Die Lust am Missgeschick der anderen
Sie gilt als boshaft und unanständig – dennoch, wer von uns hat noch nie dem Schaden eines anderen seinen Spott hinzugefügt?
Stellen Sie sich folgende Situation vor. Sie treten bei strömendem Regen aus dem Haus und wollen gerade Ihren Schirm öffnen. Da rast ein Auto so dicht am Bordstein vor, dass Sie von oben bis unten nass gespritzt werden. Sie setzen gerade zu einem Fluch an, da gerät der Wagen des Rüpels auf der nassen Fahrbahn ins Schlingern und knallt frontal gegen einen Ampelmast. Ganz ehrlich, was ist da Ihr erster Gedanke? „Das geschieht ihm ganz recht!“
Edel ist das nicht, aber menschlich. Knapp achtzig Prozent der Deutschen geben zu, das Gefühl der Schadenfreude schon mindestens einmal genossen zu haben. Warum und unter welchen Umständen kommt das Vergnügen am Unglück anderer auf? Drei Motive sind entscheidend.
Ausgleichende Gerechtigkeit. Wer von uns ärgert sich nicht über Zeitgenossen, die ungestraft Vorteile für sich herausschlagen, sich vordrängeln und ihre Ellenbogen gebrauchen? Wir gönnen ihnen das Scheitern, weil es sie auf unser Maß zurechtstutzt.
Unterlegenheit. Wer benachteiligt wird, beneidet die Überlegenen, die scheinbar mühelos alle Hürden nehmen. Der Neid entlädt sich in Häme und Spott, wenn der Typ doch einmal stolpert. Die Schadenfreude entlastet die Seele von Ärger und Frust.
Antipathie. Ist der Mitmensch sympathisch, empfinden wir Mitgefühl, wenn ihm mal was daneben geht. Anders läuft es, wenn wir meinen, ein unsympathischer Mensch habe sein Missgeschick verdient. Schadenfreude empfinden wir vor allem gegenüber unfairen Zeitgenossen.
Schadenfreude finden wir häufiger
- bei jüngeren als bei älteren Menschen
- bei Männer, weniger bei Frauen
- bei Männer gegenüber Männern und Frauen gegenüber Frauen
Mit Schadenfreude lässt sich gut Geld verdienen. Comedians verbünden sich mit ihrem Publikum gegen Dritte. Sie verspotten zum Beispiel Leute, die öffentlich über Intimes telefonieren, die Deutsche Bahn und vor allem selbstverliebte Politiker.
Die Mächtigen, die lieber Banken retten als ehrliche Geringverdiener, ziehen leicht öffentliche Schadenfreude auf sich. Jede harmlose Bemerkung kann sich als Fettnäpfchen entpuppen. Wer sich eben noch als großer Strippenzieher feierte, ist im nächsten Moment schon millionenfachem Spott freigegeben.
Was tun, wenn Sie selbst Opfer der Schadenfreude Ihrer Mitmenschen werden? Lachen Sie mit! Üben Sie sich in Selbstironie. Wer hämisch über Sie herzieht, zeigt nur seine innere Unsicherheit: „Mensch, Meier, da haben Sie aber einen Bock geschossen!“ – „Wirklich? Und das ganz ohne Schusswaffe.“
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veröffentlicht im November 2012 © by www.berlinx.de
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