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Die Antibabypille ist seit gut vierzig Jahren auf dem Markt und wird von Jahr zu Jahr verbessert. Die Pille für den Mann, obwohl seit Jahren im Gespräch, läßt immer noch auf sich warten. Zeichnet sich endlich eine Wende ab? EGO-Net berichtet über die neuesten Trends.

Nach einer Studie der Psychologinnen Annette Boerger und Caroline Mantey hält die Gleichberechtigung zur Jahrtausendwende endlich auch Einzug in die Schlafzimmer. Die Wünsche und Vorstellungen der Frauen und Männer in punkto Sex nähern sich immer mehr an. Zwei Beispiele:

Selbstbefriedigung: bei Männern seit Jahren bei 98 Prozent, bei Frauen seit den 60er Jahren Anstieg von knapp 50 auf 83 Prozent.

One-night-stand mit Fremden: halten ebensoviel Männer wie Frauen (37 Prozent) bei sich selbst für akzeptabel. Gefühle für den Fremden wollen aber 60 Prozent der Frauen empfinden (Männer: 50 Prozent).

Die Zahl der Männer, die Verantwortung für die Verhütung tragen wollen, hat seit dem Aufkommen von AIDS und der Renaissance des Kondoms stark zugenommen. Zwei Drittel wären bereit, eine Pille für den Mann zu nehmen. Bei den Frauen ist umgekehrt das Mißtrauen gegen die Antibabypille gewachsen, vor allem weil sie das Thromboserisiko fürchten. Berechtigt ist diese Angst besonders bei Raucherinnen. Ärzte dürfen Frauen unter 30, die zum ersten Mal mit der Pille verhüten, bestimmte Präparate nicht mehr verschreiben.

Laut Statistik verhüten in Deutschland 54 Prozent mit der Pille, 13,5 Prozent mit der Spirale, 19 Prozent mit dem Kondom und knapp 7 Prozent mit Sterilisation. Nur rund 6,5 Prozent wählen andere Methoden wie

Zäpfchen und Gel: samentötende Substanzen, die in die Vagina eingeführt werden und sich bei Körperwärme auflösen;

Diaphragma: Gummikappe, die den Eingang zum Gebärmutterhals verschließt und mit am Rand mit samentötendem Gel verschlossen wird;

Kombimethode: Körpertemperaturmessung und Beobachtung des Zervixschleims, der an fruchtbaren Tagen dünnflüssig und durchsichtig wird;

Computermessung 1: ein Sensor mißt die Aufwachtemperatur im Mund und errechnet daraus die fruchtbaren Tage;

Computermessung 2: aus einer Urinprobe wird der Hormonspiegel gemessen und die Fruchtbarkeit errechnet, nach neuesten Untersuchungen viel zuverlässiger als die Messung der Mundtemperatur.

Weitere neue Methoden:

die Hormonspirale, bei der statt Kupfer ein Gestagen-Depot einführt, das schrittweise über drei Jahre freigesetzt wird; sie verhindert die Befruchtung durch Verdickung des Zervixschleims;

die Gestagene und Östrogene werden nicht als Pille eingenommen, sondern als Depot am Arm unter die Haut gespritzt, wo allmählich abgebaut wird; die lästige Pflicht, keinen Tag die Pille zu vergessen, entfällt;

die Mikrophasenpille, deren Östrogen- und Gestagenanteil in den ersten 7 Tagen sehr gering und in den Folgetagen immer noch 30 Prozent unter dem der klassischen Pille bleibt; zwei der neuen Pillen mit dem Gestagen-Wirkstoff Drospirenon machen außerdem nicht mehr dick (was für 13 Prozent der Frauen bisher ein Grund war, die Pille wieder abzusetzen).

Ein neue Erfindung soll demnächst die Bestimmung des Eisprungs noch mehr vereinfachen. Die amerikanische Firma Procter & Gamble hat Slipeinlagen entwickelt, die durch einen purpurnen Farbklecks auf goldenem Hintergrund anzeigen, wann die fruchtbaren Tage nahen. Die Einlagen regieren auf kleinste Schwankungen von Progesteron, Östrogen und dem Follikel-stimulierenden Hormon. Einlagen, die die bevorstehende Menstruation beziehungsweise eine Schwangerschaft anzeigen, sind ebenfalls geplant.
Auffällig ist: alle diese Neuerungen ließen die Verantwortung bei der Frau. Zwar wurde seit Jahrzehnten an der Verhütung für den Mann geforscht und immer wieder mal ein Durchbruch verkündet. Am Ende stellte sich aber stets heraus, daß das Produkt entweder ganz unfruchtbar macht oder Impotenz auslöst – zugegeben, eine sichere Verhütungsmethode, die zugleich den Sinn der Verhütung mit beseitigt.

Das Prinzip ist immer das gleiche. Dem Mann werden Progesterone (Gelbkörperhormone) – weibliche Hormone, deren natürliche Funktion darin besteht, die Versorgung eines befruchteten Eis vorzubereiten – in die Blutbahn gegeben, die bei ihm die Samenproduktion unterdrücken. Leider unterbinden sie gleichzeitig die Produktion des männlichen Hormons Testosteron und damit auch die Sexualfunktion. Um das zu verhindern, muß zugleich Testosteron von außen zugeführt werden. Durch die Kombination beider Hormone sollen die Spermien verschwinden, aber die Fähigkeit des Mannes zum Sex erhalten bleiben.

Obwohl schon viele Jahre experimentiert wird, hat die Forschung noch eine Reihe von Problemen zu lösen. Im Unterschied zur Frau hat der Mann nicht nur wenige fruchtbare Tage, sondern Spermien werden ständig produziert. Eine Verhütungsmethode muß daher diese Funktion ständig unterdrücken. Der Eingriff in seinen Hormonhaushalt muß deshalb viel stärker ausfallen. Die Antibabypille setzt die Frau quasi einer künstlichen Scheinschwangerschaft aus, imitiert also einen gesunden Zustand. Die ständige Samenunterdrückung bei Mann ist dagegen von der Natur nicht vorgesehen. Sie ist krankhaft und muß daher durch medizinische Gegenmaßnahmen ausgeglichen werden.

Außerdem läßt sich die Samenproduktion nicht vollständig unterbinden. Einige 10 000 Spermien bleiben immer übrig. Das macht eine Befruchtung zwar extrem unwahrscheinlich, aber Sie wissen ja: auch Sechser im Lotto sind selten und kommen trotzdem vor. Wie zuverlässig der Schutz der männlichen „Pille“ ist, hat aber noch niemand einigermaßen zuverlässig testen können. Man weiß auch wenig über langfristige Nebenwirkungen. Kein Versuchspräparat ist länger als zwei Jahre am Stück erprobt worden. Einige Studien berichteten immerhin von Gewichtszunahmen von bis zu 14 Kilo! Nur einer Sache sind sich die Forscher sicher: Vor 2005 wird kein brauchbares Präparat auf dem Markt kommen.

Ab und zu wird ein Durchbruch gemeldet. Zum Beispiel Anfang 2001 von Forschern der Universität Münster. Die von ihnen getestete Kombination des männliche Sexualhormons Testosteron-Undecanot und eines zweiten Hormons mit dem Namen Norethisteron-Enanthat stoppte bei 13 von 14 getesteten Männern die Samenproduktion. Die Injektion muß alle sechs Wochen wiederholt werden. Ob ihr Verfahren eine Schwangerschaft mit ausreichender Sicherheit verhütet, ist allerdings noch nicht bewiesen worden. Sollte das Ergebnis jedoch die Erwartungen erfüllen, könnte es in wenigen Jahren endlich die Frau sein, die fragt: „Liebling, hast du schon deine Spritze genommen?“

Veröffentlicht im April 2001 © by www.berlinx.de

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