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Sie soll uns vor Ge­fahren schützen. Aber für rund 10 Prozent der Men­schen ist die Angst selbst zur Be­drohung geworden. Wenn Sie Ihre Ängste ver­stehen lernen, haben Sie den ersten Schritt zu ihrer Über­windung getan. Egonet hilft.

Ein mul­miges Gefühl. Sich irgend­wo ver­kriechen. Unan­genehmes Zittern der Hände. Schreck­geweitete Augen. Doch nicht immer sind die Anzeichen so ein­deutig. Die meisten Ängste kommen still und unauf­fällig daher. Nach außen eine tapfere Fassade, aber im Innern sitzt ein zitterndes Häschen, das einfach abtauchen möchte. Bloß nicht raus gehen, bloß nicht den täglichen Anforderungen gegenüber treten müssen.
Noch nie lebten wir so sicher wie heute. Noch nie waren wir so gut vor Katastrophen, Verbrechen, Krieg, Hunger und Elend geschützt. Und doch waren unsere Vorfahren weniger von Ängsten gequält. Die Anzahl der Ängstlichen war noch nie so hoch wie heute. Sie wächst ständig weiter. Viele haben Bammel, im Beruf zu versagen, fürchten um den Arbeitsplatz, die Gesundheit, sehen ihre Zukunft in schwärzesten Farben. Jeder zweite von uns hat starke Ängste kennen­gelernt, bei über einem Viertel davon gesteigert bis zur Panik.

Nicht alle Ängste sind eingebildet. Viele Gefahren sind real. Wie Wut, Trauer oder Freude ist die Angst eine Basisemotion. Sie ist uns angeboren und soll uns vor Leichtsinn schützen. Augen und Ohren öffnen für bedrohliche Signale. Uralte Instinkte schalten Kampf-, Verteidigungs- oder Fluchtbereitschaft ein. Adrenalin schießt ins Blut, wir atmen schneller, die Muskulatur ist aktionsbereit. Wir spüren Herzrasen, Kribbeln und Schweißausbrüche. Eine gesunde Angst vergeht wieder, sobald wir uns in Sicherheit gebracht haben. Doch für viele ist das mulmige Gefühl ein dauernder Begleiter geworden. Es nimmt ihnen Unbeschwertheit und einen Teil ihrer Lebensfreude. Angst löst zudem Ausweich­verhalten aus. Wir meiden Plätze, Personen und Ereignisse, die wir als bedrohlich empfinden. Damit können wir aber keine gegenteiligen positiven Erfahrungen machen. Vielleicht ist der Platz gar nicht gefährlich, aber da wir nicht hingehen, merken wir es nicht.

In schweren Fällen können unkontrollierbare Angstanfälle die Lebenstüchtigkeit stark einschränken. Die Betroffenen ziehen sich auf wenige sichere Lebensräume zurück und sind auf ständige Einnahme von Beruhigungsmitteln angewiesen. Unbeschwertes Genießen wird für sie ein fernes Ideal, das sie nur noch aus Büchern, Filmen und Erzählungen glücklicherer Zeitgenossen kennen.

Wer seine Ängste kennt, kann ein gezieltes Gegenprogramm starten. Mit therapeutischer Hilfe sind heute bis zu 90 Prozent der Ängste heilbar. Doch viele kennen ihre Ängste gar nicht. Zum Teil, weil sie Angst vor ihren Ängsten haben. Sie verdrängen ihre Ängste, verbergen sie hinter rast­loser Tätigkeit („workaholics“) oder versuchen sie wegzuer­klären. Indem sie ihr als Verhalten als besonders voraus­schauend und vorsichtig inter­pretieren oder kleine Unannehm­lichkeiten unverhältnis­mäßig aufbauschen.

Warum nehmen die Ängste zu? Hauptgrund ist die Überforderung. Auf zu vielen Gebieten sollen wir gleichzeitig perfekt funktionieren. Ob im Beruf, als Eltern, in der Ausbildung, im Freundeskreis – überall wollen wir als Überflieger alle Hindernisse lächelnd hinwegfegen. Kummer und Sorgen gelten als Schwäche und werden sorgsam verschwiegen. Wer scheitert, muss nicht nur seinen Misserfolg, sondern auch noch die Verachtung der Mitmenschen fürchten. Daraus erwachsen viele Ängste: Vor dem Versagen, vor der Entdeckung der eigenen Schwächen, vor der sozialen Ausgrenzung. Und vor Menschen und Situationen, denen man nicht gewachsen sein könnte.

Ängste, die die Teilnahme am Leben einschränken oder gar verhindern, brauchen professionelle Behandlung. Ängste, die Sie zwar empfinden, aber im Griff haben, können Sie selbst bekämpfen. Die erfolgreichsten acht Anti-Angst-Strategien sind:

  1. Betrachten Sie Ihre Angstgefühle und –symptome als normale Stressreaktionen. Sie dienen Ihnen als Warnung, aber nicht als Verbot zu handeln.
  2. Unterscheiden Sie Realität und Angstbewertung. Beschreiben Sie möglichst sachlich – wie durch die Augen eines außenstehenden Beobachters, was tatsächlich vorgeht.
  3. Malen Sie sich nicht die Katastrophe durch furchterregenden Phantasien aus. Fragen Sie sich vielmehr. Wenn ich jetzt so und so handle, was könnte – realistisch gesehen – schlimmsten­falls passieren?
  4. Begeben Sie sich in die Situation und halten Sie es darin aus. Sie werden sehen: Nach einer Minuten beginnt die Angst zu schwinden.
  5. Wenn möglich, nähern Sie sich der angstauslösenden Situation schrittweise. Steigern Sie die Mutprobe Stufe für Stufe.
  6. Vermeiden Sie jede Art von Vermeidungsverhalten: Ausflüchte, Ausreden, Umgehungs­rituale. Sie würden Ihre Angst zementieren.
  7. Reden Sie sich nicht ein, Sie würden gut ohne die angstauslösenden Situation durch das Leben kommen. Jedes Ausweichen kostet Sie ein Stück Lebensqualität und zieht weitere Ängste nach sich.
  8. Setzen Sie sich vielmehr so oft wie möglich der Angstsituation aus. Immer soweit, wie Sie es gerade noch mit Herzklopfen ertragen können. Wenn nötig, bitten Sie eine gute Freundin, Sie anfangs zu begleiten.

In den folgenden Monaten setzen wir das Thema fort mit Beiträgen zu speziellen Angstformen.

Veröffentlicht im Februar 2008 © by www.berlinx.de

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