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Öffentlich reden – für die meisten von uns eine Horrorvorstellung. Ob bei einer privaten Feier, vor Kollegen oder in aller Öffentlichkeit: Egonet erklärt Ihnen in drei Beiträgen, wie Sie die Angst vor einer Blamage in einen mitreißenden Auftritt umwandeln.

In der Antike gehörte die Rhetorik zur Allgemeinbildung. Sie wurde an jeder Schule gelehrt. Männer wie Perikles, Demosthenes und Cicero erlangten allein durch Ihre Rednergabe Berühmtheit. In der Neuzeit kam sie in Verruf. Sie galt nun als Methode, die Wahrheit zu verdrehen. Noch heute nennen wir inhaltsleere Phrasen „rhetorische Floskeln“. Dennoch erlebt die Rhetorik seit zwanzig Jahren eine neue Blüte. Redner in Medien, Wirtschaft und Politik haben erkannt: Die Form des Auftritts ist oftmals wichtiger als sein Inhalt.

Die Rhetorik von heute hat mit dem antiken Vorbild nur noch wenig gemeinsam. Als es weder Zeitungen noch Fernsehen gab, übernahm die Rede alle Aufgaben der Medien. Außerdem unterschieden die alten Griechen noch nicht zwischen dem Inhalt und der Form der Rede. Für sie kam eine gelungene Rede automatisch der Wahrheit näher als eine misslungene. Im 21. Jahrhundert unterscheiden wir scharf zwischen der Wahrheit und ihrer rhetorischen Umhüllung. Die Griechen stellten in ihrer Rhetorik den logischen Aufbau in den Vordergrund. Die moderne Rhetorik ist dagegen vor allem von Erkenntnissen kommunikativer Psychologie geprägt – auch unsere folgenden Tipps.

Ob Ihr Auftritt eine Erfolg wird, ist in dem Moment, wo Sie die Bühne betreten, bereits entschieden. Je spontaner ein Auftritt wirkt, desto sorgfältiger wurde er vorbereitet. Schauen Sie sich die Harald-Schmidt-Show an. Wer ahnt schon, dass an seiner locker dahin geplauderten halben Stunde rund zwei Dutzend Autoren mitgewirkt haben? Auch Sie können mit einer lockeren Spontaneität Ihre Zuhörer begeistern. Sie dürfen sich nur nicht auf schlagfertige Einfälle während Ihres Auftrittes hoffen, sondern müssen Ihre Gags vorher erfinden und ihre Darbietung planen.

Eine gute Vorbereitung muss nicht aufwändig sein. Wichtiger ist, die folgenden Punkte zu berücksichtigen:

  • Leiden Sie unter Lampenfieber, wirken Sie unsicher, reden Sie monoton? Hier gilt: Übung macht den Meister. Je öfter Sie auftreten und erfahren, dass Sie niemand zur Schnecke macht, desto sicherer werden Sie mit der Zeit. Nutzen Sie jede Gelegenheit,, sich vor Menschen zu produzieren. Laden Sie ein paar Freunde ein und bitten Sie sie, die Rolle eine kritischen Publikums zu übernehmen. Ihre Freunde rufen Ihnen spontan ein schwieriges Thema zu, zu dem Sie fünf Minuten reden sollen. Wenn Sie diese Aufgabe fünf Mal bewältigt haben, werden Sie auch vor einem fremden Publikum bestehen.
  • Wie steht es um Ihre Körpersprache? Wissen Sie nicht, wohin mit den Händen? Üben Sie vor einem Ganzkörperspiegel. Sie werden merken: Sie können die Arme einfach locker am Körper herunter hängen lassen. Unterstreichen Sie wichtige Sätze mit Gesten, Je weiter Sie von den Zuhörern entfernt stehen, desto größer und gröber dürfen Ihre Gesten ausfallen. Suchen Sie sich im Publikum zwei, drei sympathische Personen heraus, auf die Sie immer wieder den Blick richten. Wer seine Zuhörer anblickt, wirkt sicher, wer nach unten oder starr auf sein Manuskript schaut, wirkt unsicher. Es gilt auch die Umkehrung. Je besser Ihr Blickkontakt mit den Leuten, desto selbstsicherer werden Sie.
  • Und Ihre Stimme? Reden Sie schnell, nervös und schrill. Sprechen Sie langsam und mit Pausen. Unerfahrene Redner glauben oft, bei einer Pause würde Ihr Publikum denken, Sie hätten den Faden verloren. Im Gegenteil! Pausen sind wirkungsvolle rhetorische Mittel. Sie wecken Aufmerksamkeit. Sie wirken wie ein Betonungszeichen vor einem besonders wichtigen Satz. Ein Redner, der öfter einige Sekunden innehält, wirkt nachdenklich und tief. Je langsamer Sie sprechen, desto tiefer und klangvoller wird Ihre Stimme.
  • Sie können Ihre Rede wortwörtlich ausarbeiten. Doch beim Auftritt sollten Sie auf jeden Fall frei nach Stichpunkten reden. Warum? Wer abliest, klebt oft mir den Augen am Text und rasselt seine Sätze wie eine Puppe mechanisch herunter. Gähnende Langeweile ist die Folge. Im Alltag entwickeln wir unsere Gedanken, während wir reden. Bei einem fertigen Text sind jedoch die Gedanken schon fertig. Die Zuhörer haben keine Gelegenheit mehr zu beobachten, wie der Sprecher seine Ideen entwickelt und langweilen sich daher. Einen fertigen Text so vorzutragen, als entständen die Sätze gerade erst im Kopf des Sprechers – dazu gehört schauspielerisches Können. Das wird Ihnen in der Aufregung nicht gelingen. Wenn Sie es nicht riskieren wollen, ohne fertigen Text hinters Pult zu treten: Markieren Sie die Stichpunkte im Text mit Farbstift. Lesen Sie beim Auftritt nur die ersten Sätze ab, dann aber reden Sie frei nach den markierten Wörtern. Nur wenn Sie steckenbleiben, lesen Sie ab.

Und der Text der Rede? Wie bereiten Sie den Inhalt vor?

  • Fangen Sie mit dem Ende an. Was ist Ihre Hauptaussage? Zu welcher Schlussfolgerung wollen Sie Ihr Publikum führen? Schreiben Sie sie auf! Welchen Gedankengang und welche Beispiel brauchen Sie, um Ihre Folgerung zu beweisen? Schreiben Sie in Stichpunkten den logischen Ablauf auf. Damit haben Sie die Gliederung Ihrer Rede.
  • Sammeln Sie nun den Stoff: Fakten, Zahlen, wissenschaftliche Studien, Zitate. Ordnen Sie diese den einzelnen Gliederungspunkten zu. Verwenden Sie nur, was dem beweis Ihrer Schlußfolgerung dient. Alles übrige streichen! Es würde nur ablenken und die Klarheit Ihrer Beweisführung vernebeln.
  • Überlegen Sie nun, in welchem Stil Sie reden werden. Alltagssprache, Fachsprache, künstlerisch, unterhaltsam, besinnlich? Der Stil hängt vom Anlass und dem Publikum ab. Mit folgenden einfachen Regeln – konsequent durchgeführt – erlangen Sie einen publikums­wirksamen Stil:
    * Jeden Schachtelsatz von mehr als zwei Zeilen Länge teilen Sie in zwei einfache Sätze.
    * Lange und fachsprachliche Wörter ersetzen Sie möglichst durch einfache Worte der Umgangssprache.
    * Abstrakte, unanschauliche Darlegungen ersetzen Sie durch anschauliche Beispiele.
    * Passivkonstruktionen wandeln Sie in aktive Verben um. (Statt „Es wurden 200 Leute entlassen“ sagen Sie „Das Management hat 200 Leute auf die Straße gesetzt“.)
  • Jetzt schreiben Sie Ihre Rede auf – entweder wörtlich oder in nur in den Stichpunkten, nach denen Sie frei sprechen. An den Anfang gehört ein Aufmerksamkeitsfänger: eine Anekdote, ein Beispiel, das das Publikum aus eigener Anschauung kennt, oder eine Problemfrage, auf die Sie eine Antwort versprechen. Außerdem sagen Sie in der Einleitung, was Sie zeigen wollen, wie Sie vorgehen werden und geben eine kurze Inhaltsübersicht. Letzteres ist wichtig, damit Ihre Zuhörer immer wissen, wie weit Sie gekommen sind. Nichts ist unangenehmer als ein Redner, der scheinbar zum Ende kommt und plötzlich sagt: „Nun komme ich zum Hauptpunkt.“
  • In den Hauptteil gehört Ihre Beweisführung. Jeden Punkt Ihrer Argumentation gliedern Sie folgendermaßen:
    * Sie wecken mit einem Beispiel oder einer Problemfrage Interesse.
    * Sie nennen Ihre Meinung.
    * Sie begründen kurz und prägnant Ihre Meinung.
    * Sie geben ein Beispiel.
    * Sie rufen zu einer praktischen Veränderung auf oder wecken die Neugier auf einen Folgepunkt, der das Problem weiter vertieft.
  • In den Schluss gehört eine Zusammenfassung und ein Vorschlag, welche Konsequenzen sich für Ihre Zuhörer und Sie ergeben.

Im zweiten Teil diese Beitrages werden wir Ihnen verraten, wie Sie Ihre gute Vorbereitung in einen erfolgreichen Auftritt verwandeln und wie Sie dabei souverän mit Störungen und Pannen umgehen.

Lesen Sie bei uns auch:
Rhetorik (II) So sprechen sie souverän vor Publikum 
Rhetorik (III) So glänzen Sie in einer Diskussionsrunde

Veröffentlicht im Mai 2005 © by www.berlinx.de


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