Schützen Sie sich vor zuviel Nachgiebigkeit
Fällt es Ihnen schwer, Bitten Ihrer Mitmenschen abzulehnen? Tun Sie oft Dinge für andere, weil Sie aus Höflichkeit zugestimmt haben? Wie können Sie verhindern, dass man Sie ausnutzt?
Die Nachbarin klingelt zum x-ten Mal bei Jenny und bittet sie, für sie einkaufen zu gehen: „Meine Beine wollen nicht mehr so …“ Gerade hat Jenny sich weich klopfen lassen, da ruft ihre Schwester an und fragt, ob sie wieder die Katze während ihrer drei Wochen Urlaub betreuen würde. Jenny stimmt rasch zu, um keine längere Klage ihrer Schwester anhören zu müssen. Denn auf ihrem Schreibtisch häufen sich jede Menge Papiere. Sie hat es ihrem Chef nicht abschlagen können, alle unerledigten Arbeiten mit nach Haus zu nehmen.
Jenny ist keine Ausnahme. In uns allen steckt ein Ja-Sager. Warum fällt es so schwer, Ansprüchen unserer Mitmenschen eine Absage zu erteilen? Weil auch wir einmal Hilfe benötigen könnten? Die Erfahrung zeigt: Geben und Nehmen sind selten ausgewogen. Diejenigen, die gern fordern, finden jede Menge Ausflüchte, wenn sie selbst um einen Gefallen gebeten werden. Wem es aber schwer fällt, Nein zu sagen, traut sich nur selten, selbst die Hilfe anderer in Anspruch zu nehmen.
Die Gründe, ein klares Nein zu vermeiden, sind:
- Sehnsucht nach Anerkennung: Wunsch, Erwartungen zu erfüllen
- Hierarchierücksichten: Vorgesetzten nicht widersprechen wollen
- Verlustängste: Lieber Nachgeben als Niederlagen in Konflikten zu riskieren
- Harmoniebedürfnis: der Wunsch, mit allen in Frieden zu leben
- Angst vor Eskalation: die Angst, der Abgelehnte könnte wütend reagieren
Doch Respekt erntet nur, wer fähig ist, sich selbst zu behaupten. Dazu gehört die Kunst, eine klare Grenze zu ziehen zwischen Hilfsbereitschaft und sich ausnutzen lassen. So wappnen Sie sich gegen falsche Nachgiebigkeit:
Bestimmen Sie Ihre Ziele und Grenzen. Nur wenn Sie selbst genau wissen, was Sie wollen und wo Sie auf keinen Fall zustimmen wollen, wissen Sie genau, wann Sie Nein sagen müssen und warum. Innere Unsicherheit und Zögerlichkeit reizt Ihr Gegenüber, Sie umzustimmen.
Selbstbewusstes Auftreten. Aufrechte Körperhaltung, feste Stimme, Blickkontakt und klare Aussagen verschaffen Ihnen Respekt und sorgen dafür, dass man Ihre Entscheidung akzeptiert.
Eigene Ansprüche formulieren. Nicht nur Ihr Gegenüber hat Wünsche, sondern auch Sie. Führen Sie als Gegenargument Ihre Wünsche ins Feld. „Sie möchten …. Das verstehe ich. Und ich möchte von Ihnen … Verstehen Sie das?“
Lösungsorientierung. Fragen Sie nach, warum Ihr Partner seine Bitte äußert und schlagen Sie dann vor, eine andere Lösung für sein Anliegen zu finden.
Moralischen Druck erkennen. Oft appellieren Bittsteller an unser schlechtes Gewissen. Sie sagen: „Als anständiger Mensch werden Sie …“ oder „Sie werden einsehen, dass ich unter diesen Bedingungen nicht länger …“ Fragen Sie dann nach der Definition seiner Moral: „Was verstehen Sie hier unter ‚anständiger Mensch’?“ (bzw. ‚unter diesen Bedingungen’) Egal, welche Definition man Ihnen anbietet – entgegnen Sie: „Darum handelt es sich hier nicht. Sie möchten also …“ Damit haben Sie die moralische Entrüstung auf ihren sachlichen Gehalt zurechtgestutzt und können sie sachlich begründet zurückweisen.
Wie können Sie Nein sagen, ohne Ihr Gegenüber zu brüskieren? Sechs diplomatische Taktiken haben sich bewährt:
- Bedingt Ja sagen. „Im Prinzip ist es möglich. Aber nicht dieses Jahr. Frag doch nächstes Jahr noch einmal nach.“
- Teilweise Ja sagen. „Ja, durchaus. Aber die Katze bei mir zu Hause, dafür habe ich keinen Platz. Ich könnte an drei Tagen in der Woche bei dir vorbeischauen. Wenn du für die übrigen vier Tage jemand anderen findest …“
- Eine Gegenleistung verlangen. „Ja, das kann ich machen. Allerdings müsstest du für mich dann Folgendes erledigen, sonst schaffe ich das zeitlich nicht.“
- Alternativen anbieten. „Das kann ich leider nicht. Aber fragen Sie doch Kollegen Aschenbach. Wenn er sich Ihrem Anliegen widmen würde, könnte ich in der Zeit seinen Bereitschaftsdienst übernehmen.“
- Die Bitte delegieren. „Dafür bin ich nicht der richtige Ansprechpartner. Mein Gebiet ist … Wenden Sie sich damit an … Er/Sie wird Ihnen weiterhelfen können.“
- Das Nein als Ja verkleiden. „Ja, das ist eine vernünftige Bitte. Sagen Sie mir, was du selbst tun willst, um dein Problem zu lösen, dann überlegen wir gemeinsam, an welchen Stellen meine Hilfe nötig ist.“
Ein klares Nein verschafft Respekt. Meiden Sie deshalb ein halbgares Taktieren. Damit würden Sie Ihre Gesprächspartner nur verärgern. Solche Stolpersteine sind:
- Ausflüchte. Kein „Vielleicht“, „Mal sehen“, „Ruf mich am Freitag noch mal an“, wenn Sie schon sicher sind, dass Sie am Ende Nein sagen werden.
- Ausführliche Begründungen der Ablehnung. Begründen Sie Ablehnung maximal mit einem kurzen Satz. Je länger Ihre Begründungen, desto unglaubwürdiger werden sie. Sie wirken wie bloße Ausreden.
- Unerbetene Ratschläge. Erklären Sie nicht, wie der andere sein Problem auch ohne Ihre Hilfe in den Griff kriegen kann – es sei denn, er fragt Sie ausdrücklich danach.
- Tadel und Belehrungen. „Hätten Sie nicht drei Tage eher fragen können?“ Oder: „Da holt man sich Studenten von der Jobvermittlung der Uni! Die sind nicht teuer und können richtig zupacken.“
Achtung! Einige Kulturen vermeiden jedes Nein. Damit der Gesprächspartner sein Gesicht wahren kann, umgeht man in vielen Ländern jede offene Ablehnung. Verkleiden Sie Ihr Nein dort als Ja (siehe oben), und betrachten Sie ein Ja Ihrer Partner nicht als bindende Zusage, sondern als bloße Höflichkeit.
Buchtipps:
Herbert Fensterheim, Christian Röthlingshöfer. Sag nicht ja, wenn du nein sagen willst. Mosaik, € 7,95
Elisabeth Schlumpf, Heidi Werder, Immer für andere da? So lernen Sie, freundlich nein zu sagen, Mosaik, € 7,95
Manuel Smith: Sage Nein ohne Skrupel, Mvg, € 9,95
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veröffentlicht im Juni 2011 © by www.berlinx.de
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