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Hatte Marx doch Recht?

Bankenkrise, Schul­den­krise, Euro­krise – welche Kri­se kommt als näch­ste? Kri­sen soll­ten doch eine Aus­nahme sein! Oder sind sie der Preis un­se­res Wohl­stands?

Als 1989 die DDR am Ende war – und mit ihr der ganze Ostblock – jubelte der Westen. Endlich war das „Gespenst des Kommu­nismus“ für alle Zeit vernichtet. Und für den Mann, der diesen Begriff in seinem Kommu­nistischen Manifest geprägt hatte, für Karl Marx, interessierte sich niemand mehr. Seine Werke flogen in die Papier­tonnen. Von wegen sterbender Kapita­lismus! Die freie und soziale Markt­wirtschaft hatte gesiegt.

Die Jubeltöne sind verklungen. Keine 20 Jahre später – 2008 – schoss Marx’ Hauptwerk in die Bestseller­listen. Der Verlag musste vor der Nachfrage nach „Das Kapital, Band 1“ kapitulieren. Die Bankenkrise hatte die Neo­liberalen kalt erwischt. Aber Wirtschafts­krisen gab es schon des öfteren.. Schauen wir nur auf die letzten 50 Jahre:

  • 1966 Rezession und Ende der Wirtschaftswunderjahre.
  • 1973 der Ölschock. Das OPEC-Kartell machte das bisher billige Öl teuer. Autofreie Sonntage waren nur eine der verzweifelten Regulierungs­maßnahmen.
  • 1980/81 Krise der Sozialstaaten und „neoliberale Revolution“, die unternehmer­freundliche Politiker an die Spitze brachte: Margaret Thatcher, Ronald Reagan und Helmut Kohl.
  • 1987 Börsencrash und rasante Kursstürze (19. Oktober, schwarzer Montag)
  • 1994 Ende der Vereinigungs­euphorie, nachdem der Westen durch die neuen Märkte im Osten einen drei­jährigen Aufschwung erlebt hatte
  • 2001 Zusammen­bruch des Neuen Marktes und der Internetblase
  • 2008 Ende der Immobi­lienblase in den USA und Bankenkrise.

Marx’ Politische Ökonomie galt als veraltet. Auf der Seite der Ökonomie hatte die Volkswirt­schaftslehre sie abgelöst, auf der Seite der Gesellschafts­analyse die Soziologie. Doch diese Wissenschaften betrachten Krisen nur als Betriebs­unfall. Wenn Politiker und Unternehmer verantwor­tungsvoll handeln, dürfte es keine Krise geben.

Marx behauptet: Krisen gehören zum Kapitalismus wie Krankheiten zum Leben. Selbst die beste Regu­lation könne Über­produktion und ein Stocken der Märkte nicht verhindern. Er wusste sogar, dass solche Krisen alle sieben Jahre zu erwarten sind. Schauen Sie auf die Jahreszahlen im vorletzten Absatz.

Marx hatte auch behauptet, dass die Wirtschaft alle anderen Lebens­bereiche dominiert. Für keinen seiner Sätze ist er so oft kritisiert worden. Es gibt doch schließlich noch die Kunst, die Religion, die Bildung – und die Politik. Die Wähler und ihre Volksvertreter bestimmen, wo es lang geht, oder? Das Geschehen seit 2008 hat selbst hartnäckige Gegner nach­denklich gemacht. Die Banken diktieren das Geschehen. Die Politik hat nur dafür zu sorgen, ihnen mit dem Geld der Steuerzahler weiteres Wachstum der Gewinne zu sichern.

Doch sollte der Kapitalismus laut Marx nicht an seinen eigenen Wider­sprüchen zugrunde gehen? Der Grund sei der „tenden­zielle Fall der Profitrate“. Die Profitrate ist der Gewinn geteilt durch die Kosten. Anders ausgedrückt: Die Kosten für Maschinen, Rohstoffe und Arbeits­löhne steigen schneller als der Gewinn. Profit zu machen wird immer teurer. Es müsste der Tag kommen, wo es sich für die Unternehmer nicht mehr lohne zu investieren. Dann sei der Kapitalismus am Ende.

Doch das Finanz­kapital ist erfinderisch. Es hat viele Tricks erfunden, aus Krisen neue Kraft zu schöpfen. Eine der wichtigsten Neuerungen waren Monopole in Form von Aktien­gesellschaften. Sie schütten ihren Gewinn als Dividenden aus – manchmal. Der Aktienhandel rentiert sich auch ohne Dividende. Die Anleger hoffen, allein aus Kurssteigerungen Gewinn zu erzielen. Dank der Spekulation gibt es Kurs­steigerungen selbst dann, wenn ein Unternehmen Verluste erzielt. Eine positive Profitrate ist nicht mehr erforderlich.

Ein weiterer Trick ist die Politik des billigen Geldes. Zinssen­kungen der Zentralbank bis null Prozent bedeutet für die Banken Kosten von null Prozent. Mit diesem Trick steigt die Profitrate wieder – scheinbar. In Wirklichkeit zahlen die Kosten andere, nämlich wir. Mit den immensen Staats­schulden verschiebt der wirtschafts­freundliche Staat die Kosten des Profitmachens auf die Allgemeinheit.

Dass dieses Verfahren, die Kosten auf unsere Enkel zu übertragen, nicht ewig funktioniert, zeigt das Wanken von Griechenland, Spanien & Co. An ihnen können wir studieren, wie die Zeche gezahlt wird – durch Lohn­kürzungen bei denen, die ohnehin schon nichts haben. Solange das so bleibt, wird Marx immer wieder aktuell werden.

veröffentlicht im November 2012 © by www.berlinx.de

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