein zweites Einkommen erwirtschaften.

Überprüfen Sie Ihre Wohlstands­gewohnheiten. Was kosten Ihre Hobbys? Bücher müssen Sie nicht kaufen, wenn Sie sich in einer Bibliothek anmelden. Statt eines Fitnessclubs können Sie sich auch an einen Sportklub wenden, um zu trainieren. Statt mit Freunden in Restaurants auszugehen, bewirten Sie einander abwechselnd zu Hause. Das größte Einspar­potential bringen Ihre regel­mäßigen Ausgabe­posten.

Wehren Sie den Anfängen! Wenn Sie merken, dass Sie mit Ihrem Geld nicht mehr auskommen – keinesfalls nach „Prinzip Hoffnung“ Augen zu und durch! Ziehen Sie lieber einmal zu früh die Notbremse als zu spät. Denn wenn es schief gehen sollte und die Insolvenz droht, müssen Sie auf mehr als nur lieb gewordenen Kleinluxus verzichten. Statt nach Florida diesen Sommer nur nach Ibiza fliegen ist weniger schlimm, als für immer Urlaubsreisen entsagen zu müssen.

Bescheidenheit statt Finanzdiät. Jeden Cent zählen ist genauso frustrierend, wie jede Kalorie zählen bei Übergewicht. Wählen Sie von vornherein einen finanziell bescheidenen Lebensstil. Dann reicht das Geld, ohne dass Sie jede Ausgabe nachrechnen müssen.

Buchtipp:

Dieter Kerschkamp: Raus aus der Schuldenfalle: Knapp, konkret, kompetent. Moewig Verlag, € 7,95

Peter Zwegat, Liane Scholze: Raus aus der Schuldenfalle. Rowohlt Taschenbuch. € 8,95

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veröffentlicht im März 2010 © by www.berlinx.de

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