Der Film „Das Parfüm“ hat die Neugier geweckt. Sein Held Grenouille braute den ultimativen Duft, der die Massen um den Verstand brachte. Und in der Realität? Welche Wirkung üben Gerüche bei der sexuellen Anziehung aus?
Bei vielen Tieren ist die Nase das mächtigste Sinnesorgan. Wenn Züchter bei Schweinen für Nachwuchs sorgen wollen, haben Sie immer eine Sprühdose dabei. Darin befindet sich ein Sexuallockstoff des Ebers, der die Sau in null Komma nichts in Duldungsstarre verfallen lässt. Nur so hält sie still, wenn der Züchter die Spritze für die künstliche Besamung einführt.
Beim Menschen ist das Auge das wichtigste Sinnesorgan. Sie liefert rund 80 Prozent der Sinnesdaten. Von den übrigen 20 Prozent entfällt das meiste auf das Gehör. Die Nase spielt bei uns nur eine kümmerliche Rolle. Doch der Geruch ist der älteste unserer Sinne. Er unterliegt am wenigsten unserer Kontrolle durch das Bewusstsein. Könnte es nicht sein, dass wir bisher nur nicht erkannt haben, wie wir uns durch Gerüche lenken lassen? Immerhin geben wir Deutschen jedes Jahr rund 2,5 Milliarden (!) Euro aus für Parfüm und Düfte aus der Dose.
Diese Frage hat in den letzten Jahren die Forschung auf den Plan gerufen. Die Industrie investierte viel Geld. Denn wem es gelingt, einen magischen Duft zu erfinden, wird eine marktbeherrschende Stellung erobern. Doch der Erfolg lässt auf sich warten. Was die Forscher bislang herausfanden:
- Neben den normalen Riechzellen der Nase gibt es ein spezielles vomeronasales Organ, eine Einstülpung im Innern der Nase. Es reagiert nicht auf die üblichen Gerüche, sondern auf Stoffe, die für die restliche Nase duftlos sind – die so genannten Pheromone. Ihre Wahrnehmung aktiviert andere Zentren im Gehirn als normale Gerüche. Beim Menschen scheint dieses Organ jedoch nicht mehr zu funktionieren. Bei einem Drittel der Menschen findet man es überhaupt nicht mehr, bei den übrigen fehlt die Verbindung zum Gehirn.
- Dennoch lässt sich im Experiment die sexuelle Wirkung von Gerüchen nachweisen. Im Schweiß und anderen Körperausdünstungen finden sich Sexuallockstoffe, zum Beispiel das männliche Androstenon. Aber sie sind im Gegensatz zu den Pheromonen für die Nase riechbar.
Verwirrung entsteht dadurch, dass viele Journalisten auch diese Gerüche als Pheromone bezeichnen. Einem Parfümeur könnte das egal sein. Hauptsache, es wirkt! Aber da sieht es schlecht aus:
Einerseits zeigten Experimente, dass Sexualgerüche Empfindungen hervorrufen. Wir finden den Duft von Partnern angenehm, deren Immunsystem sich von dem eigenen stark unterscheidet. Das ist ein Trick der Evolution, um die genetische Vielfalt zu erhalten.
Andererseits aber kehrt sich Effekt in sein Gegenteil um, wenn man versucht, diese anziehenden Gerüche zu isolieren, um sie in Parfüms einzubauen. Bei höherer Konzentration schätzen Frauen Männer mit dem Lockduft nicht mehr als attraktiv, sondern negativ ein. Solche Männer wirken dümmer und weniger sympathisch. Im Schnitt reagieren Frauen sensibler auf männliche Gerüche als Männer auf den Duft der Frauen. Doch Frauen, die die Pille nehmen, reagieren überhaupt nicht auf diese Substanzen. Zwar bevorzugen auch Männer im Experiment wegen des Geruchs Partnerinnen, die ihnen genetisch unähnlich sind. Doch im Alltag verschwindet diese Wirkung. Die Männer urteilen in erster Linie nach dem Aussehen. Der Naturduft der Frauen ist ohnehin von künstlichen Parfümen überlagert.
Immerhin – einen Erfolg konnten Forscher in jüngster Zeit verbuchen. Es gelang ihnen, mit einem jasminartigen Duft jene Hirnzentren zu aktivieren, die Pheromone verarbeiten. Aber im Unterschied zu Tieren änderte sich das Verhalten der menschlichen Versuchskaninchen nicht. Menschen, die einen solchen Duft tragen, riechen zwar angenehm. Aber sie werden nicht unbedingt attraktiver. Sie lösen kein reflexartiges Anbaggern aus.
Sind Sexuallockstoffe also wirkungslos? Durchaus nicht. Aber ihre Wirkung liegt woanders. Schon lange weiß man, dass Frauen, die in einem Haushalt zusammenleben, im Laufe einiger Wochen unbewusst ihren Zyklus aneinander angleichen. Daran ist vermutlich der unterschwellige Geruch schuld, denn er ändert sich im Verlauf des Zyklus.
US-Forscher entdeckten außerdem, dass sich der Eintritt in die Pubertät verzögert, wenn im Haushalt der Vater lebt. Das ergab im Sommer 2006 ein Vergleich von Töchtern allein erziehender und verheirateter Mütter. Lebten die Mädchen allein mit der Mutter, kamen sie früher in die Pubertät. Ohne vom Vater ausgesendete Duftstoffe setzt die Geschlechtsreife eher ein. Leibliche Brüder beeinflussen den Zeitpunkt nicht. Stiefbrüder und der Kontakt zu fremden Männern – etwa in großstädtischer Umgebung – lässt dagegen die Pubertät noch zeitiger eintreten. Vermutlich ist das ein Schutzmechanismus aus Urzeiten, um Inzucht in der Familie zu verhindern.
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Veröffentlicht im Oktober 2006 © by www.berlinx.de
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