Print Friendly, PDF & Email

Wie Sie erken­nen, ob jemand die Wahr­heit spricht

Lügen haben kurze Beine – wirklich? Studien zeigen: Wir sind miserable Lügen­entlarver, weil wir auf die falschen Signale achten. Bei uns erfahren Sie, wodurch sich Schwindler und Betrüger  wirklich verraten.

Der Verkäufer, der uns sein Schnäppchen anpreist – sagt er die Wahrheit oder will er nur seinen veralteten Ladenhüter mit Gewinn losschlagen? Der Mann, der Ihnen seine Treue beteuert – ist er ein schamloser Schwindler oder verdächtigen Sie ihn zu Unrecht? Das Kind, das zwei Stunden eher aus der Schule kommt – schwänzt es oder sind tatsächlich Stunden ausgefallen?

Die meisten von uns glauben, bei Bedarf die Unwahrheit erzählen zu können, ohne ertappt zu werden. Gleichzeitig sind wir überzeugt, sofort zu merken, wenn uns jemand beschwindelt. Lügenforscher haben Gründe für diesen Widerspruch herausgefunden. Wir können besser schwindeln als Schwindeleien entdecken. Für den sozialen Zusammenhalt ist es günstig, mit kleinen Beschönigungen heikle Klippen zu umschiffen. Zugleich brauchen wir ein gewisses Urvertrauen in unsere Mitmenschen, um gemeinsam leben und handeln zu können.

Test haben gezeigt, dass so gut wie jeder 50 Prozent aller Lügen erkennt. Da es nur zwei Wahlmöglichkeiten gibt – wahr oder falsch – hätten wir auch raten können. Gibt es keine Möglichkeit, die Trefferquote zu erhöhen? Sicher den Ehrlichen vom Lügner zu unterscheiden?

Im Test zeigte sich, dass wir auf die falschen Signale achten. Wenn jemand herumdruckst, den Blickkontakt meidet und durch nervöse Gesten auffällt, sind die meisten überzeugt: Der Typ lügt. Doch diese Signale können auch Zeichen von Unsicherheit sein oder der Angst, Sie nicht von seiner Ehrlichkeit überzeugen zu können. Fachleute sprechen hier vom Othello-Effekt. Othello zweifelt an Desdemonas Treue. Desdemona reagierte mit Angst, obwohl sie treu war. Sie hatte Angst, weil sie wusste, dass alle Indizien gegen sie sprachen.

Wer den Blickkontakt aushält, wirkt ehrlich. Lügner kennen den Effekt und suchen deshalb den Blickkontakt, um überzeugender zu wirken. Meist mit Erfolg. Sie stottern auch nicht herum. Sie haben sich ihre Lügengeschichte vorher genau überlegt und spulen sie perfekt ab.

Welches sind die richtigen Signale? Was machen Lügner anders als Ehrliche? Wie können Sie Ihre Entlarvungsquote erhöhen? Es gibt durchaus verräterische Indizien. Die wichtigsten sind:

Widersprüchliches Verhalten. Bei Ehrlichen stimmen Körpersprache, Stimme und Worte überein. Lügner können nicht alle Signale kontrollieren. Sie können Ihre Worte mit Bedacht wählen und den Blickkontakt suchen, aber die übrigen Signale entziehen sich ihrer Überwachung. Beobachten Sie einmal im Fernsehen Personen, die mit Nachdruck eine positive Überzeugung äußern. Oft bewegen sie dabei den Kopf rhythmisch von rechts nach links wie bei einem Kopfschütteln – ein Zeichen, dass sie selbst nicht an ihren starken Worte glauben.

Abweichungen. Bei Personen, die wir gut kennen, merken wir leichter, ob sie die Wahrheit sagen. Wir kennen ihr normales Redeverhalten. Deswegen bemerken wir Abweichungen sofort. Sie sind ein starkes Indiz, dass der andere nicht mehr die Wahrheit sagt. Bei Fremden gehen Sie so vor: Stellen Sie zunächst ein paar harmlose Fragen, die garantiert ehrlich beantwortet werden. Zum Beispiel nach seinem Namen, seinen Beruf oder der Uhrzeit. Daran sehen Sie, wie er üblicherweise spricht und sich bewegt. Nun stellen Sie Ihre verfängliche Frage. Beantwortet er sie genauso wie die harmlosen, spricht er die Wahrheit. Ändern sich Worte, Stimme und Körperausdruck, ist Misstrauen angebracht.

Selbstkontrolle. Ein Lügner weiß, das er lügt. Und dass er diese Tatsache verbergen muss. Deswegen neigt er dazu, sich selbst zu überwachen. Oft ist das an einer reduzierten Körpersprache zu erkennen. Viele glauben, dass Lügner besonders viele fahrige Gesten machen, also sich am Kopf kratzen, sich an die Nase fassen oder mit einem Kuli herumspielen. Das sind aber nur Zeichen von Nervosität, die ganz andere Ursachen haben können: Unsicherheit, Anspannung vor heiklen Gesprächen oder schlicht ein unruhiges Temperament. Lügner dagegen vermeiden solche Gesten. Ihre Körpersprache wirkt reduziert, starr – eben selbstkontrolliert.

Menge der Einzelheiten. Jemand, der ein Ereignis tatsächlich erlebt hat, kann jede Menge Details berichten. Ein Lügner beschränkt sich auf die Hauptlinie und wenige extra erfundene Details, um das Ganze glaubwürdig wirken zu lassen. Fragen Sie ihr Gegenüber nach anderen, nebensächlichen Details. Lassen Sie sich das Ereignis so genau wie möglich berichten. Selbst der beste Märchenerzähler kann sich nicht vorher jede Einzelheit überlegt haben. Bleibt seine Geschichte konsistent? Oder treten Widersprüche auf? Wenn der Erzähler sich beim Erzählen verbessert, ist das jedoch eher ein Zeichen für Wahrheit. Nur Lügner haben sich alles vorher genau überlegt.

Moralischer Druck. Sagen Sie „Ich könnte jede Katastrophe ertragen, nur nicht, dass man mich anlügt“. Da Lügner Angst vor den Konsequenzen haben, finden es sie es oft  bequemer, einfach die Wahrheit zu sagen, wenn man ihnen im voraus Absolution erteilt.

Vertrauen. Am einfachsten können Sie Ihre Trefferquote erhöhen, indem Sie im Zweifelsfall dem Erzähler glauben, dass er die Wahrheit sagt. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle sind wir nämlich ehrlich. Oder die Abweichungen von der Wahrheit sind so gering, dass es nicht lohnt, deswegen Nachforschungen anzustellen. Der Grund dafür: Lügen ist anstrengend. Man muss zwei Geschichten im Kopf behalten, die wahre und die erfundene, und darf beide nicht durcheinander bringen. Meist ist uns das einfach zu anstrengend.

Alle diese Anzeichen sind durch Wahrscheinlichkeiten bestimmt. Das bedeutet, Sie wissen im Einzelfall nie, ob Sie sich gerade jetzt auf sie verlassen können. Sie erhöhen lediglich Ihre Treffergenauigkeit im Laufe der Zeit. Um im Einzelfall besser abzuschneiden, berücksichtigen Sie folgende Regeln:

  • Achten Sie nicht nur auf eins der genannten Anzeichen, sondern auf alle.
  • Fragen Sie sich, ob ein Anzeichen in der konkreten Situation auch etwas anderes bedeuten kann – Müdigkeit, Unsicherheit, charakterliche Eigenart.
  • Wenn Sie den Worten des anderen einfach vertrauen – was könnte Ihnen schlimmstenfalls passieren? Wenn die Konsequenzen nicht schwerwiegend sind, schenken Sie Vertrauen. Das ermuntert den anderen, Ihnen ebenfalls zu vertrauen. Das kann dazu führen, dass er Ihnen demnächst selbst die Wahrheit erzählt oder Sie zumindest nicht wieder belügt. Oder im Gegenteil auf Ihre Leichtgläubigkeit vertraut und beim nächsten Mal so dreist lügt, dass Sie nun mit Leichtigkeit erkennen, woran Sie sind.

Buchtipps:
Paul Ekman: ich weiß, dass du lügt. Was Gesichter verraten. Rowohlt Taschenbuch, € 11,99
Jack Nasher: Durchschaut. Das Geheimnis, kleine und große Lügen zu entlarven. Heyne, € 18,–

Lesen Sie bei uns auch:
Menschenkenntnis Andere richtig einschätzen
Gedanken lesen Wie erkenne ich, was andere denken?
Körpersprache Teil 1 bis 3
Lüge und Täuschung Wie Männer und Frauen einander überlisten

veröffentlicht im Mai 2011 © by www.berlinx.de

No votes yet.
Please wait...