Männer jagen nach flüchtigen Abenteuern, Frauen immer die Dauerbeziehung? Das Klischee stimmt längst nicht mehr. Laut Umfragen steht der One-Night-Stand in schlechtem Ruf. Doch warum wird er dann von beiden Geschlechtern so oft praktiziert?

Die Umfragen der letzten Jahre ergeben ein einheitliches Bild: Die Mehrheit der Frauen und Männer mögen den One-Night-Stand nicht. Dennoch haben sich die meisten mehr als einmal auf die schnelle Nummer eingelassen. Fragt man nach den Motiven, zeigt sich ein Wandel. In den siebziger Jahren – nach der sexuellen Revolution – galt der Sofort-Sex als Möglichkeit, sich auszuprobieren und Spaß zu haben. Und zwar vor allem für Männer. Viele Frauen taten es ihnen gleich, vom Zeitgeist angespornt. Insgeheim aber sehnten sie sich doch nach der stabilen Beziehung, nach tiefen Gefühlen und Zärtlichkeit.

Heute ist der One-Night-Stand ein Teil der Partnerwahl geworden. Eine GEWIS-Umfrage aus diesem Jahr ergab: Nur 22 Prozent der Frauen verlieren am nächsten Morgen das Interesse am Wiedersehen. 47 Prozent könnten sich dagegen eine Fortsetzung vorstellen. Der Unterschied zwischen Männern und Frauen ist in dieser Hinsicht fast verschwunden. Schon 1998 sagten bei Männern und Frauen je 37 Prozent Ja zu Sex mit einem/r Unbekannten. Gefühle sollten dabei für 60 Prozent der Frauen und 50 Prozent der Männer mit im Spiel sein. Bedingung: Safer Sex – und es sollte keine bestehende Beziehung gefährdet sein.

Millionen Singles suchen heutzutage nach der Liebe per Internet. Alle Experten empfehlen, bei Interesse sich möglichst bald persönlich zu treffen. Und in den meisten Fällen gehört auch Sex dazu. Alle, die per Internet suchen, wissen außerdem, dass mehrere Versuchsballons nötig sind, bevor zwei sich mal ernsthaft verlieben. Das bedeutet auch: Mehrere One-Night-Stands ohne Fortsetzung.

Werten Männer Frauen ab, die gleich mit ihnen ins Bett gehen? Werten Frauen sich auf, wenn sie sich spröde geben? Das Gerücht hält sich hartnäckig, es gibt aber keinen Beweis dafür. Genauso gut kann das Gegenteil eintreffen. Eine Frau, die sich lange ziert, wirkt unzugänglich und uninteressiert. Da versucht der Mann sein Glück woanders. Manche Kulturen (etwa USA) haben feste Regeln entwickeln. Sex erst (oder schon – je nach Standpunkt) beim dritten Date.

Zunehmend finden wir auch den umgekehrten Fall: Männer, die sich zieren. Die Jungs stehen unter hohem Erwartungsdruck. Sie sollen ihr den perfekten Sex bieten, ihren G-Punkt finden, ihr garantiert einen Orgasmus verschaffen und auf gar keinen Fall impotent sein. Doch eine Umfrage im Auftrag von Beate Uhse ergab, dass nur gut jede fünfte Frau regelmäßig einen Orgasmus hat. Und wie viele Männer beim einmaligen Sex mit einer Frau, die sie kaum kennen, versagen, kann mann nur vermuten. Auf jeden Fall ist die Quote höher als die Männer zugeben.

Der neue Sexratgeber She Comes First des US-Autors Ian Kerner empfiehlt: Ein Gentleman lässt auch beim Sex der Dame stets den Vortritt. Wenn der Mann nur noch an ihren Spaß und nicht an seinen denken soll – ist es da ein Wunder, dass er zunehmend ganz auf Sex verzichtet?

Und wer sich nicht auf die schnelle Affäre einlässt? Oft bleibt nach dem One-Night-Stand ein Katzenjammer. Nicht so sehr wegen der fehlenden Gefühle beim raschen Sprung ins fremde Bett. Sondern wegen der nachfolgenden Komplikationen. Sie fand es furchtbar und will ihn schnell loswerden. Er will weiterschmusen und sie wiedertreffen. Oder umgekehrt: er will früh weg, und sie fragt sich: „Bin ich zu dick?“ Sex schafft körperliche Nähe. Die schnelle Intimität stört den Prozess des allmählichen Kennenlernens. Trotz der plötzlichen Annäherung sind die zwei einander noch immer fremd.

Daher einige Regeln, damit der One-Night-Stand ein erfreuliches Erlebnis wird (und so in Erinnerung bleibt):

  • Zu dir oder zu mir? Oft eine Frage der praktischen Umstände – wessen Wohnung ist leichter zu erreichen? Die eigene Wohnung ist bequemer (Sie müssen am Morgen nicht weg), und Sie fühlen sich sicherer, weil Sie auf eigenem Territorium handeln. Vorausgesetzt, in Ihrer Höhle herrscht nicht das totale Chaos. Nachteil: Sie können nicht einfach abhauen, wenn die Nacht eine Katastrophe war, sondern müssen den andern hinaus komplimentieren.
  • Keine Experimente. Wünsche nach ausgefallene Stellungen oder Praktiken lösen beim andern unter Umständen Panik aus. Bleiben Sie beim Standardprogramm. Das Abenteuer liegt eher im Erkunden eines unbekannten Körpers, im Reiz der Eroberung.
  • Spielerisch und locker. Kein Leistungsdruck! Auch wenn alles auf das „Eine“ hinausläuft: Es kann passieren, muss aber nicht. Fixierung auf das Ziel „Sex + Orgasmus“ bringt mehr Stress als Freude, und nicht selten Impotenz.
  • Am nächsten Morgen weder grußlos verschwinden, aber auch nicht über Heirat und Kinder reden. Tauschen Sie Telefonnummern. Lassen Sie das Erlebnis erst einmal zwei, drei Tage wirken, bevor Sie entscheiden, ob eine Fortsetzung sich lohnt.
  • Gemeinsames Frühstück muss nicht sein. Vor allem, wenn dem One-Night-Stand eine größere Menge Alkohol vorausging und Sie in Katerstimmung sind. Dann ist es besser, sich kurz zu verabschieden, und sich – jeder für sich – erst einmal wieder in präsentable Alltagsverfassung zu bringen.

Ist ein One-Night-Stand besser als gar kein Sex? Das kommt darauf an, wie man seine Gefühle im Griff hat. Immerhin ist Sex sehr gesund. Er baut das Selbstbewusstsein auf. Streicheleinheiten bringen das Immunsystem in Schwung. Außerdem steigt die Produktion an Sexualhormonen. Für Frauen heißt das zum Beispiel: weniger Cellulite, gesündere Haut, langsameres Altern. Der Körper schüttet Glückshormone aus und entspannt sich. Bringt allerdings die Begegnung Unruhe ins eigene Gefühlsleben, kann der Effekt in sein Gegenteil umschlagen. Frustrierte Gefühle erzeugen Stress, verspannen den Körper und lassen ihn schneller altern.

Über eine Gefahr wird selten gesprochen. Frauen sind laut neueren Studien während ihrer fruchtbaren Tage eher zu einem One-Night-Stand bereit. Mit der Fruchtbarkeit wächst ihre sexuelle Abenteuerlust – eine Konsequenz des gestiegenen Hormonspiegel. Daher in der Hitze des Gefechts nie das Kondom vergessen! Es macht den Sex safe gegen unerwünschten Kindersegen. Und es schützt nicht nur vor AIDS, sondern auch vor zahlreichen anderen Krankheiten, die sexuell übertragen werden. Dazu gehören neben den klassischen Geschlechtskrankheiten auch Hepatitis B und Viren, die Gebärmutterhalskrebs auslösen.

Veröffentlicht im Oktober 2005 © by www.berlinx.de

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