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Wer wäre nicht gern weise? Diese höhere Lebens­klugheit zu er­lan­gen, ist ein wich­tiger An­sporn, wes­halb sich so man­cher mit Philo­sophie beschäftigt. Was ist Weis­heit und was unter­schei­det sie von ein­facher Intel­ligenz?

„Wenn du geschwiegen hättest, wärst du ein Philosoph geblieben!“ Dieser Ausruf stammt von Boethius, dem letzten Philosophen der Antike und erstem Denker des Mittel­alters. Als Weiser galt ihm, wer seine Zunge im Zaum hielt und nicht sein Ansehen durch unüber­legte Worte zerstörte.

In der Bibel galt König Salomo als weise, weil er als Richter fähig war, für einen klugen Ausgleich gegnerischer Interessen zu sorgen.

Im alten Griechenland verkörperte Sokrates das Ideal des Weisen. Er gab sich mit allgemein üblichen Vorur­teilen nicht zufrieden, sondern wollte das wahre Wesen der Dinge hinter dem äußeren Schein ergründen.

Diese drei Beispiele betonen unterschied­liche Tugenden. Offenbar muss man bereits weise sein, um zu wissen, was Weisheit ist. Bis heute gibt es keine allgemein­gültige Definition. Ein Ass in Mathe zu sein oder beim IQ-Test mehr als 130 Punkte zu erzielen – darauf kommt es jedenfalls nicht an. Wenn wir uns anschauen, welche Eigenschaften im Laufe der Geschichte als weise galten, stechen einige immer wieder hervor. Sie machen in ihrer Summe den Kern der Weisheit aus:

  • Gelassenheit und Lebenserfahrung
  • Innerer Abstand zum Alltagsstress und zu den eigenen Impulsen
  • Akzeptanz der eigenen Schwächen, Abhängigkeiten und Begrenztheiten
  • Aushalten der Konflikte und Widersprüche des Lebens
  • Dinge und Entschei­dungen aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten
  • Mit Ungewissheiten und fehlender Eindeutigkeit umgehen können
  • Zwischentöne und Kontexte erkennen, statt Schwarz-Weiß-Denken
  • Kompromisse und Interessen­ausgleich anstreben, statt Sieg oder Niederlage
  • Verstehen ist wichtiger als Be- und Verurteilen.

Wächst die Weisheit mit den Jahren? Kürzlich haben Forscher der Universität Michigan diese Annahme im Experiment überprüft. Igor Grossman und seine Kollegen ließen rund 250 Personen Konflikte beurteilen. Wie würden diese Auseinander­setzungen ausgehen, was wären clevere Lösungen? Es zeigte sich, dass die Antworten der Älteren von mehr Weisheit kündeten als die der Jüngeren. Bildung und Intelligenz spielten dabei keine Rolle. Die Akademiker unter den Befragten waren nicht weiser als die übrigen.

Wer in seinem Leben schon viele Konflikte durchgestanden hat, kennt die zahlreichen Unwägbarkeiten, die über ihren Ausgang entscheiden. Zum Beispiel der Charakter der Beteiligten, ihre Erfahrungen aus früheren Konflikten, heimlicher Groll und Rachegelüste, unbewältigte Kränkungen, Fehleinschätzungen der eigenen Verhandlungsposition, Machtgelüste und Zukunftshoffnungen. Diese Faktoren sind nicht eindeutig und entziehen sich einer reinen Vernunftanalyse. Brillantes Denken allein nützt da nicht viel.

Philosophie kann dagegen die Lebenserfahrung teilweise ersetzen. Mit ihr können auch Jüngere Weisheit erwerben. Wer in der Jugend schon in der Lage ist, die gesammelte Weisheit aus zwei Jahrtausenden zu verinnerlichen, kann bei Konflikte und Lebensentscheidungen ein zusätzliches Plus in die Waagschale werfen. Hier einige Beispiele solcher weisen Prinzipien:

  • Du kannst nicht alles bekommen, was du gern hättest.
  • Die Welt ist nicht gerecht. Dennoch lohnt es sich, nach gutem Gewissen zu handeln.
  • Es gibt nichts, was du vollständig unter Kontrolle hast.
  • Auf dieser Welt ist nichts von Dauer, weder Glück noch Liebe noch Gesundheit.
  • Die Frage „Warum gerade ich?“ ist sinnlos – du bist dem Kosmos gleichgültig. diese Schweigen des Alls bringt Unsicherheit, aber auch Freiheit.
  • Du kannst frei entscheiden, wenn du bereit bist, die Konsequenzen zu tragen.
  • Jeder fragt gelegentlich: „Soll das alles gewesen sein?“ Die einzig sinnvolle Frage lautet: „Wohin strebe ich als nächstes?
  • Wenn du den höchsten Sieg deines Lebens errungen hast, sei gewappnet: Es kann nur noch abwärts gehen.
  • Wenn du nach einer Krise ganz tief unten gelandet bist, atme auf: Von hier kann es nur aufwärts gehen.

Wer in jungen Jahren Weisheit erlangt, kann besser mit kommenden Krisen umgehen. Aber Vorsicht! Da landläufig Alter und Weisheit zusammen gehören, folgt daraus: Weisheit lässt uns älter wirken. Zur Jugend gehören Sponta­neität und Unbeson­nenheit. Falls Sie jung sind – überlegen Sie gut, ob Sie früher als andere davon Abschied nehmen wollen. Oft löst erst ein eigenes schweres Krisen­erlebnis das Bedürfnis nach mehr Weisheit aus.

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Gelassenheit Wie Sie stets Herr der Lage bleiben

veröffentlicht im Mai 2010 © by www.berlinx.de

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