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Seit Jahren lindern Ärzte Wechseljahresbeschwerden bei Frauen mit künstlichen Hormongaben. Auch Männer unterziehen sich häufiger einer solchen Behandlung. Eine große amerikanische Studie sollte Nutzen und Risiken an den Tag bringen. Die Ergebnisse waren alarmierend.

In den Wechseljahren stellt der weibliche Körper die Produktion von Geschlechtshormonen (Östrogen, Progesteron) weitgehend ein. Es erlischt nicht nur die Fruchtbarkeit, sondern vielfach treten weitere Beschwerden auf: plötzliche Hitzegefühle mit Schweißausbrüchen und roten Flecken auf der Haut. Nach der Hitzewallung friert man. Angstgefühle, Herzjagen, Anschwellen der Gelenke, Schlaflosigkeit, starke Stimmungseinbrüche, Kopfschmerzen, erhöhte Stressanfälligkeit.

Sind die Beschwerden stark und findet der Arzt einen starken Rückgang der Hormone im Blut, verordnete er bisher meist ein Kombinationspräparat aus Östrogenen und Gestagenen, um den Hormonmangel auszugleichen. Allerdings war diese Hormongabe schon immer umstritten. Denn theoretisch könnte man mit starken Hormongaben das Klimakterium aufhalten, also die fruchtbaren Jahre verlängern. Bekannt wurde der Fall einer Italienerin, die noch mit sechzig ein Kind auf die Welt brachte, dank künstlicher Hormone. Kurz nach der Entbindung starb sie an Krebs.

Zufall oder direkte Folge der verlängerten Jugend? Was sind die langfristigen Nebenwirkungen? Darüber sollte eine große amerikanische Studie Aufschluß bringen. Die „Women’s Health Initiative“ organisierte eine Forschungsserie, an der 16 000 Frauen teilnahmen, die an 40 Orten Kombinationspräparate aus Östrogen und Progestin einnahmen. Sie sollte bis 2005 dauern. Jetzt wurde der Versuch abgebrochen, weil bereits die Zwischenresultate schwere Gesundheitsrisiken für die Teilnehmerinnen enthüllten.

Dabei klang der Grundgedanke vernünftig. Bis etwa fünfzig erleben Frauen weitaus weniger Herzinfarkte und Hirnschläge als Männer, weil das weibliche Geschlechtshormon sie schützt. Würde man es über das fünfzigste Lebensjahr hinaus verabreichen, müßte das Risiko für tödliche Kreislauferkrankungen weiterhin niedrig bleiben. Nun zeigte sich: genau das Gegenteil ist der Fall. Das Risiko stieg um ein Drittel. Auch die Brustkrebsrate lag bei den behandelten Frauen um ein gutes Viertel höher. Gesunken war lediglich die Zahl der Knochenbrüche und die Rate an Dickdarmkrebs. Um die beteiligten Frauen nicht weiter zu gefährden, beendeten die Forscher ihren Großversuch.

In den letzten Jahren haben sich Hormongaben zu einer Standardmethode der Medizin entwickelt. Auch für Männer. Etwa jeder zehnte Mann leidet an einem starken Rückgang an Testosteron, dem männlichen Geschlechtshormon. Das äußert sich ebenfalls in Hitzewallungen, Motivationsverlust, Schwäche und anderen, bei Frauen längst bekannten Wechseljahresbeschwerden. Schon lange befürchten Kritiker, die Gabe von Testosteron könne nicht nur die Beschwerden lindern, sondern auch die Rate an Prostatakrebs erhöhen. Bisher gibt es dazu keine eindeutigen Ergebnisse, da es bei Männern bisher aussagefähige Studien fehlt.

Das Problem: Insgeheim betrachten viele Hormongaben als Waffe gegen das Altern. Als ein Mittel, die Jugend zu bewahren. Denn Testosteron schützt nicht nur vor Hitzewallungen und Schlafstörungen – es macht vitaler, senkt das Körperfett, fördert den Muskelaufbau, strafft die Haut. Daher kommt es als Jungbrunnen in der Anti-Aging-Medizin zum Einsatz. Ebenso bewahren Östrogen und Gestagene bis zu einem gewissen Grade weibliche Jugendmerkmale. Mit dem Rückgang der Hormone altern nicht nur beide Geschlechter. Sie werden einander auch immer ähnlicher. Ob Stimmlage, Körperbehaarung oder Alterskrankheiten – das typisch Männliche und Weibliche verschwindet nach und nach.

In unserer Zeit ausgeprägten Jugendkults erscheint Altern nicht mehr als natürlicher Ablauf, sondern als eine Krankheit, der mit Schönheitsoperationen, Hormonen, Meditation und allerlei Wundermittel zu Leibe gerückt werden muß. Jugendlichkeit um jeden Preis! Aber unsere Zellen altern mit jeder Zellteilung. Hormone, die sie in jungen Jahren stimulieren, beeinträchtigen später ihren empfindlichen Stoffwechsel. Deshalb ist der Rückgang der Hormonproduktion ein weiser Selbstschutz des Körpers. Er produziert soviel, wie die Zellen verkraften können. Ein Zuviel bringt das System aus dem Gleichgewicht. Krebs und andere Alterskrankheiten nehmen nicht ab, sondern zu.

Aus diesem Grund stellen die Ergebnisse der US-Forscher nicht nur die Hormonersatztherapie im Klimakterium in Frage. Es ist ratsam, alle künstlichen Mittel, mit denen die Jugend verlängert werden soll, zu überprüfen. Es geht nicht nur um weitere Anti-Aging-Hormone wie DHEA oder Wachstumshormon, sondern auch um so simple Dinge wie Vitaminpillen. Ein Studie aus Oxford wies kürzlich nach, daß sie vollkommen nutzlos sind. Vitamine wirken nur in Naturform, als Bestandteil von Obst, Gemüse und anderer Nahrung. In der Studie wurde 40 000 Personen teils Vitaminpräparate, teils Placebos ohne jeden Wirkstoff gegeben. Das Resultat: Die Risiken für Infarkte, Krebs, Alterssenilität, Asthma und Knochenbrüche blieben für beide Gruppen völlig gleich. „Vitaminpillen sind reine Geldverschwendung“, resümierte der Leiter der Studie, Professor Roy Collins.

Die einzigen wirksamen Mittel für den Erhalt jugendlicher Spannkraft bleiben bis auf weiteres die natürlichen Vitalitätsförderer: Bewegung, geistige Regsamkeit, pflanzenreiche Kost, ein stressarmer Lebensstil.

Unsere Buchempfehlung zum Thema:

Die Frau der Zukunft. Schön und schlank durch Hormone.
von Peter Frigo, Ingrid Edelbacher

 

Veröffentlicht im November 2002 © by www.berlinx.de

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