Sie haben ein tolles Redemanuskript – aber werden Sie es ebenso großartig präsentieren? Egonet verrät Ihnen, wie Sie auch ohne schauspielerisches Talent einen mitreißenden Auftritt hinlegen.
Falls Sie einen TV-Moderator oder bekannten Filmschauspieler bewundern – versuchen Sie nicht, ihn (oder sie) nachzuahmen. Ihre Harald-Schmidt-Imitation mag noch so gekonnt sein: Als erstklassiger Sie-Selbst wirken Sie um Längen origineller statt als zweitklassiger Schmidt-Ersatz.
Was das Publikum am meisten stört, ist ein widersprüchlicher Redner. Vielleicht haben Sie solche Leute selbst schon beobachtet:
- Der Redner sagt, er spreche aus tiefster Überzeugung, aber sein unsteter Blick und seine übertriebenen Gesten verraten das Gegenteil.
- Der Redner sagt mit um Verzeihung heischender Flüsterstimme, niemand könne ihn von seiner Überzeugung abbringen.
- Der Redner erklärt mit aggressiver Donnerstimme, für ihn seien ein friedliches Zusammenleben und ein diplomatischer Umgangston das Wichtigste.
Die Zuhörer erkennen den Widerspruch zwischen Rede und Persönlichkeit. Sie reagieren mit Unruhe und Ärger. Die Ursache für das Missvergnügen: Der Redner glaubte, eine Rolle spielen zu müssen. Er sagte nicht, was er denkt, sondern versuchte, den Leuten nach dem Mund zu reden. Daher Vorsicht vor jeder Art von Schauspielerei! Machen Sie sich das Leben einfach. Bleiben Sie natürlich. Studieren Sie keinen Auftritt ein! Treten Sie so ungekünstelt auf, wie Sie es auch im Freundeskreis tun würden. Betrachten Sie Ihre Zuhörer nicht als missgünstige Feinde, die nur darauf warten, Sie fertig zu machen. Wenn Sie selbst einer Rede lauschen, gehen Sie ja auch nicht mit dem Ziel hin, den Redner in Grund und Boden zu stampfen. Sie suchen vielmehr Informationen oder Unterhaltung.
Bieten Sie Ihrem Publikum das gleiche. Betrachten Sie es als wohlwollend. Als Verbündete. Sollten wirklich einige Saboteure darunter sein, wird sich die Mehrheit der Zuhörer auf Ihre Seite schlagen. ( Wie Sie mit Störenfrieden fertig werden, erfahren Sie weiter unten.)
So verwandeln Sie Ihren Auftritt in einen Erfolg:
- Zu Beginn, wenn sich Ihnen alle Blicke zuwenden, gönnen Sie sich drei Sekunden, in denen sie mit freundlicher Miene Blickkontakt suchen. Das gelingt am besten, wenn Sie einige wohlwollende Bekannte im Publikum sitzen haben.
- Stellen Sie mit einer (gut vorbereiteten) Eingangsbemerkung kommunikativen Kontakt zum Publikum her. Nehmen Sie darin Bezug auf den Anlass Ihrer Rede, Wenn Ihnen gar nichts Passendes einfällt, sagen Sie: „Ich danke Ihnen, dass Sie mit mir gemeinsam zwanzig Minuten über das Problem (Thema Ihrer Rede) nachdenken wollen.“
- Um Ihre Anfangssicherheit zu überwinden, lesen Sie die ersten zwei, drei Sätze aus dem Manuskript ab. Schauen Sie dabei nicht nur auf den Text, sondern immer wieder ins Publikum. Sobald Sie sich gefangen haben, sprechen Sie frei.
- Sie können sich Zeit lassen beim freien Formulieren. Die meisten Redner sprechen zu schnell. Versuchen Sie probeweise mal, eine Pause zu machen. Sie werden sehen, dass die Leute aufmerksamer werden.
- Setzen Sie Technik und Anschauungsmitteln nur sparsam ein – und nur dort, wo Sie unentbehrlich ist. Viele Redner verstecken Ihre Unsicherheit hinter einer bombastischen Computerfolienshow. Oft steht auf den Folien nur der Text, den sie den Leuten zeitgleich vorlesen. Da wäre es einfacher, den Leuten einfach das Redemansukript in die Hand zu drücken. Die Zuhörer müssen Ihre Aufmerksamkeit zwischen Redner und Bildern teilen – mit der Folge, dass die meisten ganz abschalten.Denken Sie außerdem an Murphys Gesetz: „Was schief gehen kann, wird auch schief gehen,“ Je komplexer die Technik, desto sicherer die Technikpanne. Dann ist der Auftritt gelaufen, denn das Publikum lenkt seine Aufmerksamkeit von Ihrem Inhalt weg zu der viel spannenderen Frage: „Na, wird er die Technik noch in den Griff kriegen? Wann kommt die nächsten Panne?“
- Vergessen Sie am Ende Ihrer Rede nicht zu sagen, wie gespannt Sie auf die Fragen und konstruktiven Ideen Ihrer Zuhörer sind. Das bringt Ihnen zum Abschluss noch einmal jede Menge Sympathiepunkte. Und wer weiß: Vielleicht erfahren Sie tatsächlich etwas Neues.Eine Hauptursache für Lampenfieber ist die Angst, der Auftritt könnte völlig daneben gehen. Haben Sie Sorge, man könnte Sie auspfeifen oder – noch schlimmer – auslachen? Nehmen wir mal an, Ihre Angst sei berechtigt. Häufig brauchen Sie gar nichts zu tun. Entgleisungen sind dem Publikum oft peinlicher als dem Redner. Das heißt, die Leute tun meist so, als hätten sie den Faux pas gar nicht bemerkt. Und wenn das Auditorium doch negativ reagiert? In den über 2000 Jahren, seit es die Rhetorik gibt, haben erfahrene Redner unfehlbare Gegenmittel gegen jede Art von Panne gefunden. Merken Sie sich (oder notieren Sie sich), wie Sie mit solchen Situationen umgehen, und Sie können sicher vor Ihr Publikum treten.
So wappnen Sie sich gegen Redepannen:
- Sie bleiben stecken: Nicht herumdrucksen. Statt dessen unterbrechen Sie bewusst Ihren Vortrag und fragen Ihr Publikum: „Gibt es bis hierher Fragen?“ Oder Sie fassen zusammen, worüber Sie bis zu dieser Stelle gesprochen hatten und steigen danach an einer Stelle ein, an der Sie weiter wissen.
- Ihr Manuskript entgleitet Ihren Händen: Nicht beim Aufsammeln weiter reden! Sagen Sie lieber: „Meine Aufregung verleiht meiner Rede Flügel.“ Oder sagen Sie einfach: „Entschuldigung.“ Und sammeln in Ruhe (!) Ihre Blätter auf und sortieren sie, bevor Sie neu einsetzen. Wenn Sie nach Stichpunkten reden, die auf einzelnen Blatt passen, sind Sie vor dieser Panne geschützt.
- Mikrophonausfall: Sie können eine Pause einlegen. Oder Sie nutzen die Gelegenheit, bei den Leuten, einen unauslöschlich-positiven Eindrck zu hinterlassen. Sie gehen vo, Podium mitten unter die Leute und sprechen dort weiter. Wenn ein Projektor oder eine andere Technik ausfällt, sollten Sie vorbereitet sein, auch ohne Anschauungsmaterial Ihr Anliegen darzustellen.. Flexible Redner, die sich von keiner Eventualität erschüttern lassen, wirken sehr souverän.
- Sie verhaspeln sich: Unterbrechen Sie sich und atmen Sie drei Sekunden durch. Niemand wird Ihnen das als Schwäche ankreiden. Danach sprechen Sie langsamer als vorher weiter.
- Protestfragen aus dem Publikum: Bei jeder Störung aus dem Auditorium gilt immer: „Störungen haben den Vorrang.“ Redner, die Störer einfach ignorieren und mit lauter Stimme über sie hinwegreden, wirken unsicher. Unterbrechen Sie sich und sagen Sie: „Sie haben eine Frage?“ Damit zwingen Sie den Protestierer höflich zu bleiben und seinen Protest in eine Anfrage umzuformulieren. (Tut er es nicht, behandeln Sie seinen Protest als eine Anfrage.) Sie sind der Redner, Sie bestimmen die Spielregeln. Hören Sie den Protest an, aber antworten Sie nicht sofort, sondern sagen Sie: „Ich notiere … Ich werde nachher auf diesen Punkt noch zurückkommen.“ Und reden Sie weiter. Auf die Anfrage gehen Sie später, an einer passenden Stelle ein und fügen Sie hinzu: „Wir können über diese Frage hinterher in der Diskussion noch ausführlicher sprechen.“
Im dritten Teil erfahren Sie, wie Sie nach Ihrem Vortrag auch härtesten Fragen und Angriffen erfolgreich begegnen.
Lesen Sie bei uns auch:
Rhetorik (I) So bereiten Sie Ihren publikumswirksamen Auftritt vor
Rhetorik (III) So glänzen Sie in einer Diskussionsrunde
Veröffentlicht im Juni 2005 © by www.berlinx.de
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