Gewinnen Sie gegen den Abwärtstrend mit der Machiavelli-Strategie

Seit Jahren herrscht Katerstimmung in Deutschland. Dennoch: Unter vielen Verlierern finden sich einige Überlebenskünstler, die gerade in schwierigen Zeiten ihre größten Erfolge feiern. Ihre Tricks verrät unser Autor Frank Naumann in seinem neuesten Buch.

Wer würde nicht gern ständig von Erfolg zu Erfolg schreiten? Leider entwickeln sich die Dinge häufig nicht so wie erhofft. Unvorhergesehene Ereignisse werfen die Finanzplanung über den Haufen. Freunde lassen einen im Stich, wenn man sie am nötigsten braucht. Die „ewige“ Liebe macht sich ungeachtet aller Treueschwüre ohne Vorankündigung mit der halben Wohnungseinrichtung und dem gesamten gemeinsamen Konto aus dem Staub. Und dann beginnt noch ein neidischer Kollegen an dem Stuhl zu sägen, den man sich gerade erst mit einem Quentchen Glück und vielen Überstunden erkämpft hat.

In guten Zeiten voranzukommen ist nicht so schwer. Es genügt im allgemeinen Erfolgsstrom mitzuschwimmen. Um so größer der Schrecken, wenn das Blatt sich wendet! Typische Panikreaktionen, wenn es plötzlich abwärts geht, sind:

  • Auf Pump leben, um den bisherigen Standard zu halten
  • Prinzip Hoffnung – solange wie möglich weitermachen wie bisher
  • Den Kopf einziehen und alle Aktivitäten herunterfahren
  • Bis zum Umfallen schuften, um die Verluste auszugleichen
  • In Selbstmitleid schwelgen
  • Alles hinwerfen und rufen „Man hat mich betrogen“.

Ist das „Tal der Tränen“ unvermeidlich? Durchaus nicht. Ein Blick in die Wirtschaft beweist das Gegenteil. Während ab 2001 der deutsche Aktienindex zwei Drittel seines Wertes verlor, ging es mit Porsche und Puma aufwärts. Ähnlich sieht es im Privatleben aus. Die meisten leiden, wenn der Job oder der Partner verloren gehen. Aber fast jeder kennt einige Glückskinder, die aus ihrer Krise als Gewinner hervorgingen. Sie verlieben sich wie nie zuvor. Oder ihre Karriere erreicht jetzt erst richtig volle Fahrt.

Vor 500 Jahren stieß als Erster der Italiener Niccoló Machiavelli (1469-1527) auf dieses Problem. Damals erschütterten schwere Krisen seine Heimat. Das Land war in rivalisierende Stadtstaaten gespalten, die einander erbittert bekämpften – mit blutigem Krieg, Verrat, Attentaten und Giftmorden. Machiavelli erlebte den Wechsel von Siegen und Katzenjammer als Gesandter der Republik Florenz am eigenen Leibe. Am Ende wurde er der Verschwörung beschuldigt, erlebte Folter und Kerker.

Als er endlich frei kam, interessierte ihn nur noch eins: Wie zieht man Nutzen aus unsicheren Zeiten ? Wie vermeidet man es künftig, vom Strudel der Ereignisse verschlungen zu werden? Was er herausfand, war ernüchternd, aber auch sehr erfolgreich. Die Machiavelli-Strategie umfasst folgende Prinzipien:

  • Selbstbehauptung: Ein starker Einzelkämpfer kann eine Erfolgsgeschichte in Gang setzen, wenn er kluge Bündnisse zu schließen versteht.
  • Motivation: Menschen werden durch Interessen gelenkt, nicht durch Appelle an Güte und Vernunft.
  • Erfolgskriterien: Ein solider Erfolg zeichnet sich durch Dauer, Stabilität und Nutzen für alle aus.
  • Konkretheit: Jeder Einzelfall ist anders und muss nach seinen besonderen Umständen beurteilt werden statt nach einer abstrakten Moral.
  • Flexibilität: Kein Mittel ist von Vornherein auszuschließen. Es zählt allein der Enderfolg.

Auf unser heutiges Leben angewendet, lassen sich 15 Gewinnerstrategien ableiten. 3 können wir Ihnen im Rahmen dieses Beitrags als Beispiel vorstellen. Frank Naumann hat alle 15 detailliert in seinem Buch dargestellt (Literaturangabe am Ende dieses Beitrags).

1.Denken Sie in Wellen und Zyklen. Die Medien sind voll von Trends. Immer schneller wechseln die Moden. Wir schaffen es kaum noch, auf den neuesten Zug aufzuspringen. Ob es um Aktienkäufe, neue Klamotten oder Weiterbildung im Job geht – immer plagt uns die Angst, eine wichtige Neuerung zu verpassen. Aber was gerade als Trend verkündet wurde, ist in Wahrheit schon wieder Schnee von gestern. Längst basteln Erfinder und Modemacher am Trend von morgen. Es fällt schwer, sich dem allgemeinen Strom der Vorlieben und Überzeugungen entgegen zu stemmen. Aber es ist die beste Versicherung gegen Krisen. Es ist nicht nur klug, in guten Zeiten mit Verschlechterung zu rechnen. Wichtiger noch ist es, umgekehrt in der Krise nicht ins Jammern zu verfallen. Sondern sich zu sagen: „So schlecht wie die Dinge liegen, kann es eigentlich nur noch besser werden.“ Wenn alle Welt in Lethargie verfällt – werden Sie aktiv! In Krisenzeiten gilt eine kleine Aufwärtsbewegung schon als Riesenerfolg.

Antizyklisches Denken heißt:

  • Halten Sie eine Rückschau auf Ihr bisheriges Leben. Wann ging es aufwärts, wann hatten Sie Probleme? Welche Zeitspanne verging zwischen zwei Aufwärtsbewegungen? Rechnen Sie auch für Ihre Zukunft mit einem ähnlichen Lebensrhythmus.
  • Misstrauen Sie Trends und Moden. Experten verlängern oft nur den gegenwärtigen Trend weiter in die Zukunft. Wenn ein Trend schon eine Weile anhält, stellen Sie sich lieber darauf ein, dass die Stimmung demnächst umkippt.
  • Aus der Vergangenheit lernen. Was ist heute völlig out? Gerade was schon länger tot gesagt ist, könnte demnächst wieder in Mode kommen.

2. Besinnen Sie sich auf Ihre Kernkompetenz. Erfolgssträhnen sind gefährlich. Sie verleiten zur Selbstüberschätzung. Glücksritter sagen sich: „Alles, was ich anfasste, ist bisher gelungen. Vielleicht sollte ich mein Tätigkeitsfeld erweitern?“ Da lauert eine Variante des Peter-Prinzips. Es stammt von dem Pädagogen Lawrence J. Peter. Ihn interessierte, warum in staatlichen Ämtern so viele unfähige Leute sitzen. Seine Antwort. Wer gut ist, wird befördert. Solange, bis er auf einem Posten angekommen ist, der ihn überfordert. Nun ist er nicht mehr gut, und wird nicht mehr befördert. Würde das Beförderungskarussell eine Stufe früher stoppen, säßen auf allen Posten gute Leute. Da der Aufstieg aber erst endet, wenn sich der Beamte als unfähig herausgestellt hat, ist die Hierarchie voll von Leuten, die ihrer Aufgabe nicht gewachsen sind.

Auf dem gleichen Mechanismus beruht die Erfolgsfalle. Anfangssiege erzielt man dort, wo man sich auskennt. Auf dem Gebiet der ureigensten Kompetenz. Sie verleiten dazu, in fremden Territorien zu wildern, in denen sich andere besser auskennen. Das Ergebnis ist ein jäher Absturz, der die Gewinne der Anfangserfolge auffrisst. Prominentes Beispiel: Der Autobauer Mercedes. Unter Manager Jürgen Schrempp, der vor wenigen Wochen „gegangen“ wurde, hat der kompetente Autobauer seine Gewinne beim Versuch verspielt, einen Weltkonzern aufzubauen, der Kleinwagen („Smart“), aber auch Konkurrenten (Chrysler, Mitsubishi) sowie Flugzeug- und zahlreiche andere fachfremde Firmen unter einem Dach vereinte.

So finden Sie Ihre Kernkompetenz heraus: Stellen Sie sich und Ihren Freunden folgende Fragen:

  • Was kann ich besser als andere?
  • Womit beschäftige ich mich aus eigenem Antrieb?
  • Welchen Job würde ich wählen, wenn Geld kein Thema wäre?
  • Mit welchen Gegenständen und Informationen umgebe ich mich am liebsten?
  • Welche Informationen und Fertigkeiten bleiben ohne große Übung, wie von selbst, in meinem Gedächtnis haften?
  • Teile ich Arbeit und Freizeit am liebsten mit anderen oder ziehe ich es vor, in eigener Verantwortung meine Ergebnisse zu erzielen?
  • Welche Art von Erfolgen ist mir am wichtigsten: Geld, Anerkennung, Unabhängigkeit oder hoher Status?
  • Welche charakterlichen Stärken habe ich?

Dort wo Sie und Ihre Bekannten in der Einschätzung Ihrer Vorlieben übereinstimmen, liegt Ihre Kernkompetenz. Was nur Sie als Ihre Stärke beurteilen, mögen Sie zwar gut können, aber da Ihre Mitmenschen bislang davon wenig bemerkt haben, werden Sie damit wahrscheinlich keine öffentlichen Erfolge und kein Einkommen erzielen. Und was andere bei Ihnen entdecken, aber Sie selbst nicht? Dafür sind Sie nicht ausreichend motiviert. Sie würden nicht lange durchhalten.

3. Lächeln statt Kopf einziehen. Wir neigen dazu, schlechte Zeiten als Unglück zu betrachten. Alle Alarmglocken sollten schrillen, wenn Sie Sätze wie die folgenden hören (oder selbst aussprechen):

  • „Das haben wir immer so gemacht.“
  • „In dieser Lage sollten wir auf Bewährtes zurückgreifen.“
  • „Wenn wir uns alle ein bisschen mehr Mühe geben, kommt alles wieder ins Lot.“
  • „Es genügt, wenn wir sparsamer wirtschaften.“
  • „Persönliche Ansprüche sollten wir eine Zeitlang zurückschrauben.“

Solche Äußerungen sind ein Anzeichen, dass die Dinge anfangen aus dem Ruder zu laufen. Der Sprecher schwenkt deshalb auf Defensive um, auf die Bewahrung des Erreichten.

Krisen bieten jedoch dem cleveren Glücksjäger zahlreiche Möglichkeiten. Es sind nur andere als in guten Zeiten. Und er muss bereit sein, sie wahr zu nehmen – im doppelten Wortsinne: sie zu erkennen und sie zu nutzen. Wie in folgender Anekdote:

Zwei Schuhverkäufer sind im Busch von Zentralafrika unterwegs, auf der Suche nach neuen Absatzmärkten. Der eine sendet seinem Chef aus der nächstgrößeren Stadt folgende E-Mail: „Leider nichts zu verkaufen. Eingeborene tragen keine Schuhe.“
Der andere: „Riesige Chancen! Keiner der Eingeborenen trägt Schuhe. Wir können den Markt beherrschen. Ich habe den größten leerstehenden Laden angemietet. Schicken Sie, was unser Lager hergibt.“

Krisen entwickeln sich bei Übersättigung: Gewohnte Verhaltensweisen bringen nicht mehr den gewohnten Erfolg. Bedürfnisse bestehen nicht mehr, sind mehr als befriedigt oder die Ansprüche sind gewachsen. Das gilt für Ehekrisen ebenso wie für wirtschaftliche Talfahrten. Mit der Machiavelli-Strategie stehen Ihnen zwei erfolgversprechende Alternativen zur Verfügung.

3.1 Krise als Glücksfall: Wechseln Sie wie der Schuhverkäufer in unserer Anekdote die Perspektive. Krisen machen unzufrieden? Wunderbar! Unzufriedenheit bedeutet viele unbefriedigte Wünsche. Bieten Sie Abhilfe an. Schlechte Zeiten bedeuten kein „Nichts geht mehr“. Sie bringen vielmehr andere Bedürfnisse hervor, zum Beispiel nach:

  • Sparsamkeit
  • Sicherheit
  • Ablenkung
  • Weiterbildung
  • Wärme und Bindung.

3.2 Krise als Gelegenheit zum Ausstieg: Krisen verleiten zur Selbst-Beschuldigung. Die Angst vor Entlassungen fördert Selbstausbeutung bis zum Burnout. 60 Prozent der Deutschen machen Überstunden, ohne zu murren. Mehr als 40 Prozent arbeiten bis zu 50 Stunden in der Woche, 20 Prozent noch mehr. Das ergab Umfrage beim Jobportal monster.de. Wenn Betriebe wieder die 42-Stunden-Woche einführen, legalisieren sie nur einen Zustand, der inoffiziell längst üblich geworden ist.

Je mehr der Arbeitsmarkt schrumpft, je mehr erfolglose Bewerbungen einer schreibt, desto häufiger hören wir den Satz: „Er hat sich wenigstens bemüht.“ Auch wenn am Ende nur Erschöpfung und Verzweiflung über die Aussichtslosigkeit des Bemühens stehen. Ein anderer sagt: „Aus diesem sinnlosen Gedränge um die viel zu knappen Pfründe halte ich mich heraus.“ Er fällt dem einmütigen Tadel anheim. Dabei ist Gelassenheit durchaus eine vernünftige Alternative.

Krisen haben einen Vorzug: Sie gehen vorüber. Eine „Dauerkrise“ ist ein Widerspruch in sich. Je größer die Katastrophe, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass es bald wieder aufwärts geht.

Alles zu diesem Thema finden Sie in:
Frank Naumann: Kleiner Machiavelli für Überlebenskünstler. 15 Gewinnerstrategien in Krisenzeiten. Rowohlt Taschenbuch, Reinbek 2005, EUR 8,90.

Veröffentlicht im September 2005 © by www.berlinx.de

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