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Die Kunst des „So tun als ob“

Seit PISA-Studie und Jauchs Wissens­show ist es wieder schick, Bescheid zu wissen. Niemand möchte mehr bei seiner Ahnungs­losigkeit ertappt werden. Wie schaf­fen Sie es, sich nie wieder eine Blöße zu geben?

Unwissen kann tödlich sein. In einem verzwickten Agatha-Christie-Krimi („Dreizehn bei Tisch“) verwechselte die Mörderin den trojanischen Königssohn Paris mit der gleichnamigen Hauptstadt Frankreichs. Dieser Irrtum führte Detektiv Hercule Poirot auf ihre Spur und brachte sie in die Todeszelle.

Auch wenn es nicht um Leben oder Tod geht: Wer findet es schon angenehm, bei seinem Nichtwissen ertappt zu werden? Vor allem, wenn Sie bis eben so getan haben, als wüssten Sie genauestens Bescheid. Auf Partys und in anderen Gesprächsrunden gilt die Regel: Wenn Sie verbergen können, dass Sie nichts wissen, wirken Sie klüger als jeder, der nicht weiß, dass Sie nichts wissen.

Also Kopf hoch! Niemand kann alles wissen. Alle paar Jahre verdoppelt sich das angesammelte Wissen der Menschheit. Damit wird die Chance, bei jedem Thema mitreden zu können, immer geringer. Aber sich deswegen als Ignorant outen? Wie gut, dass es bewährte Strategien gibt, wie Sie Ihr Unwissen kaschieren können!

Spielen Sie den Ball zurück. Sie haben sich unvorsichtigerweise als Hobby-Experte für ein bestimmtes Spezialgebiet bezeichnet. Prompt stellt Ihnen jemand eine Frage: „Wenn du dich damit auskennst, dann erklär mir doch mal, was …“ Wie peinlich zugeben zu müssen, dass Sie keine Ahnung haben. Jetzt irgendeine Phantasie-Auskunft erteilen? Bloß nicht! Es könnte jemand in Hörweite sein, der Bescheid weiß. Oder Ihr Gegenüber prüft hinterher nach, ob es stimmt, was Sie behauptet haben. Die optimale Strategie lautet: Fragen Sie zurück! „Das kann ich nicht in drei Sätzen erklären. Sag mir doch mal, was du darüber schon weißt. Dann kann ich uns einen längeren Vortrag ersparen.“ Entweder Ihr Gegenüber liefert Ihnen nun selbst die Antwort, die Sie suchen. Oder es zeigt sich, dass seine Wissenslücken so elementar sind, dass Sie auch ohne Spezialwissen den Experten spielen können.

Wissenslücke zugeben. Experten wissen auch nicht alles. Sie unterscheiden sich vom Laien nur darin, dass sie genau benennen können, was man auf ihrem Gebiet wissen muss und was nicht. Sagen Sie also nicht nur „Keine Ahnung“. Sondern antworten Sie fachmännisch: „Das ist eine interessante Frage. Damit beschäftige ich mich gerade. Frag mich in drei Tagen noch mal.“ Oder: „Darüber wird gerade geforscht. Die Experten sind sich da uneins. Wer das rauskriegt, hat den Nobelpreis sicher.“ Zeigen Sie in Ihrer Antwort, dass Sie trotz Unwissens den aktuellen Stand des Wissens drauf haben.

Details herausgreifen. Sie haben sich als Finanzexperte bezeichnet und prompt fragt Sie jemand: „Wie viel Geld gibt es überhaupt auf der Welt?“ Sie wissen es nicht. Warum es zugeben? Statt dessen setzen Sie zu einer komplexen Erklärung an und erschlagen Ihr Gegenüber mit Einzelheiten: „Das kommt darauf an. Rechnen Sie Kredite mit? Kreditgeld existiert anfangs zweimal: beim Kreditnehmer und bei der Bank als Forderung in ihrer Bilanz. Nach der Rückzahlung ist es in den Bilanzen nur noch einmal da, allerdings kommen die Zinsen hinzu. Im alltäglichen Zahlungsverkehr kommt es zudem nicht nur auf die Geldmenge an, sondern auch, wie oft es ausgegeben wird. Wenn Sie einen Zehn-Euro-Schein dreimal ausgegeben – etwa beim Friseur, dann von Ihrem Friseur und schließlich von seiner Bank – tauscht der Schein Waren für dreißig Euro aus.“ So reden Sie noch eine Weile und dann fragen Sie am Ende: „Welche dieser Geldmengen meinen Sie jetzt?“
Falls Sie das Thema „Geldmenge“ interessiert: Zumindest für den Euro kennen wir die exakte Zahlen. 14,5 Milliarden Scheine im Wert von 648,5 Milliarden Euro sowie 49,8 Milliarden Münzen im Wert von 15,6 Milliarden Euro sind derzeit im Umlauf (Stand Anfang 2009).

Thema wechseln. Partyzeit ist Freizeit. Da wollen Sie sich erholen, auch von Ihrem Expertentum. Sie können also jederzeit vom Thema weglenken: „Ja, das ist schon interessant. Aber heute Abend ist mir das zu anstrengend. Ruf mich meinetwegen morgen an. Jetzt verrat mir lieber, wo du so schön braun geworden bist. Warst du gerade im Urlaub?“ Damit haben Sie nicht nur Ihr Unwissen kaschiert, sondern auch noch den Tritt ins Fettnäpfchen Ihrem Gesprächspartner zugeschoben. Beim Smalltalk mit Fach­simpeleien Langeweile zu verbreiten, dass macht man einfach nicht.

Zeit zum Nachdenken erbitten. Nur Dummköpfe antworten wie aus der Pistole geschossen. Experten wissen, dass kluge Antworten durchdachte Antworten sind. Selbst wenn es sich bloße Begriffs­erklärungen handelt. Nehmen wir an, Sie haben mit Fachbegriffen nur so um sich geworfen. Plötzlich fragt einer: „Umsatzrendite? Was ist das?“ Jetzt nicht verstummen wie ein ertappter Sünder. Sondern sagen Sie: „Das ist die Rendite auf den Umsatz. Aber im Zusammenhang mit dieser Firma … das ist gar nicht so einfach auf den Punkt zu bringen. Darf ich darüber ein paar Minuten nachdenken?“ Wenn Sie Glück haben, hat sich bis dahin das Gespräch in eine andere Richtung entwickelt und keiner kommt auf die Frage zurück. Wenn doch, sagen Sie: „Oh, das habe ich ganz vergessen, so sehr hat mich unser Gespräch gefesselt. Verschieben wir das Thema auf morgen, okay?“

Nach Motiven fragen. Wenn keiner dieser Auswege passt, fragen Sie, warum man Sie das fragt (auch wenn die Gründe für das Interesse offensichtlich zu sein scheinen):

  • „Was interessiert dich daran besonders?“
  • „Betrifft dich dieses Thema etwa persönlich?“
  • „Kennst du jemanden, der damit Erfahrungen hat? Dann schildere mir den Fall, vielleicht kann ich konkret dazu was sagen.“

Dann können Sie beide herrlich darüber fachsimpeln, wie bestimmte Fragen entstehen und wovon die Antwort abhängt.

Lesen Sie bei uns auch:
Die Als-ob-Strategie
Fauxpas Die besten Anti-Fettnapf-Strategien
Die Kunst des Smalltalk Neues aus der Welt der kleinen Plauderei

veröffentlicht im Mai 2009 © by www.berlinx.de

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