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Was die Nase uns über unsere Mitmenschen verrät

Augen und Ohren sind die wichtigsten unserer Sinne. Die übrigen wurden lange Zeit unterschätzt und erst in den letzten Jahren genauer erforscht. Seit Patrick Süskinds Erfolgsroman „Das Parfüm“ wissen wir: Es gibt mehr zwischen Nase und Haut, als sich unser Auge träumen lässt.

Der Geruch ist der älteste unserer Sinne. Und für die meisten Säugetiere der wichtigste. Unser Riechhirn befindet sich im ältesten Teil des Gehirns, im limbischen System. Es wandelt die chemischen Botschaften in einen (angenehmen oder unangenehmen) Geruchseindruck um. Von unseren Geruchsrezeptoren ist nur noch die Hälfte aktiv. Deshalb unterschätzen wir häufig, was uns unsere Nase verrät. Denn noch immer arbeiten für unsere Nase mehr Gene als für jeden andere Sinn. Wie sie arbeiten, war lange ein Geheimnis, das erst in jüngster Zeit gelüftet wurde – 2004 gab es dafür den Medizinnobelpreis.

Die Nase ist das einzige Sinnesorgan, das einen direkten Draht zum Gehirn besitzt. Von Anbeginn sollten wir damit blitzschnell Gefahren wittern und Nahrung so schnell erschnuppern, das wir sie andern „vor der Nase“ wegschnappen konnten. Wir können immer noch 10 000 Duftstoffe unterscheiden. Jede unserer 10 Millionen Riechzellen ist mit nur einem ganz bestimmten Rezeptor ausgestattet und damit auf einen bestimmten Geruch spezialisiert. Jede Riechzelle filtert die für sie bestimmten Moleküle aus der Atemluft heraus und gibt das Signal an den Riechkolben weiter. Von dort geht es direkt ins Gehirn. Die Zentren fürs Riechen und Emotionen liegen direkt nebeneinander. Es ist daher kein Wunder, dass die Erinnerung an Gerüche auch lang vergessene Gefühle wieder wachrufen kann.

Doch in der Nase gibt es noch ein zweites Riechorgan, das Veneronasalorgan. Es ist ein kleiner roter Fleck in der Nase, die Öffnung eines winzigen Schlauchs ins Innere, der auf Pheromone reagiert. Das sind Substanzen aus dem Achselschweiß und von der Haut, die die Geschlechter magisch anziehen. Das Besondere: Pheromone sind vollkommen geruchlos. Bei vielen Tieren ist ihre Wirkung bewiesen. Aber wirken sie auch auf uns Menschen, obwohl wir sie gar nicht bewusst wahrnehmen können?

Immer wieder hört man die Vermutung, die Pheromone seien schuld an Sympathie und Antipathie. Sie würden entscheiden, ob zwei „sich riechen können“. Parfüme, die mit Pheromonen angereichert wurden, erwiesen sich freilich als Flop. Wer gibt schon Geld aus für einen Duft, den man nicht riecht? Und von der magischen Wirkung ist beim Diskobesuch auch nichts zu spüren. Ob zwei zusammenfinden oder nicht – dafür sind beim Menschen das Verhalten und optische Eindrücke wichtiger.

Doch damit ist die Frage nicht beantwortet, ob wir auf Pheromone reagieren. Um diese Frage zu beantworten, leiteten Forscher aus Dresden Luftströme in Nasen von Versuchspersonen – mal angereichert mit den unriechbaren Pheromonen, mal nicht – und beobachteten am Computertomographen, ob das Gehirn auf diese Stoffen reagiert. Und in der Tat: die Forscher fanden Hinweise auf Hirnaktivitäten, die mit dem normalen Riechen nichts zu tun haben.

Doch als es nun darum ging, die Wirkung auch im Alltagsverhalten nachzuweisen, sah die Bilanz ernüchternd aus. Forscher der Uni Münster luden Studenten beider Geschlechter zu einem Experiment ein. Die Wangen der Männer besprühten sie mit männlichen, die der Frauen mit weiblichen Pheromonen. Unter einem Vorwand ließen sie die Studenten paarweise in einem Warteraum allein und beobachteten per versteckter Kamera, was passiert.

Es passierte nichts. Die Studenten saßen da und warteten. Hinterher nach ihrer Einschätzung des oder der Mitwartenden befragt, zeigte sich: Vor allem die Männer, die reichlich beduftet wurden, schätzten die Frauen eher negativ ein. Denn Duft ist nicht automatisch ein positives Signal, sondern löst auch Ängste oder Konkurrenz aus. Frauen, die die Pille nahmen, reagierten übrigens überhaupt nicht.

Trotzdem ist etwas dran am „sich riechen können“. Das hat aber weniger mit Pheromonen, sondern mit der Konzentration von Sexualhormonen und anderen, normal riechbaren Substanzen in den Hautabsonderungen zu tun. Schon Säuglinge reagieren auf den Duft ihrer Mutter entspannt – und alarmiert beim Geruch von Fremden. Männer und Frauen finden einander um so geruchssympathischer, je verschiedener ihr Immunsystem strukturiert ist. Weil die Nase wählerisch ist, bleibt die genetische Vielfalt der Art gesichert.

Aber es muss nicht einmal der Geruch des anderen Geschlechtes sein. Das Verlangen von Frauen nach Sex steigt, wenn sie den Duft stillender Mütter und ihrer Kinder riechen. In ihrem Schweiß sind Signalstoffe enthalten, die bei anderen Frauen das Verlangen nach eigenen Nachwuchs wecken – den unbewussten Wunsch, bei der Weitergabe der Gene hinter den Geschlechtsgenossinnen nicht zurückzubleiben. Das fand die Forscherin Martha McClintock bei einer Testreihe an der Universität Chicago heraus.

November 2004 © by www.berlinx.de

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