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Bakterien kennen weder Weiblein noch Männlein. Schnecken sind beides zugleich. Warum gibt es bei uns zwei Geschlechter – mit all den Problemen, denen unsere Serie ihren unerschöpflichen Inhalt verdankt?

Die klassische Antwort der Biologen lautet: wegen der genetischen Vielfalt. Zwei Partner mischen ihre Erbanlagen, dadurch sind sie tödlichen Parasiten immer einen Schritt voraus. Aber um die Erbanlagen zu mischen, braucht es nicht unbedingt zwei Geschlechter, wie die Bakterien beweisen. Alle paar Generationen lagern sich zwei von ihnen aneinander und tauschen Erbanlagen aus. Das genügt völlig, um Immunkräfte gegen Viren, von denen auch Bakterien attackiert werden, zu entwickeln.

Im Herbst 2004 lösten zwei Budapester Forscher das Rätsel mit Hilfe einer Computersimulation. Nehmen wir an, die Menschheit bestände nur aus Frauen. Dann käme jede andere Frau – also faktisch jeder Mensch – als Partnerin in Betracht. Wir Menschen neigen aber dazu, unsere Partner in unserer nächsten Umgebung zu suchen. Rund die Hälfte aller Paare stammen aus der gleichen Stadt, wohnten beim Kennenlernen oftmals nur wenige Minuten getrennt.

Je mehr Personen als Partner infrage kommen, um so größer ist bei der Suche der Hang zur räumlichen Nähe. Anders ausgedrückt: Die meisten suchen erst dann in der Fremde – zum Beispiel übers Internet – wenn sie in der Nähe niemanden fanden. Gäbe es nur ein Geschlecht, würden sich die Chancen, in der Nachbarschaft jemanden zu finden, verdoppeln. Damit wächst aber die Tendenz zur Inzucht. Das kennt man aus entlegenen Dörfern, in denen die Hälfte der Einwohnerschaft denselben Familiennamen trägt, weil die Kinder der Bewohner wieder nur untereinander heiraten. Die Teilung in zwei Geschlechter beugt einer allzu großen genetischen Nähe vor.

Folgerichtig förderte die Evolution die Verschiedenheit von Männern und Frauen. Bleibt die Frage: Warum dann nicht drei, vier oder noch mehr Geschlechter? Schließlich würde damit der Zwang, sich in einem weiteren Umgebungsradius umzuschauen, noch größer. Das ist wahr – allerdings sinken dann auch die Chancen, überhaupt jemanden zu finden. Als sich der Mensch entwickelte, waren wir keine sechs Millionen, sondern nur wenige tausend. Drei (oder noch mehr) verschiedenartige Individuen zur Kinderzeugung zu vereinen, wäre da eine schwierige Aufgabe geworden, die nicht oft genug zum Erfolg geführt hätte. Zu wenig Kinder hätten der Menschheit das schnelle Aus beschert.

Daher hat sich in der Natur die Zweigeschlechtlichkeit durchgesetzt. Mit der bekannten Aufgabenteilung. Wenige große Eizellen – viele kleine Samenzellen. Kinder versorgende Frauen, Gene weit verstreuende Männer. Erst der Wunsch, Kinder aufzuziehen, zwingt die Eltern, einen Kompromiss ihrer verschiedenen Bedürfnisse zu finden. So unterschiedliche Tierarten, aber auch menschliche Kulturen ihr Familienleben organisieren – Harem, serielle Monogamie, lebenslange Treue, alleinerziehende Eltern – so ähnlich sind viele biologische Grundmuster.

Männer gibt es also, weil wir die Verschiedenheit brauchen. Doch die Natur behandelt Männer und Frauen nicht gleich. Einerseits leistet sie sich den Luxus der Homosexualität – bis zu fünf Prozent der Männer geben ihre Gene nicht weiter, da sie sich mit Männern paaren. Schon länger ist bekannt: An der Bevorzugung des eigenen Geschlechtes ist eine genetische Komponente beteiligt, die nur über die mütterliche Linie vererbt wird. Nach Darwins Theorie müssten die Gene solcher Männer längst ausgestorben sein, da sie kaum eigene Nachkommen hinterlassen. Doch Forscher der Universität Padua fanden heraus, dass weibliche Verwandte von schwulen Männern (Schwestern, Cousinen) im Schnitt mehr Kinder bekommen als die von heterosexuellen Männern. Da die Schwestern die Hälfte der Gene mit ihren homosexuellen Brüdern gemeinsam haben, geben die weiblichen Verwandten auch zur Hälfte deren Gene weiter. Über diesen Umweg bleibt ein kleiner Anteil Homosexualität erhalten.

Andererseits sind Männer gesundheitlich benachteiligt. Von der Geburt an sterben Jungen häufiger als Mädchen. Das bleibt das ganze Leben so. Männer erleben mehr Unfälle, „gelungene“ Selbstmorde und Krankheiten mit tödlichem Ausgang. Die Lebenserwartung der Männer ist bis zu acht Jahre geringer. Doch nicht nur das. Eine statistische Analyse der amerikanischen Ökonomin Karen Norberg zeigte kürzlich, dass schon die Geburtenrate von Jungen bei schwierigen Bedingungen sinkt. In den letzten Jahren wurden in den Industrienationen immer weniger Jungen geboren. Viele Stressfaktoren sind dafür als Ursache ausgemacht wurden, unter anderem die Probleme alleinstehender Mütter.

Frauen, die während der Schwangerschaft nicht mehr mit dem Vater des Kindes zusammenleben, bringen um 14 Prozent häufiger ein Mädchen zur Welt, als Frauen, die in stabilen Partnerschaften leben. Das bedeutet: Leidet die künftige Mutter unter emotionalem Stress, wird ein männlicher Fötus oftmals gar nicht erst heranreifen, sondern durch Frühgeburt verloren gehen. Weibliche Embryos dagegen überstehen die Krise.

November 2004 © by www.berlinx.de

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