Das neue Wohl-Gefühl
Gut jeder zweite hat schlechte Erwartungen für die Zukunft, ergab eine Studie der Uni Bielefeld. Wie schützt man seine Seele in diesen rauen Zeiten?
Die neunziger Jahren waren die Zeit der Abenteuer- und Spaßgesellschaft. Terror, Aktiencrash und Arbeitsplatzunsicherheit haben die Stimmung verhagelt. Was tun, wenn morgen ein Orkan mein Haus zertrümmert? Oder ich plötzlich an Krebs erkranke? Werden dann meine Freunde treu an meiner Seite stehen? Die meisten Menschen erwarten nicht mehr den ganz großen Gewinn. Sie wünschen sich vielmehr ein entspanntes, friedliches Umfeld. Verlässlichkeit, unbeschwerte Stimmung, ein Abfolge kleiner Glücksmomente – das ist das neue, bescheidenere Ideal.
Für diese Entwicklung gibt es zahlreiche Anzeichen:
- Nahurlaub kommt in Mode, weniger als 20 Prozent unternehmen Fernreisen.
- Cocooning, das Einigeln in den eigenen vier Wänden, ist Trend.
- Viele, die sich vor zehn Jahren ein Leben als Superstar Startup-Unternehmer erträumten, wünschen sich heute, überhaupt eine halbwegs sichere Arbeit zu haben.
- 95 Prozent halten verlässliche Freunde für lebenswichtig. Die Mehrheit findet es schwierig, echte Freunde zu finden.
Doch wie findet man Geborgenheit in einer Zeit zunehmender Vereinzelung? Da gesellschaftliche Orientierungen fehlen, versteht jeder unter Geborgenheit etwas anderes. Für die einen ist es der Job, für andere Heimat, der Glauben – die traditionelle Familie mit mehreren Kindern ist es nur noch für eine Minderheit. Zudem setzen Frauen und Männer unterschiedliche Schwerpunkte. Geborgenheit ist für
Frauen: Zuneigung, zwischenmenschliche Wärme und sich anderen zugehörig fühlen.
Männer: Verlässlichkeit, Kameradschaft, Freundlichkeit.
Doch welche Werte auch vorherrschen – immer ist es das nahe Umfeld, was Geborgenheit spendet. Wer Wert auf Heimat legt, identifiziert sich nicht mit einer abstrakten Idee, sondern mit den vertrauten Menschen, Straßen und Plätzen in seiner Nähe. Sie sind für ihn „Heimat“. Darin liegt auch die Schwierigkeit bei der Suche nach Geborgenheit im eigenen Leben. Wenn jeder andere Ziele verfolgt wie können wir dennoch Geborgenheit beieinander finden?
- Besinnen Sie sich auf Ihre eigenen Kompetenzen. Auf welche Ihrer Talente können Sie sich verlassen – so dass Sie sich mit ihnen auch im Katastrophenfall am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen können?
- Setzen Sie sich sinnvolle und zugleich realistische Ziele. Bei Ihrer Umsetzung spüren Sie, wie Sie erfolgreich Einfluss auf Ihr Schicksal nehmen. Diese Erfahrung vermittelt Selbstvertrauen und damit Geborgenheit.
- Finden Sie Verbündete. Welche Werte und Bestrebungen haben Sie mit Ihren Nächsten gemeinsam? Auch wenn Sie verschiedene Ziele verfolgen – suchen Sie das Gemeinsame in den Unterschieden und handeln Sie in diesen Bereichen gemeinsam. Setzen Sie sich für die Ziele Ihrer Freunde ein, dann werden diese Ihre Ziele fördern.
- Mindern Sie die Risiken, auf die Sie Einfluss haben. Es ist kaum glaubhaft: Es gibt Raucher, die sich vor Feinstaub fürchten. Obwohl selbst der aggressivste Staub eine Bagatelle darstellt im Vergleich zum täglichen Tabakqualm. Wer sein eigenes Fahrzeug über die Autobahn steuert, hat ein viel höheres Risiko als ein Bahnreisender, der sich fürchtet, von einem herrenlosen Koffer in die Luft gejagt zu werden. Die größten Risiken mit jährlich etlichen zehntausend Todesopfern sind außer Zigaretten: Alkohol, Fettleibigkeit, Bewegungsmangel.
- Investieren Sie mehr Zeit und Aufmerksamkeit in die Pflege Ihrer Freundschaften. Es lohnt sich: Freunde verlängern Ihre Lebenserwartung statistisch ebenso wie regelmäßiges Joggen.
- Helfen Sie anderen. Das erhöht das Gefühl der Geborgenheit auch dann, wenn Sie nicht immer mit überschwänglichem Dank belohnt werden. Es tut wohl, gebraucht zu werden. Zugleich verstärkt es Ihr Vertrauen in Ihre eigenen Kompetenzen. Sie nützen nicht nur Ihnen, sondern auch anderen.
Veröffentlicht im November 2007 © by www.berlinx.de
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