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Nette Menschen sind erfolg­reicher

Wer Karriere machen will, muss der nicht tricksen, intri­gieren und rück­sichts­los die Ellen­bogen gebrau­chen? Sind es nicht die Freund­lichen dieser Welt, die auf der Strecke bleiben? Durch­aus nicht. Egonet über die Kraft der sanften Töne.

Die Tür aufhalten, ein paar Blumen mitbringen, ein nettes Wort in einer stressigen Situation. Zugegeben, es sind Kleinig­keiten. Aber mit großer Wirkung. Denn wer es schafft, kleine Glanz­punkte in den Alltag zu bringen, entwickelt sich zu einem Gewinner. Das ergaben Studien aus Deutschland, den Niederlanden und den USA mit vielen tausend Teilnehmern. Freundliche Menschen leisten mehr, haben dabei mehr Spaß und erzielen im Schnitt das höhere Einkommen.

Wer seine Interessen ohne Rücksicht auf seine Mitmenschen durchsetzt, kann im ersten Moment triumphieren. Der Überrumpelungs­effekt ist auf seiner Seite. Doch danach sind die Gelackmeierten auf der Hut. Wer freundlich ist, braucht anfangs möglicherweise länger, um an sein Ziel zu gelangen. Dafür ist sein Erfolg dauerhaft. Und er ist beliebter. Er meckert weniger, hilft seinen Kollegen und zeigt, wenn es hektisch wird, mehr Gelassenheit.

Aber es ist doch keine Kunst, freundlich zu sein! Man muss es nur wollen! Oder? Dass es nicht so einfach klappt, weiß jeder, der schon einmal ungewollt aus der Haut gefahren ist. Wenn die Mitmenschen die Nerven strapazieren und alles schnell gehen muss, ist es mit der Freundlichkeit rasch vorbei.

Unfreundlichkeit ist ein Zeichen von Schwäche. In den seltensten Fällen ist ruppiges Auftreten böse Absicht. Meist hat der Betreffende nur die Selbstbeherrschung verloren. Wer stets freundlich ist, besitzt innere Kraft. Er lässt sich nicht aus der Ruhe bringen.

Manche setzen deshalb eine Maske der Freundlichkeit auf. Sie sind zwar wütend, aber unterdrücken ihre aggressiven Impulse. Sie wollen eine Stärke zeigen, die sie in Wahrheit nicht besitzen. Diese Täuschung fliegt schnell auf:

  • Erstens gelingt es nur eine gewisse Zeit lang, seine wahren Gefühle zu verbergen. Irgendwann ist der Ärger so groß, dass er sich in einem plötzlichen Wutausbruch Luft verschafft.
  • Zweitens verrät sich die falsche Freundlichkeit in der Körpersprache. Das Lächeln wirkt falsch, Gesten und Mimik wirken gehemmt. Am verräterischsten sind aber die Augen. Die Pupillen verraten die Laune. Bei unterdrückten Wut sind die Pupillen verkleinert. Man spricht vom „stechenden Blick“. Ist die gute Laune echt, sind die Pupillen vergrößert.

Dennoch ist niemand seinem Ärger hilflos ausgeliefert. Es gibt einen Weg, Freundlichkeit einzuüben.

Erkennen und Umwerten unfreundlicher Impulse. Meist bereuen wir unfreundliche Launen schon nach wenigen Minuten. Wir wissen genau, dass wir einer Schwäche erlegen waren und bei den Mitmenschen nicht positiv punkten konnten. Überlegen Sie: In welchen Situationen neigen Sie dazu, Ihrem Ärger rasch Luft zu machen? Im Feierabendverkehr? Wenn Sie in Arbeit zu ersticken drohen? Wenn der Partner die Beine hochlegt, obwohl noch soviel zu erledigen ist? Denken Sie sich in ruhiger Minute für diese Momente eine freundliche Reaktion aus.
Wenn das nächste Mal Ärger droht, schalten Sie Ihre inneren Alarmglocken an. Will ich wirklich patzig werden? Soll mein Gegenüber sich an mich als grantigen Zeitgenossen erinnern? Platzen Sie diesmal nicht spontan mit Ihrem Ärger heraus. Sondern versuchen Sie die Situation in einem anderen Licht zu sehen. Hat der andere wirklich böse Absichten. Liegt es nicht nur an der ungünstigen Situation?

Freundliche Vorbilder nachahmen. Erinnern Sie sich an freundliche Filmhelden, die Sie bewundern. Mit welcher inneren Haltung schaffen sie es, stets ihr sanftes Lächeln zu bewahren? Versuchen Sie in Zukunft, Ihren Mitmenschen mit der gleichen nachsichtigen Einstellung zu begegnen. Auch und gerade dann, wenn Ihnen ihr Verhalten nicht gefällt.

Diplomatisches Geschick. Sie fühlen sich provoziert? Wenn Sie den Fehdehandschuh aufnehmen, berauben Sie sich Ihrer Entscheidungsfreiheit. Sie tun das, was der Angreifer bezweckte. Vielleicht sind Sie dem anderen auch nur zufällig in die Quere gekommen. Statt Ihren Ärger zu zeigen, kleiden Sie Ihre Empfindungen in eine Frage: „Warum haben Sie das eben gesagt? Ich verstehe nicht, was Sie damit bei mir erreichen möchten.“

Laden Sie Ihren Ärger woanders ab. Die Wut muss raus, keine Frage. Aber warum in Form von schlechter Laune? Sprechen Sie sich aus, aber in freundlicher Form. Erzählen Sie einem Freund oder Ihrem Partner, was Sie aufregt. Oder schreiben Sie es in Ihr Tagebuch. Oder reagieren Sie Ihre Wut körperlich ab, boxen Sie auf einen Sandsack ein.

Gewöhnen Sie sich freundliche Rituale an. Zählen Sie mal spontan zehn freundliche Handlungen auf. Gar nicht so einfach, oder? Viele von uns gehen unaufmerksam und gleichgültig miteinander um. Nehmen Sie sich für den Anfang vor, dreimal am Tag eine zusätzliche freundliche Geste zu zeigen. Ein Lächeln extra ohne besonderen Anlass. Die Frage: „Was hast du heute erlebt?“ Jemanden anrufen und sagen: „Ich habe gerade an dich gedacht. Mich interessiert, wie es dir geht.“ Gewähren Sie fünf Minuten aufmerksames, geduldiges Zuhören, ohne Ihr Gegenüber zu unterbrechen, um selbst zu reden.

Innerhalb weniger Wochen werden Sie Ihren Ruf als freundlicher Mensch festigen. Ihre Mitmenschen werden Ihnen aufgeschlossener begegnen als bisher. Vor allem dann, wenn es Ihnen gelingt, sich von der Unfreundlichkeit anderer nicht anstecken zu lassen.

Buchtipps:
Linda Kaplan Thaler, Robin Koval: The Power of Nice. Wie Sie die Welt mit Freundlichkeit erobern können. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2008 € 12,–
John Selby: Das Freundlichkeitsprinzip. Wie Sie jeden für sich gewinnen. Ullstein Taschenbuch, Berlin 2008, € 8,95
und von unserem Egonet-Autor:
Frank Naumann: Die Kunst der Sympathie. Rowohlt Taschenbuch, Reinbek 2007, € 8,90

veröffentlicht im September 2009 © by www.berlinx.de

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