Setzen Sie sich durch mit Taktik und Finesse

Ziele durchsetzen, ohne sich unbeliebt zu machen – wer möchte das nicht? Seit Jahrhunderten beherrschen Diplomaten diese Kunst. Jetzt hat unser Autor Frank Naumann ihre Prinzipien und Tricks studiert und sie in einem Taschenbuch veröffentlicht.

In einer Diplomatenschule fragt der Professor bei der Abschlußprüfung: „Sie kommen zu später Stunde in Ihr Hotel zurück und betreten versehentlich das falsche Zimmer. Vor dem Spiegel steht eine entzückende junge Dame. Sie hat nichts an außer ihrem Radio. Wie bereinigen diplomatisch Ihren Faux pas?“
Der englische Absolvent antwortet: „Als Gentleman sage ich ‚excuse me’ und ziehe ich mich diskret und schnell zurück.“
Der französische Absolvent: „Ich setze auf meinen Charme, mache ihr ein Kompliment und lade sie zu einem Glas Champagner ein.“
Der deutsche Absolvent: „Ich schaue etwas unsicher durch den Raum und sage: ‚Würden Sie mich auf mein Zimmer bringen? Ich bin nämlich blind.’“

Diese kleine Anekdote lehrt: Diplomatisches Geschick hat nichts mit Anbiederei, Konfliktscheu und lügnerischer Schmeichelei zu tun. Es ist vielmehr die Kunst, zwischenmenschliche Probleme mit kreativen Umwegen zu entschärfen. Einige Genies der Diplomatie – Richelieu, Talleyrand, Metternich, Bismarck, Churchill und andere – haben raffinierte Taktiken erfunden und erprobt, um aus festgefahrenen Konflikten zu einem sanften, waffenlosen Sieg zu gelangen. Sie sind auch im modernen Alltag – beruflich wie privat – von Nutzen. Einige Gesetze des diplomatischen Verhaltens in Kurzform:

Unbeirrbar im Ziel, flexibel auf dem Weg dahin: Die meisten Menschen neigen dazu, sich durch Überredung von Ihren Zielen abbringen zu lassen. Sie reagieren aber störrisch, wenn es um die Methode der Umsetzung geht: „Wie ich das mache, mußt du schon mit überlassen.“ Kluge Diplomaten verhalten sich umgekehrt. Sie sind immer bereit, neue Wege zu erproben – solange es Ihrem Ziel dient, das sie nie aus dem Auge verlieren.

  • Stets als Verbündeter auftreten: Selbst im schärfsten Konflikt – ein Diplomat schlüpft nie in die Rolle eines Gegners. Er betont immer, daß er das Beste für beide Seiten im Sinn hat. Das ist mehr als bloße Augenwischerei. Wer sich als Gegner fühlt, hegt nämlich den Verdacht, der andere wolle ihn übers Ohr hauen. Er wird deshalb versuchen, schon getroffene Vereinbarungen nachträglich in seinem Sinne zu verändern.
    Beugen Sie vor mit diplomatischem Verhalten:
  • Fragen Sie: „Wie können wir uns so einigen, das wir beide zufrieden sind?“
  • “Über-sehen“ Sie seine Fehler. In wörtlichem Sinne. Schauen Sie darüber hinweg.
  • Äußern Sie Vorschläge statt Forderungen. Entschärfen Sie Forderungen Ihres Gegenüber, indem Sie zurückfragen: „Du schlägst also vor, daß wir …“
  • Bedanken Sie sich für seine Einwände. Sie helfen Ihnen, innere Widerstände des andern rechtzeitig zu erkennen und zu berücksichtigen.
  • Appellieren Sie an seine Großzügigkeit. Es bestehen gute Chancen, daß er sich bemühen wird, Ihr gutes Urteil über ihn durch sein Verhalten zu bestätigen.

Provisorisch ist besser als ewig: Viele Leute zögern vor weitreichenden Zugeständnissen, weil sie Angst haben, sich für alle Zeit festzulegen. Da zögern Männer sich zu binden, Kunden ein teures Auto zu kaufen und Geschäftsleute einen Vertrag mit mehrjähriger Laufzeit zu unterschreiben. Geben Sie sich diplomatisch: Schlagen Sie vor, Ihre Regelung erst einmal ein paar Wochen zu erproben. Danach schauen Sie gemeinsam, wie es gelaufen ist und bessern sie gegebenenfalls nach. Mit einem solchen Zugeständnis können Sie nur gewinnen. Würden Sie nämlich den anderen zu einer dauerhaften Vereinbarung überreden, mit der er dann nicht zufrieden ist, würde er trotz Vertrag von Ihnen eine Veränderung verlangen.

Kreativ verhandeln: Verhandlungskunst ist das Kernstück diplomatischen Geschicks. Sie verlangt Geduld, Salamitaktik, Interessenausgleich und die Fähigkeit, ungewöhnliche Einigungen zu finden. Die meisten Menschen steuern Kompromisse an – sie kommen einander auf halbem Wege entgegen. Diplomatische Finesse ist klüger. Die goldene Mitte ist nämlich vorhersehbar. Ein Beispiel: Stellen Sie sich vor, Sie wollten eine Antiquität erwerben und bieten 200 Euro. Der Verkäufer will 400. Mit dem üblichen Feilschen würden Sie sich bei 300 einigen. Um von Ihnen seine 400 Euro zu bekommen, steigt der Verkäufer einfach bei 600 ein. Die Erfahrung der Diplomaten hat eine Reihe von Umwegen ans Licht gebracht, um dem Zwang zur Mitte zu entgehen. Ein Beispiel: Sie bringen eine (fiktive) Auktion in Gang, indem Sie Angebote von mehreren Verkäufern einholen. Nun fordern Sie alle Anbieter auf, Ihnen ein günstigeres Angebot als ihre Konkurrenten zu unterbreiten.

Den Partner zum Sieg beglückwünschen: Versäumen Sie nie, Ihre Bewunderung zu äußern, wie viele Zugeständnisse Ihr Gegenüber Ihnen abgerungen hat. Auch wenn Sie überzeugt sind, selber der tatsächliche Gewinner zu sein. Wenn der andere glaubt, die Vereinbarung nutze ihm mehr als Ihnen, wird er alles daran setzen sie nie zu verletzen. Um Ihnen keinen Vorwand zu liefern, sie aufzukündigen. Wenn Sie gut verhandelt haben, ist Ihr Glückwunsch keine Lüge: Eine gute Vereinbarung bringt beiden Partner mehr Punkte ein als sie abgeben mußten.

Mit diplomatischen Methoden können Sie ein Machtgefälle umgehen. Seit Jahrhunderten haben Feldherren große Schlachten geschlagen, aber die Diplomaten – die keine anderen Waffen hatten als das Wort – haben die Früchte ihrer Siege eingesammelt. Was Napoleon eroberte, verteilten die Diplomaten beim Wiener Kongress. Auch über die Ergebnisse des zweiten Weltkrieges oder des Vietnamkrieges entschieden letztlich Diplomaten am Verhandlungstisch. Es ist kein Zufall, daß Frauen als die geborenen Diplomaten gelten. Fehlende Körperkraft läßt sich durch geschicktes Taktieren ausgleichen.

Die zwanzig Gesetze diplomatischen Verhaltens mit vielen alltagstauglichen Beispielen finden Sie in:
Frank Naumann: Die Kunst der Diplomatie. 20 Gesetze für sanfte Sieger. Rowohlt Taschenbuch Verlag 2003. EUR 8,90.

September 2003 © by www.berlinx.de

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