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Unermüdlich bewegen wir das Hamster­rad des Erfolgs­strebens. Aktiv sein, an der Selbst­opti­mierung ar­bei­ten, keine Chan­ce aus­las­sen – lohnt die­ser Auf­wand? 

Lesen Sie unser Plä­doyer für ei­nen gelas­sene­ren Lebens­stil.

Sei aktiv! Verwirkliche dich selbst! Stecke dir hohe Ziele, und du wirst über dich hinaus­wachsen! Vergeude keine Zeit! Oder willst du riskieren, dass ein anderer an dir vorbei­zieht und die Position erobert, die dir zuge­standen hätte?

So – oder so ähnlich – lauten die Parolen der Ellenbogen­gesellschaft. Gute, voll­bezahlte Arbeitsplätze sind selten geworden. Da ist voller Einsatz gefragt. Überstunden, Kontaktpflege, sich fit halten und ständige Weiter­bildung sind das mindeste, um wenigstens einen Fuß in die Tür zu bekommen.

Allerdings bringt der Aufwand nicht das erwartete Ergebnis. Das zeigt ein einfaches Rechen­beispiel. Nehmen wir an, Sie fangen in einer Bank an, die 200 Mitarbeitern in zehn Filialen beschäftigt. Dann haben Sie 198 Konkurrenten um die Nachfolge für aktuellen Chef gegen sich. Alle außer Sie selbst und dem momentanen Chef. Um Ihren aktuellen Filial­leiter abzulösen, wären immer­hin noch 18 Konkur­renten zu überwinden. Wenigstens ein Drittel von denen ist so jung und ehrgeizig wie Sie.

Das Ergebnis des unermüdlichen Gerangels ist ein steiler Anstieg psy­chischer Erkran­kungen, besonders von Depressionen. Burnout und andere Erschöpfungs­syndrome sind weit verbreitet. Sie sind das Ergebnis hoher Anstrengungen über Jahre, die sich letztlich als vergeblich erwiesen haben.

Nicht nur im Beruf, auch im Privatleben gestatten wir uns keine Auszeiten – aus Angst, etwas zu verpassen. Unsere Gesellschaft bietet so viele Möglich­keiten an Hobbys und Veran­staltungen! Mit dem Versuch, sie alle zu nutzen, könnten wir unsere Lebenszeit mehrfach füllen. Mit ihm lässt sich jede Leere und jede Einsamkeit perfekt überspielen.

Ausruhen? Ja gern – vielleicht später. Wenn alle Ziele erreicht sind. Bei erzwungenen Ruhezeiten – etwa beim Warten auf verspätete Züge oder im Stau – zeigt sich, wie gut wir noch in der Lage sind, das Nichtstun zu genießen. Das Wort „Langeweile“ bedeutet ursprünglich eine „lange Weile nichts zu tun“. Aus einem Ruhepunkt im Alltags­stress ist ein gefürchtetes Vakuum geworden.

Die antiken Philosophen empfanden das Nichtstun noch als etwas Positives. In Mußezeiten pflegten sie die Kunst der Seelenruhe (griechisch: Ataraxie). Epikur und Seneca haben darüber längere Schriften verfasst. Sie verbanden mit dieser Kunst zwei Ziele:

  • sich von heftigen Emotionen befreien, inneren Frieden erreichen
  • kreative Potenzen freisetzen, denn ohne Zeitdruck ist der Geist frei für neue Ideen.

Die Antike kannte unsere moderne Arbeits­hetze noch nicht. Im Industrie­kapitalismus ist das positive Ideal des Nichtstuns verloren gegangen. Erst heute, wo sein Wachstum an die Grenzen des Planeten stößt, fangen wir an uns zu besinnen. Statt die Welt unermüdlich zu verändern, sollten wir sie in Ruhe lassen.

Nutzen wir die Urlaubszeit, die edle Kunst des Nichtstuns zu üben. Und zwar ohne den Hintergedanken, das Nichtstun als Krafttanken für die nächste Karriererunde zu nutzen. Verwandeln Sie Ihre Langeweile in eine lange Weile philosophischer Weisheit und Selbstbesinnung!

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veröffentlicht im Juli 2011 © by www.berlinx.de

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