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Aschenputtel gehört zu den beliebtesten Märchen weltweit. Es erzählt die tiefste Sehnsucht vieler Frauen: Ihr Traumprinz möge sie nur anhand ihres (zierlichen) Schuhes unter Tausenden herausfinden. Warum?

Kaum ein Thema wird häufiger genannt, wenn es um die Unterschiede von Mann und Frauen geht. Warum können Frauen Schuhen nicht widerstehen? Männer haben offenbar keine Probleme, jahrelang in denselben abgelatschten Tretern herumzulaufen. Da Fußbekleidung vor 30 000 Jahren erstmals auftauchte, kann die weibliche Vorliebe kaum in den Genen liegen. Seit damals hat sich unsere DNA kaum mehr verändert. Die Gründe entstammen vielmehr der kulturellen Tradition:

Schuhe sind ein weibliches Wohlstandssymbol. Noch vor hundert Jahren gingen viele Mädchen auf dem Lande barfuß, um das einzige Paar Schuhe zu schonen. Knaben, die auf dem Feld arbeiten mussten, trugen dagegen stets festes Schuhwerk. Mädchen, die ständig Schuhe trugen oder gar mehrere Paar besaßen, gehörte zu einer wohlhabenden Familie. Schuhe galten als ähnlich wertvoll wie Schmuck, den sich auch nur Töchter aus reichem Hause leisten konnten. Daher das Bestreben, möglichst viele von diesen Schmuckstücken anzusammeln und aufzubewahren.

Gesicht und Füße sind die beweglichste Körperregion des Menschen. Eine neue Studie von Kerri Johnson (Universität New York) und Louis Tassinary (A&M-Universität, College Station) hat gezeigt: Nicht allein das Verhältnis von Taille zu Hüfte (ideal ist hier ein Verhältnis von 0,7 zu 1) bestimmt die weibliche Körperschönheit. Sondern erst ihre Verbindung mit dem typisch weiblichen Hüftschwung. Vor hundert Jahren verbargen Frauen ihre Körper noch unter wallender Kleidung. Da waren die Füße das einzige „enthüllende“ Merkmal, was dem Männerauge verriet, wie es um ihre Körperlichkeit bestellt war. Ein amerikanischer Forscher hat nachgemessen, dass Frauen beim Gang einen seitlichen Abstand von etwa 12 Zentimetern einhalten. Bei kleinerem Abstand nimmt der Hüftschwung zu, ihr Gang wirkt erotisch. Bei größerem Abstand geschieht das Gegenteil, der Schritt sieht staksig und plump aus.

Schuhe formen daher den Gang ihrer Trägerin. Mit ein paar Zentimetern Absatz wächst ihre ganze Statur. Sie fühlt sich größer und somit selbstsicherer. Die Zahl der Männer, die auf sie herabblicken können, sinkt. High Heels bringen ihre Hüften um sieben Prozent stärker zum Schwingen, verwandeln Aschenputtel in eine majestätisch einherschwebende Prinzessin. In Stiefeln wiederum gewinnt ihr Gang Kraft und Sicherheit. Ob als gertenschwingende Reiterin oder als Vamp in Netzstrümpfen und Chiffon – in ihren Boots verliert sie nie die Bodenhaftung.

Füße kennen keine Figurprobleme. Wenn frau beim Shoppen verzweifelt feststellen muss, dass sie in die Kleidergröße 38 nicht mehr hineinpasst, kann sie sich mit einem neuen Paar Pumps trösten. Auch die vor Jahren gekauften Modelle kann sie sofort wieder anziehen. Am Fuß passt ihr die 38 stets wie angegossen, egal wie viele Pralinen sie in letzter Zeit genascht hat. Um sich davon zu überzeugen, braucht sie nicht einmal eine dieser unangenehm grell ausgeleuchteten Umkleide­kabinen zu betreten.

Der weibliche Kraftschwerpunkt sitzt in der Tiefe. Frauen ziehen ihre Kraft vor allem aus Hüften und Beinen, die Männer eher aus Schultern und Oberarmen. Der Mann probiert lieber eine neue Lederjacke oder ein neues Sakko an, solange seine weibliche Hälfte die Schuhverkäuferinnen auf Trab hält. Frauen, die einen fremden Mann einschätzen wollen, schauen gern auf seine Schuhe. Sie wissen genau: Nur ein Mann, der wirklich Geld hat und etwas darstellt, investiert in teure Schuhe. Einer, an dem mehr Schein als Sein ist, wird sich unter Umständen einen teuren Schlitten und einen eleganten Anzug leihen, sobald er auf die Piste geht. Seine Treter aber verraten ihn – und er ahnt es nicht einmal, weil ihm ihr Faible für Schuhe fehlt.

Er versucht statt dessen, ihr mit seinem schnittigen Wagen zu imponieren. Was die meisten Frauen wenig beeindruckt. Ein Mann, der Tausende für Kauf und Pflege eines Superschlittens ausgibt, sollte sich freuen, dass seine Flamme nur in (vergleichsweise billige) Schuhe investiert.

Mehr Infos zu diesem Themen veröffentlichte unser Autor in:
Frank Naumann: Schöne Menschen haben mehr vom Leben. Die geheime Macht der Attraktivität. S. Fischer, € 8,95.

Veröffentlicht im April 2007 © by www.berlinx.de

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