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Tipps und Tricks für den Ernstfall

Im ersten Teil erfuhren Sie, wie Sie das Überraschungs­moment ver­dau­en und in Sekun­den­schnelle ein Konzept für Ihre Rede fin­den. Jetzt er­fahren Sie, wie Sie sicher und sou­verän auf­treten, obwohl Sie unvor­bereitet sind.

Sie haben die erste Schreck­se­kun­de überwunden, Sie kennen Ihr Thema und haben sich für eine unserer Strukturen aus Teil 1 ent­schie­den. Wenn Sie jetzt bei Ihrem Auftreten keine groben Schnitzer machen, werden Sie den Zuhörern als souveräner Redner in Erinnerung bleiben, der keine Herauforderung scheut. Das ist nicht schwer, wenn Sie folgende Punkte beherzigen.

Lassen Sie zuerst Ruhe einkehren und dann fangen Sie einfach an. Sie brauchen keinen genialen ersten Satz. Sagen Sie deshalb auch nicht: „Man hat mich aufgefordert, hier ein paar Worte zu sagen, eine Aufforderung, der ich gern nachkomme.“ Das erste weiß jeder, dass zweite („gern“) ist gelogen. Sagen Sie auch nicht, Sie hätten wenig Neues zu berichten, aber wollten gern … Sparen Sie sich alle Floskeln und kommen Sie gleich zur Sache, also zum Anlass der Zusammenkunft. Falls Sie nicht alle Anwesenden kennen, stellen Sie sich vor.

Sprechen Sie wie zu Ihren Tischnachbarn. Beim Plaudern in der Kneipe haben Sie kein Problem, sicher Ihre Meinung zu vertreten. Warum dann beim Reden vor versammelter Mannschaft. Der förmliche Rahmen schüchtert ein. Schauen Sie abwechselnd die Leute an, mit denen Sie auf vertrautem Fuße stehen und sprechen Sie zu ihnen: Selbstsicher, aber nicht förmlich oder gar gekünstelt.

Einfache Sätze. Versuchen Sie auf keinen Fall wie ein gedrucktes Manuskript zu sprechen. Wer Bandwurmsätze bastelt und viele Fachwörter einstreut, wirkt nicht kompetent, sondern unsicher. Wirklich kluge Redner zeichnen sich dadurch aus, dass sie komplizierte Sachverhalte in einfachen kurzen Sätzen der Alltagssprache verdeutlichen können.

Keine Monotonie. Je gleichförmiger, desto gefühlloser wirkt die Rede. Wenn Sie wissen, dass Sie zu einer monotonen Sprechweise neigen, variieren Sie Ihr Sprechtempo. Sprechen Sie zentrale Gedanken lauter aus, Erläuterungen leiser. Das genügt schon, um einer kurzen Rede Lebendigkeit und Emotionen zu verleihen.

Offene Körpersprache. Stecken Sie nicht die Hände in die Hosentaschen. Kreuzen Sie nicht die Arme vor der Brust oder gar vor dem Schoß. Ungeübte Redner fühlen sich unwohl, wenn sie die Arme einfach an der Seite herunterhängen lassen. Den Zuschauern erscheint dies jedoch völlig natürlich. Gestikulieren Sie nicht wie wild drauf los. Schauen Sie weder zu Boden, noch zur Decke oder aus dem Fenster. Suchen Sie Blickkontakt mit wohlwollenden Zuhörern, das gibt Ihnen Sicherheit.

Reden Sie wenig über sich selbst. Eigene Erfahrungen sollten immer im Zusammenhang mit dem Thema oder dem Jubilar stehen. Nutzen Sie die Gelegenheit auf keinen Fall, um Ihre Lieblingsansichten zu verbreiten – es sei denn, Sie wollen dafür sorgen, dass man Sie nie wieder zu einer Spontanrede auffordert.

Keine Anbiederung. Sagen Sie Positives über den Jubilar, aber bleiben Sie sachlich. Dicke Schmeicheleien sind für den Gegenstand Ihrer Rede genauso peinlich wie für seine Gäste.

Humor ist gut, Witze sind gefährlich. Können Sie vergangene Krisen aus heutiger Sicht mit sanftem Humor beschreiben? Wem diese Gabe fehlt, versucht gern, sie durch das Erzählen abgestandener Witze zu ersetzen. Was tun, wenn das Publikum aufstöhnt, statt mit Ihnen zu lachen?

Meiden Sie die Smalltalk-Tabus. Vermeiden Sie alles, was peinlich ist oder Zank auslösen könnte. Dazu gehören: Politik, Religion. Sex, Krankheiten, Tod, körperliche Mängel.

Kommen Sie zum Ende. So manchen Redner beschleicht das Gefühl, er müsse noch einen abrundenden Schlussgedanken bringen. Solange er nach ihm sucht, redet und redet er. Gelangweilte Mienen steigern seinen Eifer nur noch. Jetzt redet er schon einen Viertelstunde, dabei wollte er eigentlich überhaupt nicht reden. Daher: Wenn Sie erzählt haben, was Ihnen spontan eingefallen war, äußern Sie in zwei Sätzen Ihre Hoffnungen auf die Zukunft und dann machen Sie Schluss. Man sollte seine Rede lieber etwas eher als erwartet beenden als zu spät.

Falls Sie öfter in die Verlegenheit kommen, spontan reden zu müssen, lohnt es sich, die Fähigkeit der Stregreifrede zu trainieren. Vier Übungen eignen sich dafür besonders:

Zufallswortrede: Tippen Sie in irgendeinem Buch blind auf eine Seite. Über das Wort, was sie da getroffen haben, halten Sie einen Zweiminutenvortrag. Üben Sie das solange, bis zu auch zu dem abartigsten Wort ohne Stocken zusammenhängend sprechen können.

Definieren: Egal, was Sie im Fernsehen gerade schauen – versuchen Sie, eines der gerade gefallenen Wörter zu definieren. Was ist eine Straße? Was haben Straßen für Autos, Ameisen, Wasserstraßen usw. gemeinsam? Oder historisch: Straßen der Römer, die Seidenstraße, im Mittelalter, im 19. Jahrhundert usw. Erzählen Sie ohne etwas nachzuschlagen.

Meinungsvortrag: Ein Kommentator gibt eine Meinung zu einem aktuellen Thema ab. Ersinnen Sie einen Gegenkommentar. Halten Sie sich dabei an folgende Grobstruktur: Welches ist das strittige Thema? Was spricht dafür? Was dagegen

Dreiwortübung: Tippen Sie aus einem Duden drei Wörter per Zufall heraus. Halten Sie nun einen Kurzvortrag, in dem alle drei Wörter vorkommen. Wenn Sie zum Beispiel „Schienbein – töten – Insel“ getippt haben: Welche Argumentation bringt alle drei zusammen?

Lesen Sie bei uns auch:
Rhetorik 1, 2, 3
Manipulative Rhetorik Die dunkle Seite der Redekunst
Dialektische Rhetorik Die Kunst des argumentativen Schlagabtauschs

veröffentlicht im Juli 2012 © by www.berlinx.de

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